Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbringung eines überschuldeten Einzelunternehmens in eine neu gegründete GmbH
Leitsatz (amtlich)
Bringt ein Steuerpflichtiger seinen bisher als Einzelunternehmen geführten, bilanziell überschuldeten Betrieb im Wege einer verdeckten Einlage in eine von ihm zuvor bar gegründete GmbH ein, muß er die übergehenden stillen Reserven und den übergehenden Geschäftswert nach § 16 Abs.3 Satz 1 EStG versteuern.
Orientierungssatz
1. § 20 UmwStG 1977 setzt eine gesellschaftsrechtliche Einlage zwingend voraus (vgl. BFH-Urteil vom 20.8.1986 I R 150/82). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs durch den Gesellschafter in eine zuvor bar gegründete GmbH ist nicht möglich (entgegen FG Düsseldorf vom 19.12.1985 VI/I 237/76, F, U). Die Voraussetzungen einer verschleierten Sachgründung liegen nicht vor.
2. Eine verdeckte Einlage ist gegeben, wenn ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft Vermögensgegenstände zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.1983 I R 182/78). Eine Leistung in diesem Sinne ist durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 2.9.1988 III R 117/86).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, 3 S. 1; EStDV § 7 Abs. 1; UmwStG 1977 § 20 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber einer Blumengroßhandlung. Bedingt durch hohe Entnahmen belief sich das Betriebskapital des Unternehmens am 31.Dezember 1977 auf ./. 248 478,24 DM. Mit Wirkung zum 1.Januar 1978 brachte der Kläger seinen Betrieb in eine zuvor gegründete GmbH ein, an deren Stammkapital in Höhe von 50 000 DM, das durch Barzahlung aufgebracht worden war, der Kläger zu 98 % und seine Mutter zu 2 % beteiligt waren. Da die GmbH die Buchwerte des Einzelunternehmens mit der Besonderheit fortführte, daß sie an Stelle des bisherigen negativen Kapitals eine Forderung an den sie beherrschenden Gesellschafter bilanzierte, deklarierte der Kläger keinen Veräußerungsgewinn.
Eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung berichtigte das negative Kapital der Einzelfirma auf 248 555 DM und ermittelte im Betrieb vorhandene stille Reserven unter Einschluß eines Geschäftswertes in Höhe von ebenfalls 248 555 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) vertrat im Anschluß daran die Auffassung, daß der Kläger einen Veräußerungsgewinn in Höhe des negativen Kapitals erzielt habe, weil er von der Verpflichtung, das negative Kapitalkonto auszugleichen, frei geworden sei.
Dementsprechend stellte das FA mit Bescheid vom 10.Juli 1981 einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 350 848 DM und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 248 555 DM gesondert fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, daß eine gewinnrealisierende Veräußerung weder unter Annahme einer verdeckten Einlage noch unter Anwendung des § 16 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliege. Seiner Ansicht nach sei § 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) einschlägig.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat die Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH im Ergebnis zu Recht als verdeckte Einlage beurteilt. Demzufolge unterliegen die in dem Betrieb vorhandenen stillen Reserven unter Einschluß des Geschäftswertes der Besteuerung.
1. Entgegen der Annahme des FA liegt keine Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs.1 EStG vor. Ein Entgelt für die Betriebsübertragung ist weder vereinbart noch gezahlt worden. Der Vorgang kann auch nicht im Hinblick darauf als entgeltliche Veräußerung beurteilt werden, daß die GmbH im Umfang des negativen Kapitals Betriebsschulden übernahm; denn der Kläger ist durch die Übertragung der Blumengroßhandlung auf die GmbH nicht von den Betriebsschulden im Umfang des negativen Kapitals befreit worden. Dem Urteil der Vorinstanz ist zu entnehmen, daß der Kläger im untrennbaren Zusammenhang mit der Betriebsübertragung gegenüber der GmbH eine Verbindlichkeit in Höhe des negativen Kapitals eingegangen ist. Dementsprechend hat die GmbH in ihrer Bilanz auf den 1.Januar 1978 in Höhe von 248 555 DM eine Forderung an den Gesellschafter ausgewiesen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung kann es auch keinen Unterschied machen, ob der einbringende GmbH-Gesellschafter zunächst seinen Betrieb durch Leistung entsprechender Einlagen buchmäßig entschuldet und dann überträgt oder ob er im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Übertragungsvorgang eine Verbindlichkeit in Höhe des negativen Kapitals gegenüber der übernehmenden GmbH eingeht.
Als Gegenleistung i.S. des § 16 Abs.1 EStG kann nicht die Werterhöhung angesehen werden, die die Beteiligung an der GmbH infolge des Betriebsübergangs erfahren hat. Die Wertsteigerung der Beteiligung ist nur eine Reflexwirkung einer verdeckten Einlage und damit keine Gegenleistung im Sinne eines Veräußerungspreises (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24.März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705, 707; Beschluß des Großen Senats vom 26.Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C I. 3. c, 2.Absatz; Urteil vom 27.Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271, 273; Groh, Der Betrieb ―DB― 1988, 514, 523).
2. Die unentgeltliche Übertragung des Betriebs auf die GmbH führt jedoch zur steuerlichen Erfassung der stillen Reserven und des Geschäftswertes, weil durch sie ein Aufgabegewinn i.S. des § 16 Abs.3 Satz 1 EStG entstanden ist.
Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs.3 EStG liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt oder insgesamt in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 29.November 1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, 604). Dem steht gleich, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Einzelunternehmens dadurch betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, daß sie im Wege einer sog. verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden.
Die Übertragung der Blumengroßhandlung auf die GmbH ist eine zur Betriebsaufgabe führende verdeckte Einlage eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft.
Eine verdeckte Einlage ist gegeben, wenn ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft Vermögensgegenstände zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. BFH-Urteil vom 9.März 1983 I R 182/78, BFHE 139, 139, BStBl II 1983, 744). Eine Leistung in diesem Sinne ist durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte (vgl. BFH in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; BFH-Urteil vom 2.September 1988 III R 117/86, BFH/NV 1990, 20).
Der Kläger hat der GmbH einen Vermögensvorteil in Höhe von 248 555 DM eingeräumt, weil er zusammen mit den aktiven Wirtschaftsgütern darin enthaltene stille Reserven und einen Geschäftswert in Höhe von insgesamt 248 555 DM übertragen hat, ohne daß die GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung in diesem betragsmäßigen Umfang Betriebsschulden übernommen hätte. Denn der Kläger ist in dieser Höhe gegenüber der GmbH eine Schuld eingegangen. Eine solche Zuwendung hat ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis.
3. Der Annahme einer zur Realisierung der im Betrieb vorhandenen stillen Reserven führenden Betriebsaufgabe steht nicht die in § 7 Abs.1 EStDV getroffene Regelung entgegen. Die Regelung findet keine Anwendung auf Fälle, in denen von dem beherrschenden Gesellschafter einer GmbH ein Betrieb dieses Gesellschafters auf die GmbH in der Form einer verdeckten Einlage übertragen wird. Da der verdeckten Einlage eine Entnahme zwangsläufig vorausgeht (vgl. BFH in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; in BFH/NV 1990, 20; Wassermeyer, DB 1987, 1113, 1115; derselbe, DB 1990, 855, 858), ist der Vorgang als Betriebsaufgabe zu beurteilen, so daß eine Betriebsübertragung nicht mehr möglich ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn ―wie im Streitfall― die Anteile an der GmbH Privatvermögen sind (vgl. Ludwig Schmidt, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1987, 560).
Daß die Regelungen über die Betriebsaufgabe Vorrang vor § 7 Abs.1 EStDV haben, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 16 Abs.3 EStG. Dieser besteht darin, die Versteuerung der stillen Reserven sicherzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 28.April 1971 I R 55/66, BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630; vom 18.Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; vom 9.August 1989 X R 62/87, BFHE 158, 48, BStBl II 1989, 973). Unter Berücksichtigung dieses Zwecks könnte eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs.3 EStG durch eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft nur dann verneint werden, wenn die spätere Erfassung der in dem übertragenen Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven sowohl bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als auch beim Einbringenden gesichert wäre.
Mit der Fortführung der Buchwerte durch die GmbH ist zwar gewährleistet, daß die stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern der Besteuerung nicht entgehen. Die Versteuerung der stillen Reserven beim Kläger als Übertragendem ist jedoch nicht sichergestellt, weil der Kläger keine Anteile an der Kapitalgesellschaft erhalten hat, die ―ähnlich wie einbringungsgeborene Anteile gemäß § 21 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) i.V.m. § 20 Abs.4 UmwStG― einkommensteuerrechtlich verhaftet sind.
4. a) § 20 Abs.1 UmwStG kommt im Streitfall nicht zum Zuge. Der Kläger hat den Betrieb auf die GmbH übertragen, ohne dafür von ihr neue Anteile zu erhalten.
Eine entsprechende Anwendung des § 20 UmwStG auf die unentgeltliche Übertragung eines Betriebes durch den Gesellschafter in eine zuvor bar gegründete GmbH ist nicht möglich (anderer Ansicht Urteil des FG Düsseldorf vom 19.Dezember 1985 VI/I 237/76, F, U, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1986, 375). Die Vorschrift setzt eine gesellschaftsrechtliche Einlage zwingend voraus (vgl. BFH-Urteil vom 20.August 1986 I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455).
Eine im Wege der Analogie zu schließende planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ―Regelungslücke― liegt nicht vor.
Die Regelung hat der Gesetzgeber bewußt nicht auf verdeckte Einlagen erstreckt. Er hat die Voraussetzung der Gewährung neuer Anteile damit begründet, daß nur durch neue Anteile die in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven repräsentiert werden können (BTDrucks V/3186). Im übrigen ist zu beachten, daß § 20 Abs.1 UmwStG mit seiner Legaldefinition der Sacheinlage auf die gleichlautenden Begriffe des Gesellschaftsrechts, insbesondere auf § 5 Abs.4, § 56 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 27 Abs.1, § 183 Abs.1 des Aktiengesetzes, §§ 40, 46, 50, 56a, 57, 58 des Umwandlungsgesetzes Bezug nimmt. Das läßt ebenfalls den Schluß zu, daß der Gesetzgeber die Begünstigung des § 20 UmwStG nur auf Einbringungen beschränken wollte, die sich nach Gesellschaftsrecht vollziehen.
b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer sog. verschleierten Sachgründung kommt § 20 Abs.1 UmwStG nicht zur Anwendung.
Die steuerrechtliche Behandlung der verschleierten Sachgründung ist umstritten. Im Schrifttum wird zum Teil die Anwendung des § 20 Abs.1 UmwStG i.V.m. § 41 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) befürwortet (z.B. Carle, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1983, 203; Heinemann, Deutsche Steuer-Zeitung 1984, 37; Küffner, DStR 1985, 691; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rdnr.6917; Widmann, Das Verhältnis von Handels- und Steuerrecht beim Wechsel der Rechtsform eines Unternehmens in: Festschrift für Döllerer 1988, 721 f., 727 f.; Tillmann, GmbHR 1987, 329; derselbe GmbHR 1989, 41; anderer Ansicht Glade/Steinfeld, Umwandlungssteuergesetz 1977, 3.Aufl., Rdnr.993; Oppermann, DB 1989, 753; wohl auch Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 16 Anm.38 b).
Der Senat braucht die Streitfrage nicht zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine verschleierte Sachgründung liegen nicht vor. Die Bareinlage ist in die GmbH eingebracht worden und bei ihr verblieben. Der Kläger hat sein Einzelunternehmen unentgeltlich in die GmbH eingebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 63188 |
BFH/NV 1991, 24 |
BStBl II 1991, 512 |
BFHE 163, 352 |
BFHE 1991, 352 |
BB 1991, 895-896 (LT) |
DB 1991, 994-995 (LT) |
DStR 1991, 509 (KT) |
HFR 1991, 351 (LT) |
StE 1991, 142 (K) |