Entscheidungsstichwort (Thema)
Errichtung und Veräußerung einzelner Einfamilienhäuser als gewerblicher Grundstückshandel
Leitsatz (NV)
Auch bei nachfolgender Veräußerung weiterer Objekte ist die Veräußerung des ersten Einfamilienhauses nicht gewerblich, wenn sich der Erwerb des Grundstücks, dessen Bebauung und Nutzung im privaten Vermögensbereich vollzogen hat und der Steuerpflichtige mit der Baubranche beruflich nicht verbunden ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger war bis einschließlich 1977 nichtselbständig tätig. Von Januar 1978 bis Februar 1980 war er arbeitslos. Seit März 1980 ist er als Handelsvertreter für . . . gewerblich tätig.
Von 1973 an entfalteten die Kläger folgende Aktivitäten auf dem Grundstücks- und Bausektor:
a) Lage: A-Stadt, A-Weg 1 1973
Erwerb: geerbt als unbebautes Grundstück
Veräußerung: Bebauung mit einem Einfamilienhaus (EFH); Bezug: 1975 am 28. 3. 1977
b) Lage: B-Stadt, B-Weg
Erwerb: gekauft am 20. 7. 1977 als unbebautes Grundstück
Veräußerung: Bebauung mit EFH; Bezug: 4. 4. 1979 am 3. 8. 1979
c) Lage: B-Stadt, E-Weg
Erwerb: gekauft am 27. 9. 1978 als unbebautes Grundstück
Veräußerung: Bebauung mit EFH; Bezug: 19. 12. 1979 am 23. 6. 1981
d) Lage: A-Stadt, F-Weg
Erwerb: gekauft am 1. 4. 1980 als unbebautes Grundstück
Veräußerung: Bebauung mit EFH; Bezug: 29. 9. 1981 bis heute selbst genutzt
e) Lage: C-Stadt, C-Weg
Erwerb: gekauft als unbebautes Grundstück in 1981
Veräußerung: Bebauung mit Wohnhaus am 19. 12. 1984
f) Lage: D-Stadt
Erwerb: gekauft am 9. 3. 1983 als unbebautes Grundstück
Veräußerung: Bebauung mit EFH-Rohbau auf Teilfläche von 388 qm am 9. 7. 1984 (Teilfläche)
Der Kaufpreis wurde in Höhe von . . . DM gegen Tausch einer Eigentumswohnung der Erwerber in H-Stadt entrichtet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte sich auf den Standpunkt, daß sich die Kläger bereits im Streitjahr (1977) gewerblich als Grundstückshändler betätigt hätten. Mangels näherer Angaben der Kläger schätzte das FA den Gewinn 1977 auf 50 000 DM und veranlagte die Kläger, für die bereits ein Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren 1977 durchgeführt worden war, zur Einkommensteuer (Bescheid vom 4. Januar 1983).
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angegriffenen Verwaltungsakte (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
841. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 1 Abs. 1 GewStDV i. d. F. des Streitjahrs (vgl. nunmehr § 15 Abs. 2 EStG) liegt ein Gewerbebetrieb bei einer selbständigen nachhaltigen Betätigung vor, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist; ferner darf sich die Betätigung nicht als private Vermögensverwaltung darstellen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293; vom 18. Januar 1989 X R 108/88, BFHE 156, 115, BStBl II 1990, 1051; vom 11. April 1989 VIII R 266/84, BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird bei der Errichtung und dem Verkauf von Wohnobjekten der Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (Urteil vom 28. September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65, m. w. N.).
Veräußert der Steuerpflichtige weniger als vier Objekte, nimmt die Rechtsprechung des BFH stets private Vermögensverwaltung an (Urteile vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; vom 3. Juni 1987 III R 209/83, BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277; in BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293, und in BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621). Andererseits führt der Verkauf von mehr als drei Objekten nicht ohne weiteres zur Gewerblichkeit. Gewerblicher Grundstückshandel mit (selbst) bebauten Grundstücken kommt erst dadurch zustande, daß der Veräußerer die Grundstücke im Zusammenhang mit der Bebauung wieder veräußert. Es muß aber nicht bereits bei der Errichtung der Gebäude eine feste Verkaufsabsicht bestanden haben, sondern es genügt eine ,,bedingte" Verkaufsabsicht. Unerheblich ist, daß die eigentliche Absicht auf eine andere Nutzung gerichtet war (BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293). Ein enger zeitlicher Zusammenhang deutet auf eine bei Errichtung der Gebäude zumindest bedingt vorhandene Veräußerungsabsicht hin. Ein enger zeitlicher Zusammenhang wird in der Regel angenommen, wenn die Zeitspanne zwischen Errichtung und Verkauf der Gebäude nicht mehr als fünf Jahre beträgt (BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293, sowie BFH-Urteil vom 22. März 1990 IV R 23/88, BFHE 160, 249, BStBl II 1990, 637). Veräußert der Steuerpflichtige Eigentumswohnungen eines Gebäudes oder Gebäudekomplexes, kann Gewerblichkeit auch vorliegen, wenn innerhalb des Fünfjahreszeitraums weniger als vier Wohnungen veräußert werden, sich aber in der Folgezeit weitere Veräußerungen ,,planmäßig" anschließen (BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 107-108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060).
Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob der Fünfjahreszeitraum auch bei der Errichtung und Veräußerung mehrerer Einzelobjekte nacheinander gilt und - sofern dies zu bejahen ist - ob er sich auf die Errichtung und Veräußerung des einzelnen Objekts oder auf den Zeitraum zwischen Errichtung des ersten und Veräußerung des vierten Objekts bezieht.
2. Hierüber braucht der Senat im Streitfall aber nicht zu entscheiden, da die Veräußerung des Hauses A-Weg 1 unabhängig von dem zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung und Veräußerung der übrigen Grundstücke nicht dem gewerblichen Bereich zugeordnet werden kann.
Die Kläger hatten das Grundstück A-Weg 1 nicht selbst gekauft, sondern im Wege vorweggenommener Erbfolge erworben und anschließend mit einem Einfamilienhaus bebaut, das sie ab Fertigstellung im Jahr 1975 selbst bewohnten. Diese Umstände sprechen trotz der Veräußerung innerhalb des Fünfjahreszeitraums dagegen, daß die Kläger dieses Gebäude bereits in (bedingter) Veräußerungsabsicht errichtet haben. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Fertigstellung und Veräußerung ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal; es ist vielmehr nur ein Beweisanzeichen, das durch andere Sachverhaltsmerkmale erschüttert werden kann. Da der Kläger im Streitjahr auch nicht beruflich mit der Baubranche verbunden war, hält sich die Veräußerung des Einfamilienhauses im Jahr 1977 noch im Rahmen privater Vermögensverwaltung.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Kläger sich bereits vor der Veräußerung des Hauses um den Erwerb des Grundstücks B-Weg, B-Stadt, bemüht hatten und in den folgenden Jahren in ähnlicher Weise weitere Grundstücke erwarben, bebauten und veräußerten. Dieser Zusammenhang bewirkt nicht, daß die Veräußerung des Grundstücks A-Weg 1 bereits als Teil einer planmäßigen Grundstücksverwertung dem gewerblichen Bereich zugeordnet werden müßte; vielmehr ist die Veräußerung aufgrund der dargestellten Umstände noch der privaten Sphäre zuzuweisen, die den Erwerb des Grundstücks, dessen Bebauung mit einem Einfamilienhaus, die Nutzung dieses Hauses zu Wohnzwecken und als letzten Akt dessen Veräußerung umfaßt. Auch FA und FG sind davon ausgegangen, daß sich der Erwerb des Grundstücks dessen Bebauung und Nutzung zunächst im privaten Vermögensbereich vollzogen; dementsprechend hatten FA und FG als Beginn der gewerblichen Tätigkeit den Anfang des Jahres 1977 angenommen.
Fundstellen
Haufe-Index 417531 |
BFH/NV 1991, 381 |