Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliche Gewinnfeststellung bei Gesellschafterwechsel; keine Beiladung der faktisch beendeten Abwicklungsgesellschaft sowie der am Gewinn und Vermögen der PG nicht beteiligten Komplementär-GmbH
Leitsatz (NV)
1. Die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der gewerblichen Einkünfte umfaßt grundsätzlich auch dann ein volles Wirtschaftsjahr, wenn ein Gesellschafter während des Wirtschaftsjahres aus einer Personengesellschaft ausscheidet und diese anschließend von den verbleibenden Gesellschaftern oder von diesen mit einem oder mehreren neuen Gesellschaftern fortgeführt wird. Unerheblich ist die Dauer der Zugehörigkeit des ausgeschiedenen Gesellschafters zu der Personengesellschaft in dem betreffenden Wirtschaftsjahr.
2. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses werden Ausnahmen von der Durchführung eines das gesamte Wirtschaftsjahr umfassenden einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens in Fällen eines Gesellschafterwechsels zugelassen.
Normenkette
AO 1977 §§ 174, 180 Abs. 1 Nr. 2a; FGO § 60 Abs. 3, § 99 Abs. 2; EStG § 4a Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2; EStDV § 8b; BGB § 413
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war einziger Kommanditist der U-KG mit einer Kommanditeinlage von 300 000 DM. Komplementärin war die weder am Kapital noch am Gewinn und Verlust beteiligte GmbH. Für die Übernahme der persönlichen Haftung stand der Komplementärin eine Vergütung von 1 v. H. des Gewinns der U- KG zu. Gesellschafter-Geschäftsführer der geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Komplementär-GmbH war der Kläger.
Geschäftsjahr der U-KG war das Kalenderjahr.
Der Kläger übertrug zum 1. Januar 1978, 12.00 Uhr seine Kommanditanteile an der U- KG gegen Einräumung von Kommanditanteilen auf die O-KG. Komplementär der O-KG war ebenfalls die GmbH, wiederum ohne Kapital- und Gewinnbeteiligung. Weiterer Kommanditist war X.
Die U-KG übertrug mit Vertrag vom 1. Januar 1978 die Geschäftsführung und nach Maßgabe einer besonderen Vereinbarung bestimmte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zum Buchwert auf die O-KG.
Mit Vermögensübertragungsvertrag vom 27. Dezember 1979 wurde der Geschäftsbesorgungsvertrag aufgehoben und die vorgenannten Wirtschaftsgüter auf den 31. Dezember 1979 endgültig auf die O-KG übertragen.
Mit Schreiben vom 14. Januar 1986 teilten die steuerlichen Berater mit, die U-KG habe ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 1983 endgültig beendet.
Die U-KG erteilte der Steuerberatungsgesellschaft A unter dem 13. November 1980 schriftlich Vollmacht, sie in allen steuerlichen Angelegenheiten vor Finanzämtern und anderen Behörden zu vertreten und alle das Verwaltungsverfahren betreffende Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Sie bestellte diese zur Empfangsbevollmächtigten und bat, alle an die U-KG gerichteten Steuerbescheide und sonstigen Verwaltungsakte dem Bevollmächtigten bekanntzugeben bzw. zuzustellen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hatte für die U-KG nach der 1980 eingereichten Feststellungserklärung die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Streitjahr 1978 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt.
Im Anschluß an eine Außenprüfung bei der U- KG erließ das FA einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für den 1. Januar 1978, in welchem es den anläßlich der Anteilsübertragung entstandenen Gewinn in Höhe von 1 977 996 DM nicht mehr als begünstigten Veräußerungsgewinn feststellte. Den Bescheid gab es dem Kläger bekannt.
Für die U-KG stellte das FA außerdem in einem ebenfalls gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid 1978 den laufenden Gewinn auf 78 348 DM fest und verteilte diesen auf die ab 1. Januar 1978 nach 12.00 Uhr an der KG beteiligten Gesellschafter. Den namens der ehemaligen U-KG eingelegten Einspruch wies das FA mit gegen den Kläger gerichteter Einspruchsentscheidung vom 10. September 1990 als unbegründet zurück und erhöhte den dem Kläger zugerechneten laufenden Gewinn auf 2 302 996 DM, weil das FA die Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 325 000 DM nicht mehr anerkannte.
Mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 700 veröffentlichtem Zwischenurteil wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet zurück.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 171 Abs. 4 AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das angefochtene Zwischenurteil war aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. a) Der Kläger ist als im Streitjahr noch zeitweise Beteiligter und anschließend ausgeschiedener Gesellschafter der ehemaligen U-KG klagebefugt (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. Januar 1992 VIII B 33/90, BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559, 561 m. w. N.).
b) Das FG hat im Ergebnis zu Recht weder die U-KG noch die Komplementär-GmbH zum Klageverfahren notwendig beigeladen (§ 60 Abs. 3 FGO).
aa) Die U-KG hat ihren Geschäftsbetrieb endgültig zum 31. Dezember 1983 eingestellt. Im Streitfall bedurfte es auch keiner weiteren Abwicklungsmaßnahmen mehr, da die U-KG ihr Vermögen zum 31. Dezember 1983 auf die O-KG nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG vollständig übertragen hatte.
Ist eine Liquidationsgesellschaft faktisch beendet, so kann von ihrer Beiladung abgesehen werden. Dies wird bei tatsächlicher Einstellung des Betriebes und völliger Vermögenslosigkeit angenommen (Urteile vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFH/NV 1994, 159, 161; vom 25. Juni 1992 IV R 87/90, BFH/NV 1993, 457, 458; vom 11. Dezember 1990 VIII R 37/88, BFH/NV 1991, 516 m. w. N.; vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333; vom 1. Juni 1989 IV R 19/88, BFHE 157, 181, BStBl II 1989, 1018 m. w. N.).
Auch wenn der Löschung im Handelsregister nur deklaratorische Wirkung zukommt, so besitzt sie doch indizielle Wirkung für eine Vollbeendigung (BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, 335).
bb) Die weder vermögens- noch gewinnmäßig an der U-KG beteiligte Komplementär- GmbH brauchte ebenfalls nicht notwendig beigeladen zu werden. Sie ist vom Ausgang des Verfahrens unter keinen denkbaren Gesichtspunkten steuerlich betroffen (BFH-Urteile vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558, 559; vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BFHE 160, 558, BStBl II 1990, 780).
c) Das FG durfte über die entscheidungserheblichen Fragen des zutreffenden Feststellungszeitraums und der Hemmung des Ablaufs der Feststellungsfrist auch gegenüber dem Kläger vorab im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 FGO entscheiden (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40, BStBl II 1994, 250; vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439).
2. Rechtsfehlerhaft hat das FG das FA ausnahmsweise als befugt angesehen, gegen den Kläger für einen abgekürzten Feststellungszeitraum im Hinblick auf den erfolgten Gesellschafterwechsel einen eigenständigen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen.
a) Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der U-KG ist der für den Kläger festgestellte Gewinn frühestens am 1. Januar 1978 entstanden und damit in dem mit dem Kalenderjahr deckungsgleichen Wirtschaftsjahr 1978 (vgl. BFH- Urteile vom 29. April 1993 IV R 107/92, BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666; vom 22. September 1992 VIII R 7/90, BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228). Lt. Gesellschaftsvertrag der U-KG vom 28. Dezember 1977 (§ 3 Abs. 2) beteiligte sich der Kläger als Kommanditist mit einer Einlage von 400 000 DM, die er durch Einbringung von Anteilen an Personengesellschaften nach Maßgabe des zwischen ihnen gesondert geschlossenen Einbringungsvertrages zu erfüllen hatte. Nach dem erst zum 31. Oktober 1979 schriftlich niedergelegten Einbringungsvertrag ist gemäß § 4 Abs. 1 als Einbringungsstichtag der 1. Januar 1978, 12.00 Uhr mittags, vereinbart worden. Gemäß § 4 Abs. 2 dieses Vertrages waren u. a. die in § 1 Abs. 1 genannten Beteiligungen an der U-KG mit Wirkung zum Einbringungsstichtag zu übertragen. Zwischen den Beteiligten ist im übrigen nicht streitig, daß eine Übertragung etwa bereits zu einem früheren Zeitpunkt, also bereits zum Ablauf des Jahres 1977, nicht hätte stattfinden sollen.
Der Zeitpunkt, zu dem die Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft wirksam werden soll, wird grundsätzlich durch die vertragliche Vereinbarung der Parteien bestimmt. Der Anteil an einer Personengesellschaft wird durch nicht formbedürftiges Rechtsgeschäft nach § 413 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übertragen (BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666, 667; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Aufl., § 413 Tz. 1, § 719 Tz. 3). Der Senat braucht im übrigen nicht abschließend zu entscheiden, ob und ggf. wann eine solche formlose Übertragung im Streitjahr genau stattgefunden hat.
b) Die AO 1977 regelt nicht ausdrücklich, für welchen Zeitraum die nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 festzustellenden gewerblichen Einkünfte zu ermitteln sind. Der Zeitraum ist indessen den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu entnehmen; denn die einheitliche Feststellung soll die Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer abgeben. Da der Gewinn eines Gewerbebetriebes nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 1971; § 4 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1987), sind auch die einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 grundsätzlich für das Wirtschaftsjahr zu treffen (BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159, ständige Rechtsprechung).
Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer nach seinem Ausscheiden weiterbestehenden Personengesellschaft zwingt nicht zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres nach § 8 b der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV). Es handelt sich weder um die Aufgabe oder Veräußerung des bisherigen noch um die Gründung eines neuen Betriebes (BFH-Urteile vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561, 562; vom 24. November 1988 IV R 252/84, BFHE 155, 255, BStBl II 1989, 312, 313). Ebensowenig ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bei Wechsel eines Gesellschafters einer Personengesellschaft die Aufstellung einer Zwischenbilanz erforderlich (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1976 IV R 34/73, BFHE 121, 44, BStBl II 1977, 241, 243).
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH umfaßt die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der gewerblichen Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 grundsätzlich auch dann ein volles Wirtschaftsjahr, wenn ein Gesellschafter während des Wirtschaftsjahres aus einer Personengesellschaft ausscheidet und diese anschließend von den verbleibenden Gesellschaftern oder von diesen mit einem oder mehreren neuen Gesellschaftern fortgeführt wird (vgl. BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666, 667 m. w. N., mit zustimmender Anmerkung O. V. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1993, 558, 560; ferner Urteil des erkennenden Senats in BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561, 562). Trotz eines Gesellschafterwechsels bleibt die Identität der Personengesellschaft als Gewinnerzielungs- und -ermittlungssubjekt (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 699 m. w. N.) erhalten (BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666, 667; BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BFHE 163, 438, BStBl II 1991, 882, 884; vom 21. Juli 1987 VIII R 302/82, BFH/NV 1989, 304, 305 m. w. N.).
Die Einbeziehung in die Gewinnfeststellung auch solcher Personen, die nicht während des gesamten Wirtschaftsjahres als Gesellschafter beteiligt waren, widerspricht auch nicht Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens. Daran ändert der Umstand nichts, daß bei einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil auf einen Dritten überträgt, mit welchem die Gesellschaft fortgeführt wird (BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666, 668). Eine Personenhandelsgesellschaft (hier: die O-KG) kann Mitunternehmerin einer anderen Personenhandelsgesellschaft sein (vgl. BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 699 m. umf. N.).
Unerheblich ist ebenfalls die Dauer der Zugehörigkeit des Klägers zur U-KG im Streitjahr. Auch wenn der dem Kläger zugerechnete Gewinn nicht als laufender, sondern als Veräußerungsgewinn zu erfassen wäre, gehörte die Entscheidung darüber und über die sich hieraus ggf. ergebenden weiteren Folgerungen für die anderen Gesellschafter in die einheitliche Gewinnfeststellung (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
Soweit der BFH zur Wahrung des Steuergeheimnisses Ausnahmen von der Durchführung eines einheitlichen Feststellungsverfahrens in Fällen eines Gesellschafterwechsels zugelassen hat, liegen die Voraussetzungen hierfür erkennbar nicht vor (vgl. BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666, 668; Urteil vom 30. April 1991 VIII R 50/86, BFH/NV 1991, 676, 677). Anhaltspunkte für das Vorliegen schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen bestehen schon deshalb nicht, weil der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer der in der U- und O-KG gleichermaßen fungierenden Komplementär- GmbH war.
Die Vorschaltung eines einheitlichen Feststellungsverfahrens dient zwar einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung. Damit sind jedoch Steuerverwaltung und Rechtsprechung nicht berechtigt, das Feststellungsverfahren jeweils nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1962 IV 458/60, HFR 1963, 348, 349). Zudem hat der BFH (BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159,161) darauf hingewiesen, daß die Verfahrensökonomie es gerade nahelegt, im Falle des Gesellschafterwechsels für das gesamte Jahr grundsätzlich eine einheitliche Gewinnfeststellung vorzunehmen. Anderenfalls käme bei Gesellschaften mit größerem Gesellschafterbestand und häufigeren Wechseln eine Vielzahl von Feststellungen in Betracht.
3. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 1978 vom 11. Oktober 1988 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 1990 war aufzuheben.
Das FA wird nunmehr einen das gesamte Wirtschaftsjahr 1978 umfassenden Gewinnfeststellungsbescheid auf der Grundlage der Änderungsvorschrift in § 174 AO 1977 erlassen (vgl. BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159, 162).
Fundstellen
BFH/NV 1995, 84 |
GmbHR 1995, 238 |