Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbeförderung auf dem Rhein
Leitsatz (NV)
Personenbeförderungsleistungen auf dem Rhein sind steuerbar und mit dem ermäßigten Steuersatz steuerpflichtig.
Normenkette
UStG 1980 § 3a Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 10; EWGRL 388/77 Art. 9 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in der Schweiz ansässige Reederei. Sie führte in den Streitjahren 1984 bis 1987 mit Personenschiffen im Inland auf dem Rhein und der Mosel Beförderungsleistungen aus, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1984 bis 1987 mit dem ermäßigten Steuersatz (§12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG -- 1980) besteuerte.
Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie sich u. a. gegen die Besteuerung der Beförderungsleistungen wandte, hatte insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, soweit die Klägerin die Besteuerung der Beförderungsleistungen angegriffen hatte. Es trat der Ansicht der Klägerin entgegen, die Besteuerung der Umsätze durch Personenbeförderung auf dem Rhein und der Mosel verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 -- Mannheimer Akte (MA) -- in der Neufassung des deutschen Wortlauts vom 11. März 1969 (BGBl II 1969, 598).
Die Vorschrift lautet:
"Auf dem Rhein, seinen Nebenflüssen, soweit sie im Gebiet der vertragenden Staaten liegen, und den im Artikel 2 erwähnten Wasserstraßen darf eine Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet, weder von den Schiffen oder deren Ladungen, noch von den Flößen erhoben werden."
Das FG führte zur Begründung der Klageabweisung u. a. aus, die Besteuerung der Beförderungsleistungen verstoße nicht gegen Art. 3 MA, weil die Umsatzbesteuerung nach Wortsinn, Zweck und historischer Entwicklung der Vorschrift der freien Schiffahrt auf dem Rhein nicht entgegenstehe.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung von §3 a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 und von Art. 3 Abs. 1 MA. Sie ist der Meinung, der "ökonomische Kontext", aus dem die Mannheimer Akte entstanden sei, widerspreche der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 MA durch das FG. Es habe eine vollständige Abgabenfreiheit für die Schiffahrt auf dem Rhein mit Gütern und Personen erzielt werden sollen, um die Rheinschiffahrt gegenüber der Beförderung durch die Bahn zu begünstigen. Der nicht in Kraft getretene Modus Vivendi für die Rheinschiffahrt vom 4. Mai 1936, der eine Befreiung der Beförderung von Steuern vorgesehen habe, sei keine Erweiterung, sondern nur eine Bestätigung des bestehenden Zustands gewesen. Dieser Rechtszustand sei weder durch die Beratungen zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) noch durch Beschlüsse der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt geändert worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuerbescheide für 1984 bis 1987 in dem Umfang zu ändern, in dem Leistungen durch Personenbeförderung auf dem Rhein und der Mosel der Umsatzbesteuerung unterworfen worden sind.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Personenbeförderungsleistungen der Klägerin mit Schiffen auf dem Rhein und der Mosel zutreffend als steuerbar (§3 a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980) und mit dem ermäßigten Steuersatz (§12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG 1980) als steuerpflichtig beurteilt.
Die Angriffe der Klägerin gegen die Steuerbarkeit der Beförderungsleistungen greifen nicht durch. Der Senat hält daran fest, daß Art. 3 Abs. 1 MA kein Verbot enthält, die Leistungen eines Unternehmers durch Personenbeförderung mit Schiffen auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Weder der Wortlaut noch der Zweck oder die Entstehungsgeschichte rechtfertigen eine Einschränkung des durch §3 a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 umgesetzten Gebots nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 77/388/EWG, Personenbeförderungsleistungen zu besteuern (vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Mai 1996 Rs. C-331/94, Slg. 1996, I-2675, 2683, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1996, 222; vom 13. März 1990 Rs. C-30/89, Slg. 1990 I-691, UR 1991, 170). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine Urteile vom 1. August 1996 V R 58/94 (BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160) und vom 19. September 1996 V R 129/93 (BFHE 181, 216, BStBl II 1997, 164).
Fundstellen
Haufe-Index 66382 |
BFH/NV 1998, 229 |