Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageart bei der Investitionszulage
Leitsatz (NV)
- Lehnt das FA die Gewährung der Investitionszulage aus formellen Gründen ab, ist die Verpflichtungsklage gegeben. Bei einer Ablehnung aus sachlichen Gründen ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart. Eine als Verpflichtungsklage formulierte Klage gegen eine Versagung der Zulage aus sachlichen Gründen kann jedenfalls dann in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden, wenn dem Kläger auch an der Festsetzung der Zulage durch das FG gelegen ist.
- Bei einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ist die gerichtliche Prüfungspflicht nicht grundsätzlich eingeschränkt.
- Durch eine nicht wirksam bekannt gegebene Einspruchsentscheidung wird die einmonatige Klagefrist nicht in Lauf gesetzt.
- Eine Einspruchsentscheidung kann durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem FG wirksam aufgehoben und sodann neu erlassen und zum Gegenstand des Verfahrens erklärt werden.
- Erlässt nach Klageerhebung ein anderes FA als dasjenige, das die ursprüngliche Einspruchsentscheidung erlassen hat, eine geänderte Einspruchsentscheidung, die zum Gegenstand des Verfahrens erklärt wird, so wird dasjenige FA, das die geänderte Einspruchsentscheidung erlassen hat, aufgrund gesetzlichen Parteiwechsels passiv legitimiert.
Normenkette
InvZulG 1991 § 7; FGO §§ 40, 68, 100
Verfahrensgang
FG Berlin (EFG 1997, 701) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin einer KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie war. Gegenstand des Unternehmens der KG war die Versorgung von Endteilnehmern mit Rundfunk- und Fernsehprogrammen. Hierzu zählt auch das Errichten und Betreiben der auf privatem und öffentlichem Grund liegenden Breitbandanlagen, jedoch nicht der auf öffentlichem Grund liegenden Breitbandverteilnetze.
1. Die KG beantragte bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA― A) für das Streitjahr 1991 u.a. eine Investitionszulage von 7,5 v.H. nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für "SAT-Anlagen". Ferner beantragte sie für dasselbe Streitjahr u.a. Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991 von 12 v.H. für "SAT-Anlagen" und für Hausverteileranlagen.
Diesen Investitionen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks versorgte die KG Mieter in Wohnanlagen von Wohnungsbaugesellschaften mit Kabel- oder Satellitenfernseh- und Rundfunkanschlüssen. Die Kabelanschlüsse wurden in der Weise hergestellt, dass die Klägerin mit der Deutschen Bundespost Telekom (DBPT) einen Vertrag schloss, aufgrund dessen die DBPT in der Wohnanlage einen Übergabepunkt (ÜP 40) einrichtete, an dem sie der KG die Fernseh- und Hörfunksignale übergab. Diese errichtete dort eine Hausverteileranlage, mit deren Hilfe die empfangenen Signale verstärkt und über Kabel bis zu den Anschlussdosen bei dem jeweils anzuschließenden Mieter weitergeleitet wurden.
Mit dem Grundstückseigentümer (Wohnungsgesellschaft) schloss die KG eine "Versorgungsvereinbarung" für das Breitbandverteilnetz der DBPT ab. Danach ist der Eigentümer damit einverstanden, dass die KG (bzw. von ihr beauftragte Fachunternehmen und die DBPT) auf den Grundstücken und den darauf befindlichen Gebäuden alle Vorrichtungen anbringt und alle Arbeiten ausführt, die zur Herstellung, Instandhaltung, Änderung und Erweiterung der Breitbandverteilanlage erforderlich sind. Ferner gewährt die Wohnungsgesellschaft der KG (bzw. den von dieser beauftragten Fachunternehmen und der DBPT) zur Durchführung der erforderlichen Arbeiten während der üblichen Geschäftszeiten Zutritt zu den Grundstücken und Gebäuden, insbesondere zu den Räumen, in denen sich Einrichtungen der Breitbandverteilanlage befinden. Der KG steht das ausschließliche Nutzungs- und Dispositionsrecht über die Anlage zu. Ein Eigentumsübergang sollte nicht stattfinden, da die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck eingebaut werde. Die Vertragsdauer beträgt 15 Jahre.
Ebenso wie der Grundstückseigentümer war der Kunde (der bzw. die jeweiligen Wohnungsmieter, Anschlussnehmer) nach den für ihn geltenden "Bestimmungen für den Breitbandkabel-Anschluss" verpflichtet, der KG (sowie den von ihr beauftragten Fachunternehmen) während der ortsüblichen Geschäftszeiten Zutritt zu den Räumen, in denen der ÜP 40 und die Hausverteileranlage installiert werden sollten bzw. installiert wurden, zu gewähren. Die KG hatte sich verpflichtet, Störungen an der Hausverteileranlage unverzüglich, spätestens am folgenden Werktag, zu beseitigen. Bei Zahlungsverzug war sie berechtigt, den Anschluss des Schuldners zu sperren.
Entsprechende Regelungen sahen die "Versorgungsvereinbarung" für SAT-Anlagen und die "Bestimmungen für den Anschluss an eine Satelliten-Empfangsanlage" vor. Bei diesen Anlagen handelt es sich um Satelliten-Empfangsanlagen (Antennen) für Fernseh- und Hörfunksignale, die auf dem jeweiligen Grundstück errichtet wurden und von denen die Kabel in die Wohnungen der einzelnen Kunden bis zu einer Anschlussdose führten.
Das beklagte FA A lehnte die Anträge für 1991 hinsichtlich der Hausverteiler- und SAT-Anlagen ab und setzte die Investitionszulage auf … DM (§ 19 BerlinFG) und … DM (InvZulG 1991) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest (Bescheide vom 24. August 1992). Investitionszulage könne für die Anlagen nicht gewährt werden, weil sie Dritten zum Gebrauch überlassen würden und im Übrigen nicht in einer Betriebsstätte verblieben, da sie außerhalb einer Betriebsstätte der KG eingesetzt würden und daher nicht in einer räumlichen Beziehung zum Betrieb ständen. Sie seien auch für sich keine Betriebsstätten.
Im Einspruchsverfahren "modifizierte" die KG den Antrag auf Investitionszulage nach dem InvZulG 1991 insoweit, als sie ihn um die mit dem Antrag auf Investitionszulage nach dem BerlinFG beantragte Investitionszulage für SAT-Anlagen erweiterte und den Antrag nach dem BerlinFG in gleicher Höhe zurücknahm.
Im Jahre 1993 wurde nach Aufspaltung des beklagten FA A das FA D für die Festsetzung der Investitionszulage hinsichtlich der KG zuständig.
2. Für das Streitjahr 1992 beantragte die KG beim FA D Investitionszulage nach dem InvZulG 1991 für die Anschaffung weiterer Hausverteiler- und SAT-Anlagen sowie für Anzahlungen betreffend solche Anlagen.
Das FA D lehnte auch insoweit die Gewährung einer Investitionszulage ab und setzte die Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf … DM fest.
3. Das FA D wies die Einsprüche der KG betreffend Investitionszulage 1991 und 1992 nach dem InvZulG 1991 zurück.
Die erste Seite der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 1994 ist auf einem Vordruck für Einspruchsentscheidungen des beklagten FA A geschrieben worden, wobei der gedruckten Bezeichnung im Briefkopf "FA A" rechts neben A maschinenschriftlich ein D beigefügt wurde. Im Fensterfeld der Postanschrift ist als Absender das beklagte FA A angegeben. Die Anschriften der Dienstgebäude (des beklagten FA A) sind gestrichen. Die Einspruchsentscheidung ist an die KG gerichtet und laut Postzustellungsurkunde am … bekannt gegeben worden.
4. Mit Wirkung vom … sind sämtliche Anteile der KG auf die Klägerin gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen worden.
5. Unter dem … wurde im Namen der KG Klage gegen das beklagte FA A erhoben. Mit Schriftsatz vom … teilte der Prozessbevollmächtigte der KG die Änderung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der KG mit und bezeichnete die GmbH als Klägerin. Unter dem … berichtigte der Prozessbevollmächtigte die Bezeichnung des Beklagten und gab das FA D als Beklagten an. Zur Begründung seines Irrtums über die beklagte Behörde verwies er auf die Einspruchsentscheidung, nach der das beklagte FA A als Beklagter anzusehen gewesen sei und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG), zu der auch das FA D geladen worden war, hob das FA D seine Einspruchsentscheidung auf. Anschließend erließ das beklagte FA A eine Einspruchsentscheidung gegenüber der Klägerin zu Protokoll, "die inhaltlich derjenigen entspricht, die das FA D hinsichtlich des Streitgegenstandes unter dem … erlassen hat". Die Klägerin erklärte zu Protokoll diese Einspruchsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens sowie, dass die Klage gegen das beklagte FA A als das für die Klägerin hinsichtlich der Festsetzung der Investitionszulage zuständige FA gerichtet sei.
Die Klägerin beantragte vor dem FG, unter Aufhebung der Bescheide des beklagten FA A und des FA für D in der Gestalt der Einspruchsentscheidung des beklagten FA das FA zu verpflichten, sie hinsichtlich der Anträge der KG neu zu bescheiden.
Das FG gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 701 veröffentlichtem Urteil statt. Es führte im Wesentlichen aus:
1. Die Klage sei unzulässig. Als Rechtsnachfolgerin der KG sei die Klägerin Verfahrensbeteiligte. Nach der Aufhebung der Einspruchsentscheidung durch das FA D sei die zu Protokoll erklärte inhaltsgleiche Einspruchsentscheidung des beklagten FA A von der Klägerin wirksam zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Mit dem Erlass der Einspruchsentscheidung durch das beklagte FA sei dieses auch als nunmehr für die Festsetzung der Investitionszulage für die Klägerin zuständige FA Beklagter geworden. Ferner sei die ursprüngliche (gegen das FA A statt gegen das FA D, das die Einspruchsentscheidung erlassen habe) Klage zulässig gewesen. Dann nach dem äußeren Erscheinungsbild habe die Klägerin davon ausgehen können, dass das beklagte FA A die Einspruchsentscheidung erlassen habe.
2. Die Klage sei auch begründet. Die Hausverteiler- und SAT-Anlagen würden nicht i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1991 investitionszulagenschädlich privat genutzt. Denn die Kunden der Klägerin nutzten lediglich die gelieferten Hörfunk- und Fernsehsignale. Die Anlagen selbst seien Betriebsstätten i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvZulG 1991. Sie seien mit der Verteileranlage und dem damit zusammenhängenden Rohrleitungssystem einer Erdölpipeline zu vergleichen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Anlagen für die Klägerin nicht jederzeit zugänglich seien. Bei ―wie hier― vollautomatischen Anlagen, die nur in Wartungs-, Änderungs- oder Störungsfällen den Zutritt von Menschen erforderten, stehe dem Unternehmer die Verfügungsmacht über die Anlagen auch dann zu, wenn er oder seine Beauftragten Zutritt nur zu den üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeiten hätten. Diese Beurteilung stimme mit der Rechtsprechung überein, wonach durch die Aufstellung von Spielautomaten in einer Gaststätte eine Betriebsstätte des Aufstellers begründet werde.
Da es sich um eine Verpflichtungsklage handele, sei durch Bescheidungsurteil zu entscheiden. Nähme man bei einer Klage gegen unter den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestellte Bescheide die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage an, müsste das FG auch dann, wenn nur ―wie im Streitfall― eines von mehreren Merkmalen des Begünstigungstatbestandes streitig sei, den Sachverhalt vollständig ermitteln. Dem stehe jedoch der Vorbehalt der Nachprüfung entgegen.
Mit der Revision trägt das FA vor: Die Überlassung der Anlagen zur Nutzung an Private sei investitionszulagenschädlich. Auch stellten die Anlagen wegen des eingeschränkten Zutritts der Klägerin keine Betriebsstätten dar. Sie seien wesentliche Bestandteile der Gebäude. Zumindest liege wirtschaftliches Eigentum der Gebäudeeigentümer vor.
Das FG gehe unzutreffend von einer Verpflichtungsklage aus. Auch gegen einen Vorbehaltsbescheid sei die Anfechtungsklage gegeben mit der Folge, dass das FG die Besteuerungsgrundlagen umfassend prüfen müsse.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Entgegen der Rechtsmeinung des FG liegt im Streitfall eine Anfechtungsklage vor. Über sie kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen indes nicht in der Sache befinden.
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klage fristgerecht erhoben und zutreffend gegen das beklagte FA gerichtet wurde.
Die angefochtenen Bescheide sind noch vor der Übernahme der KG-Anteile durch die Klägerin gegenüber der KG ergangen. Die KG hatte hiergegen noch vor diesem Zeitpunkt Einspruch eingelegt. Die vom FA D erlassene Einspruchsentscheidung richtete sich ebenfalls noch an die KG. Die Bekanntgabe erfolgte indes erst am …, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die KG wegen der Übernahme ihrer Anteile durch die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht mehr bestand. Die an die KG gerichtete Einspruchsentscheidung ist sonach nicht wirksam bekannt gegeben worden (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293). Durch sie konnte folglich auch die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung nicht in Lauf gesetzt werden. Hiervon ausgehend stellt sich im Streitfall nicht die vom FG herausgestellte Frage, ob die Einführung der Klägerin an Stelle der KG in das Verfahren und die Angabe der Bezeichnung des Beklagten mit FA D statt des zunächst angegebenen FA A als innerhalb der Klagefrist erklärte Klageänderungen zu verstehen sind oder ob es sich um bloße Klarstellungen handelt bzw. ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind. Denn die einmonatige Klagefrist hatte nicht begonnen.
Der Senat teilt auch die Meinung des FG, dass nach Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA D die bis auf die Adressierung gleich lautende in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte Einspruchsentscheidung des beklagten FA A auf den Antrag der Klägerin nach § 68 FGO Gegenstand des angängigen Klageverfahrens wurde. Die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärte Aufhebung oder Bekanntgabe eines Steuerbescheides erfüllt die Funktion der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform und ist wirksam (Urteil des Senats vom 24. Mai 1991 III R 105/89, BFHE 165, 345, BStBl II 1992, 123; BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461). Gleiches muss für die Aufhebung und den Erlass einer Einspruchsentscheidung gelten, da hinsichtlich der Bekanntgabe im Vergleich zu einem Steuerbescheid keine Besonderheiten gelten.
Nach dem Urteil des BFH vom 12. April 1994 IX R 101/90 (BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660, unter 1., insoweit nur wiedergegeben bei juris) wird, wenn nach Klageerhebung ein anderes als dasjenige FA, das den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, einen Änderungsbescheid erlässt, der zum Gegenstand des Verfahrens erklärt wird, dasjenige FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat, aufgrund gesetzlichen Beteiligtenwechsels passiv legitimiert. Entsprechendes muss bei der Ersetzung einer Einspruchsentscheidung gelten.
2. Entgegen der Rechtsmeinung des FG handelt es sich indes bei der von der Klägerin erhobenen Klage nicht um eine Verpflichtungsklage, sondern um eine Anfechtungsklage. Wie der BFH in seinem Urteil vom 17. Oktober 1973 VIII R 149/71 (BFHE 111, 392, BStBl II 1974, 321) ausgeführt hat, kann der Kläger, wenn das FA die Gewährung der Investitionszulage aus formellen Gründen ablehnt, ohne sachlich zu entscheiden, sein Recht nur durch Verpflichtungsklage erlangen, weil nur das FA, nicht aber das FG die Zulage gewähren kann. Trifft dagegen das FA eine Sachentscheidung, sei es durch Ablehnung oder ―wie im Streitfall― durch Festsetzung einer Zulage in geringerer Höhe als beantragt, räumt § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO dem FG die Befugnis ein, den zutreffenden Betrag (anstelle der Finanzbehörde) selbst festzusetzen. Von dieser Befugnis muss es grundsätzlich Gebrauch machen (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1968 Grs 3/68, BFHE 94, 436, BStBl II 1969, 192). Der Senat hat in seinem Urteil vom 8. August 1995 III R 41/89 (BFH/NV 1996, 360) bestätigt, dass es sich nicht um eine Verpflichtungsklage, sondern um eine Anfechtungsklage handelt, wenn ein Anspruchsberechtigter gegen die ―aus sachlichen Gründen erfolgte― Ablehnung der beantragten Investitionszulage vor dem FG Klage erhebt, und dass das FG, wenn es die Anspruchsvoraussetzungen als gegeben ansieht, die Investitionszulage selbst festzusetzen hat.
Die Einwendungen des FG gegen diese Rechtsprechung, an der der Senat festhält, greifen nicht durch. Jedenfalls dann, wenn die Finanzbehörde in einem auf einen Geldbetrag lautenden Bescheid den Betrag nicht antragsgemäß, sondern in anderer Höhe festgesetzt hat, ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart. Der Kläger kann in einem solchen Fall nicht statt dessen Verpflichtungsklage erheben mit dem Ziel, die Behörde durch das Gericht zum Erlass der abgelehnten Betragsfestsetzung zu verpflichten. Denn für sein Begehren, eine anderweitige Betragsfestsetzung zu erreichen, steht bereits als der prozessual einfachere Weg die Anfechtungsklage zur Verfügung, die es dem FG ermöglicht, unmittelbar selbst, d.h. ohne nochmalige Befassung der Verwaltung mit der Sache, bei voller oder teilweiser Begründetheit der Klage den Betrag in anderer Höhe festzusetzen. Die Anfechtungsklage in der Form der Abänderungsklage ist daher vorrangig vor der Verpflichtungsklage. Diese Meinung wird überwiegend auch im Schrifttum vertreten (z.B. von Beckerath in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 40 FGO Rz. 80; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 40 FGO Rz. 6).
Auch daraus, dass sich die Klägerin gegen eine unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellte Festsetzung wendet, folgt nicht, dass es sich im Streitfall um eine Verpflichtungsklage handelt. Bei der Anfechtung eines Vorbehaltsbescheids bestehen hinsichtlich der Klageart keine Besonderheiten. Lediglich der Vorbehalt der Nachprüfung als solcher ist als unselbständige Nebenbestimmung nicht gesondert anfechtbar (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150).
Dass die Klägerin mit ihrem ―in der mündlichen Verhandlung gestellten― Klageantrag die Klage als Verpflichtungsklage formuliert hat, steht ihrer Behandlung als Anfechtungsklage nicht entgegen (BFH-Urteile in BFHE 111, 392, BStBl II 1974, 321, und in BFH/NV 1996, 360). Denn wenn, wie hier, die erhobene Klage erkennbar nicht dem Klageziel entspricht, ist sie ―jedenfalls unter den hier vorliegenden besonderen Umständen im erstinstanzlichen Verfahren― in die Klageart umzudeuten, die dem Klageziel gerecht wird (vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Rz. 2, m.w.N.). Dass der Klägerin mit ihrer Klage zumindest auch an der Festsetzung der Investitionszulage durch das FG gelegen war, ergibt sich u.a. aus dem von ihr in der Klageschrift gestellten Antrag.
3. Ausgehend von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt hat das FG zu den Anspruchsvoraussetzungen nicht abschließend Stellung genommen. Die Sache war deshalb mangels Spruchreife nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Der Senat weist ergänzend auf sein Urteil vom 25. Mai 2000 III R 20/97 (BFH/NV 2000, 1565) zu einem ähnlichen Sachverhalt, wie er im Streitfall vorliegt, hin.
Das FG wird auch zu prüfen haben, ob die Erweiterung des Investitionszulagenantrags durch die KG im Einspruchsverfahren den formellen Antragsvoraussetzungen des § 6 InvZulG 1991 genügt.
Soweit das FG meint, da sich das FA durch den Vorbehalt der Nachprüfung eine Überprüfung der Zulagenfestsetzung in vollem Umfange vorbehalten habe, sei es nicht Aufgabe des Gerichts, die angefochtenen Bescheide hinsichtlich aller Merkmale des Fördertatbestands zu überprüfen, verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BFH, wonach bei einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung die gerichtliche Prüfungspflicht nicht grundsätzlich eingeschränkt ist (BFH-Urteil vom 10. Mai 1994 IX R 26/89, BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902, m.w.N.). Das FG wird deshalb ―jedenfalls nach Maßgabe der Klagebegründung― die Investitionszulagenfestsetzung unter Ausnutzung der ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten abschließend zu prüfen haben (BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 IV R 107/90, BFH/NV 1993, 296).
Fundstellen