Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit des Bauantrags für die Gewährung einer Investitionszulage; wesentliche Planungsänderungen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums
Leitsatz (NV)
Eine Zulage gemäß § 4b InvZulG 1982 kann für die Errichtung eines Gebäudes nicht gewährt werden, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude nicht mit dem Vorhaben identisch ist, für das innerhalb des Begünstigungszeitraums ein Bauantrag gestellt worden ist.
Wesentliche Planungsänderungen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums, die vom Bauherrn zu vertreten sind, sind zulagenschädlich.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Arzt und betrieb seine frühere Praxis im wesentlichen in den Kellerräumen seines Einfamilienhauses. Am 29. Dezember 1982 beantragte er eine Baugenehmigung für den Neubau einer Klinik auf einem seinem Einfamilienhaus benachbarten Grundstück. Lt. Bauantrag war der Neubau der Klinik als Erweiterung einer bestehenden Gärtnerwohnung mit ausgebautem Dachgeschoß unter flachgeneigtem Satteldach (Dachneigung 25°) geplant. In dem Dachgeschoß sollten Stationsräume, ein Lager- und Medikamentenraum, ein Abstellraum, ein Aufenthalts- und ein Schlafraum sowie ein Bad mit WC für das Personal untergebracht werden.
Die Baugenehmigungsbehörde wies den Kläger im März 1983 darauf hin, daß der Bauantrag nicht dem gemeindlichen Vorbescheid vom Juli 1982 entspreche, nach dem lediglich vorhandene Praxisräume im Keller des Einfamilienhauses in den Neubau der Klinik verlagert werden sollten. Durch den geplanten Ausbau des Dachgeschosses werde das vertretbare Maß der bisher vorgesehenen Erweiterung erheblich überschritten. Es könne daher nur einer erdgeschossigen Erweiterung mit flachgeneigtem Satteldach ohne Ausbau eine Genehmigung erteilt werden.
Der Kläger reichte daraufhin geänderte Bauzeichnungen ein. Darin wurde die im ursprünglichen Bauantrag vorgesehene Satteldachneigung von 25° unverändert beibehalten. Der geplante Dachausbau sollte jedoch entfallen. Die Stadt genehmigte mit Bescheid im Juni 1983 das so abgeänderte Bauvorhaben.
Mit den Bauarbeiten wurde Ende Juni 1983 begonnen. Die Anfang September 1983 beantragte Änderung der Baugenehmigung - die Dachneigung sollte auf 45° angehoben werden - lehnte die Stadt ab.
Anläßlich einer Ortsbesichtigung stellte die Baugenehmigungsbehörde fest, daß entgegen der Baugenehmigung mit dem Ausbau eines Dachgeschosses mit einer Dachneigung von 45° begonnen worden war. Das Bauordnungsamt verfügte deshalb im Mai 1984 die Stillegung des Bauvorhabens und ein Nutzungsverbot. Im Juni 1984 beantragte der Kläger daraufhin im Nachtrag zu der erteilten Baugenehmigung erneut die Genehmigung des zum Teil bereits ausgeführten Ausbaus des Dachgeschosses.
Im Herbst 1984 stellte der Kläger die Keller- und Erdgeschoßräume des Neubaus fertig und nutzte sie seitdem als ambulante Arztpraxis und Klinik. Das ebenfalls nach außen hin fertiggestellte Dachgeschoß befand sich am 31. Dezember 1984 innen noch im Rohbauzustand und war noch nicht nutzungsfähig. Das Bauordnungsamt erteilte die Genehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses erst 1985, und zwar ausdrücklich als Nachtrag zur ursprünglichen Baugenehmigung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte zunächst antragsgemäß eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für die in den Streitjahren 1983 und 1984 angefallenen Herstellungskosten für die Klinik. Im Anschluß an eine Außenprüfung setzte das FA unter Hinweis auf das bis zum Jahresende 1984 noch nicht fertig ausgebaute Dachgeschoß die Investitionszulage für die Streitjahre auf 0 DM fest und forderte die gewährte Zulage nebst Zinsen vom Kläger zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolgslosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Es vertrat die Auffassung, die Klinik sei am 31. Dezember 1984 fertiggestellt gewesen. Der fehlende Dachausbau sei unschädlich. Für den Dachausbau, der ursprünglich in dem im Jahre 1982 gestellten Bauantrag enthalten gewesen sei, habe der Kläger bis zum 31. Dezember 1984 keine Genehmigung erhalten und somit bis zu diesem Zeitpunkt das Dachgeschoß auch nicht ausbauen dürfen. Er habe die Klinik bis zum 31. Dezember 1984 wie genehmigt fertiggestellt. Dies sei der entscheidende Maßstab für die Fertigstellung, denn für die Beurteilung des Zeitpunkts der Fertigstellung müsse auf den Inhalt der Baugenehmigung abgestellt werden. Die bis zum 31. Dezember 1984 ohne Dachausbau fertiggestellte Klinik sei auch kein aliud gegenüber dem ursprünglich beantragten Bauvorhaben gewesen. Es sei eine funktionsfähige Klinik fertiggestellt worden, die lediglich kraft behördlicher Anordnung vom Umfang her habe reduziert werden müssen.
Es könne auch nicht schädlich sein, daß der Kläger im Juni 1984 für den Ausbau des Dachgeschosses erneut eine Genehmigung beantragt und erst nach dem 31. Dezember 1984 erhalten habe. Anderenfalls werde derjenige schlechtergestellt, der mehr investieren wolle als ihm zunächst von seiten der Behörde zugestanden worden sei. Dies laufe dem Sinn und Zweck des InvZulG zuwider, welches gerade zu Investitionen anreizen solle.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982 kann die Investitionszulage nur für die Wirtschaftsgüter gewährt werden, mit deren Herstellung in der Zeit vom 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1982 (Begünstigungszeitraum) begonnen worden ist. Bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, gilt als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt worden ist (§ 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann für die Errichtung eines Gebäudes eine Zulage gemäß § 4b InvZulG 1982 jedoch nur gewährt werden, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude mit dem Gebäude identisch ist, das in dem innerhalb des Begünstigungszeitraumes eingereichten Bauantrag ausgewiesen ist (Entscheidungen des Senats vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454; vom 30. September 1988 III R 34/87, BFH/NV 1989, 457, und vom 7. Dezember 1990 III R 88/88, BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378). Eine Identität ist nach dieser Rechtsprechung nicht mehr gegeben, wenn das fertiggestellte Gebäude gegenüber dem mit dem ursprünglichen Bauantrag beabsichtigten Bauvorhaben Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. In einem solchen Fall, in dem ein anderes Gebäude errichtet worden ist als in dem ursprünglichen Bauantrag vorgesehen, gilt als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags für dieses andere Gebäude. Wie die Baubehörde die Planungsänderungen formal behandelt hat, ist unerheblich (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - in BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß das vom Kläger errichtete Gebäude von dem, welches nach dem innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellten Bauantrag vom 29. Dezember 1982 errichtet werden sollte, in wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Punkten abweicht und damit das ursprüngliche Bauvorhaben nachhaltig verändert worden ist. Beantragt war ein Gebäude mit einem flachgeneigten Dach (25°) und ausgebauten Dachgeschoß, das u.a. Stationsräume, einen Lager- und Medikamentenraum sowie einen Aufenthalts- und Schlafraum für das Personal aufnehmen sollte. Vor Baubeginn genehmigt und bis zum 31. Dezember 1984 fertiggestellt war dagegen ein Gebäude ohne Dachgeschoßausbau. Das Gebäude weicht dadurch im umbauten Raum und der Nutzfläche wesentlich von der ursprünglichen Planung ab.
Bauliche Veränderungen kommen auch in der äußeren Gestaltung des Gebäudes zum Ausdruck. So ist der Neigungswinkel des Daches gegenüber der ursprünglichen Planung angehoben worden. Wenn auch das FG - aus seiner Sicht zutreffend - hierzu keine eindeutigen Feststellungen getroffenhat, so ist doch zwischen den Beteiligten, wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat, unstreitig, daß die Reetdeckung (statt Ziegel) eine Änderung des Neigungswinkels des Daches von 25° auf zumindest 37° zur Folge hatte. Hierdurch ist das Erscheinungsbild des Gebäudes ein anderes geworden.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß die Planungsänderungen auf die Einwendungen der Stadt vom März 1983 gegen den Bauantrag erforderlich wurden. Denn es handelt sich hierbei nicht um für den Kläger überraschend notwendig gewordene Änderungen, auf die er keinerlei Einfluß hatte (s. Beschluß des Senats vom 14. Januar 1991 III B 518/90, BFH/NV 1991, 485). Das läßt der gemeindliche Vorbescheid vom Juli 1982 erkennen. § 4b Abs. 2 InvZulG 1982 begünstigt nach seinem eindeutigen Wortlaut die Anschaffung und Herstellung nur solcher Wirtschaftsgüter, die zuvor innerhalb des Begünstigungszeitraumes bestellt worden sind oder mit deren Herstellung im selben Zeitraum begonnen worden ist. Diese Regelung entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn die Festlegung der Investitionsabsicht innerhalb einer bestimmten Frist auf konkret bestimmte Wirtschaftsgüter mit der Verpflichtung, diese Absicht innerhalb einer weiteren festumrissenen Frist zu verwirklichen, ist am ehesten geeignet, den vom Gesetzgeber zur Konjunkturbelebung erwarteten Nachfrageschub auszulösen.
Wie der Senat mehrfach entschieden hat, läßt sich die Identität zwischen ursprünglich geplantem und tatsächlich errichtetem Gebäude - entgegen der Annahme des FG - auch nicht mit dem Beibehalten der Nutzung - hier als Klinik - begründen (Urteile in BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454; in BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378; vom 24. Januar 1992 III R 75/90, BFH/NV 1993, 127). Maßgebend für den Vergleich zwischen geplantem und errichtetem Bauobjekt sind allein die - allerdings von der Nutzung mitbestimmten - baurechtlichen Merkmale. Dies ergibt sich schon aus der Bezugnahme des § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982 auf den Antrag auf Baugenehmigung.
Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen