Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch von Staatenlosen
Leitsatz (amtlich)
Weder aus Art. 24 noch aus Art. 29 des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk) ergibt sich ein Anspruch auf Kindergeld (Fortführung der Rechtsprechung zu den gleichlautenden Bestimmungen der Genfer Konvention).
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2; StaatenlÜbk Art. 24 Abs. 1 Buchst. b, Art. 29
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als Staatenlosem mit Aufenthaltsbefugnis ab Februar 1998 Kindergeld für seine beiden Kinder A (geboren 20. Juni 1986) und B (geboren 14. November 1996) zusteht.
Der Kläger war früher sowjetischer Staatsangehöriger, seine Ehefrau Udmurtin. Seit 1993 halten sich beide in Deutschland auf. Derzeit wohnen sie in einer Gemeinde bei … . Nach dem am 8. Juli 1998 vom Landrat des Kreises ausgestellten Reiseausweis ist der Kläger staatenlos und verfügt in Deutschland über eine Aufenthaltsbefugnis. Die beiden Kinder sind eheliche Kinder des Klägers und seiner Ehefrau.
Der Kläger beantragte am 25. August 1998 bei der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) für die beiden Kinder die Gewährung von Kindergeld. Die Familienkasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. September 1998 ab, da der Kläger nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung war. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1139 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse den Verstoß gegen Art. 29 Abs. 1 des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk), verkündet mit Gesetz vom 12. April 1976 (BGBl II 1976, 473) und gegen § 74 Abs. 5 (jetzt Abs. 2) des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 107 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Gemäß § 31 Satz 3 EStG werde Kindergeld während des laufenden Kalenderjahres --auch soweit es nicht zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes, sondern der Förderung der Familie diene-- als Steuervergütung monatlich gezahlt. Der nachrangige Förderungszweck des Kindergeldes ändere dabei nichts an der einheitlichen steuerlichen Beurteilung des Kindergeldes. Inwieweit Staatenlose im Bereich des steuerlichen Kindergeldes Gleichbehandlung mit Deutschen verlangen könnten, bestimme sich somit aufgrund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 seit 1. Januar 1996 nach Art. 29 Abs. 1 StlÜbk. Diese Vorschrift stelle Staatenlose hinsichtlich der Einkommensbesteuerung Deutschen vorbehaltlos gleich. Allerdings könne sich ein Staatenloser auf diese steuerliche Gleichstellung mit einem Deutschen erst von demjenigen Monat an berufen, in dem ihm zum Nachweis der Staatenlosigkeit ein Reiseausweis gemäß Art. 28 StlÜbk ausgestellt worden sei. Diese verbindliche Statusentscheidung sei auch im Kindergeldrecht zu beachten. Wie der Senat bereits entschieden habe, komme es auf den Besitz im Sinne der tatsächlichen Innehabung einer Aufenthaltserlaubnis an und nicht lediglich auf einen Anspruch. Da aber dem Kläger der Reiseausweis gemäß Art. 28 StlÜbk erst im Juli 1998 ausgestellt worden sei, könne er kindergeldrechtlich erst von diesem Monat an Gleichstellung mit einem Deutschen beanspruchen.
Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, soweit sie verpflichtet worden sei, dem Kläger Kindergeld von Februar bis Juli 1998 und ab August 1998 zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich aus dem StlÜbk kein Kindergeldanspruch des Klägers ableiten. Die Rechtsstellung nach Art. 2 bis 32 StlÜbk berechtigt einen Staatenlosen noch nicht zum Bezug von Kindergeld.
a) Wie der Senat zum wortgleichen Art. 24 Abs. 1 Buchst. b (i) (ii) der Genfer Konvention (verkündet mit Gesetz vom 1. September 1953, BGBl II 1953, 559) mit Urteil vom 25. Oktober 2007 III R 90/03 (BFH/NV 2008, 286) entschieden hat, sind Flüchtlinge zwar hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen zur sozialen Sicherheit (u.a. gesetzliche Bestimmungen bezüglich des Familienunterhalts) Deutschen gleichzustellen, jedoch vorbehaltlich solcher Leistungen oder Teilleistungen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Danach ist ein Anspruch auf Kindergeld nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. b (i) (ii) StlÜbk ebenfalls zu verneinen, weil das Kindergeld --unabhängig davon, ob es überhaupt zur sozialen Sicherheit (insbesondere zum "Familienunterhalt") gehört-- ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird (so bereits Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 3. Dezember 1996 10 RKg 8/96, SozR 3-5870, § 1 Nr. 12, zur Rechtslage nach dem Bundeskindergeldgesetz --BKGG-- i.d.F. vor 1996).
b) An dieser Beurteilung hat sich durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das JStG 1996 im Ergebnis nichts geändert. Auch wenn das Kindergeld seitdem im Regelfall nach steuerlichen Vorschriften gewährt wird, ergibt sich kein Anspruch auf Kindergeld aus Art. 29 StlÜbk (offengelassen im Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1998 VI B 192/98, BFH/NV 1999, 310).
Nach Art. 29 StlÜbk erheben die Vertragsstaaten von den als Staatenlosen anerkannten Ausländern keine anderen oder höheren Gebühren, Steuern oder sonstige Abgaben gleich welcher Art oder Bezeichnung, als von ihren Staatsangehörigen unter entsprechenden Voraussetzungen jetzt oder künftig erhoben werden. Durch die Nichtgewährung von Kindergeld werden von den Staatenlosen jedoch keine höheren Steuern erhoben als von Deutschen. Erzielt der Staatenlose einkommensteuerpflichtige Einkünfte, werden das steuerliche Existenzminimum des Kindes sowie der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei der Einkommensteuerveranlagung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Einkommensteuer freigestellt. Der Staatenlose wird daher nicht höher besteuert als ein Deutscher, bei dem die Freistellung von der Einkommensteuer ganz oder teilweise durch das Kindergeld bewirkt wird. Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient, besteht kein Anspruch nach Art. 29 StlÜbk. Denn insoweit hat das Kindergeld eine von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerrechtliche Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion (u.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteil in BFH/NV 2008, 286 zu den wortgleichen Regelungen der Genfer Konvention verwiesen.
2. Ob dem Kläger ein Kindergeldanspruch für seine beiden Kinder zusteht, richtet sich nunmehr nach § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 --AuslAnsprG-- (BGBl I 2006, 2915). Diese Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen das Kindergeld --wie im Streitfall-- noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist.
a) In Fällen, in denen ein Ausländer im Besitz einer wegen eines Krieges in seinem Heimatland erteilten Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist oder in denen er eine Aufenthaltsgenehmigung wegen eines Härtefallersuchens (§ 23a AufenthG), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 24 AufenthG) oder aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG) erhalten hat, hängt der Anspruch auf Kindergeld nach der Neuregelung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG davon ab, dass der Ausländer sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) und darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§§ 15 ff. des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5. Dezember 2006, BGBl I 2006, 2748). Das Gesetz stellt auf die Integration von Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das beanstandet hatte, dass die frühere Regelung nur ausländische Eltern benachteiligte, die legal in Deutschland lebten und bereits in den Arbeitsmarkt integriert waren (s. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, unter B.III.4.). Bei Ausländern, denen keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ging der Gesetzgeber wie das BVerfG davon aus, dass das Existenzminimum ihrer Kinder durch staatliche Fürsorgeleistungen in ausreichendem Maße gesichert ist (BTDrucks 16/1368, S. 9).
b) Der Senat teilt nicht die im Vorlagebeschluss des FG Köln vom 9. Mai 2007 10 K 1690/07 (EFG 2007, 1247) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG.
aa) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet es nicht, in Fällen, in denen ein Ausländer rechtmäßig oder rechtswidrig nach Deutschland einreist und --z.B. wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses-- damit zu rechnen ist, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr ausreist, von Anfang an oder nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu gewähren, weil von einem Daueraufenthalt auszugehen sei. Vielmehr kann bei der nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 anzustellenden Prognose über die Dauer des Aufenthalts zunächst erwartet werden, dass sich ein Ausländer, dessen Aufenthalt lediglich geduldet ist, rechtstreu verhält und wieder ausreist oder dass ein Ausländer, der wegen eines Krieges in seinem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder eine Erlaubnis nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erhalten hat, nach Wegfall der Gründe, die einer Rückkehr in sein Herkunftsland entgegengestanden waren, wieder heimkehrt. Der Gesetzgeber handelte verfassungskonform und im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, als er typisierend gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einen Daueraufenthalt erst bei einem mindestens dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und bei Integration in den Arbeitsmarkt unterstellte. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers bietet eine derartige Integration eine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland.
bb) Entgegen der im Vorlagebeschluss in EFG 2007, 1247 geäußerten Ansicht des FG Köln ist das in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG verwendete Abgrenzungskriterium der Erwerbstätigkeit nicht derart unbestimmt, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt (Art. 20 Abs. 3 GG). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies allein steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 14. März 1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, BStBl III 1967, 357, unter B.I.). Unüberwindliche Auslegungsprobleme sind für den Senat nicht ersichtlich.
cc) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, die in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht bestandskräftig entschiedene Fälle sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber den bis zum 1. Januar 2006 befristeten Regelungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt habe (so FG Köln, Urteil in EFG 2007, 1254). Der Fall, der dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zugrunde lag, betraf § 1 Abs. 3 BKGG 1993. Die vom BVerfG getroffene Anordnung, wonach das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden sei (§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990, BGBl I 1990, 1351), falls der Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 die verfassungswidrige Norm nicht durch eine Neuregelung ersetzen sollte, gilt nur für § 1 Abs. 3 BKKG 1993, nicht aber für das ab 1996 nach §§ 62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld. Auch wenn § 1 Abs. 3 BKGG 1993 und § 62 Abs. 2 EStG 1996 nahezu wortgleich waren, folgt daraus nicht, dass die vom BVerfG angeordnete Sanktion des Wieder-In-Kraft-Setzens der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auch für das steuerrechtliche Kindergeld gilt. § 1 Abs. 3 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung kann im steuerrechtlichen Kindergeldrecht keine (Wieder-)Geltung erlangen.
dd) Eine Übertragung der vom BVerfG für § 1 Abs. 3 BKGG 1993 angeordneten Sanktion auf das steuerrechtliche Kindergeld lässt sich entgegen der Rechtsansicht des Niedersächsichen FG im Urteil vom 23. Januar 2006 16 K 12/04 (EFG 2006, 751) sowie des FG Köln im Urteil in EFG 2007, 1254 auch nicht mit einem Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26) begründen.
Nach dieser Entscheidung sind wegen Unvereinbarkeit des Verlustausgleichs- und Abzugsverbots in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG für Altfälle die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden. Eine Vorlage an das BVerfG wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelung hielt der BFH ausnahmsweise für entbehrlich, weil das BVerfG bereits das (vergleichbare) Verlustausgleichsverbot in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt hatte mit der Folge, dass die Verluste entsprechend den allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln waren (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Im Streitfall handelt es sich dagegen nicht um einschränkende Regelungen systematisch zusammenhängender Vorschriften eines Gesetzes, deren Nichtigkeit zur Anwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regeln führt, sondern es sind Vorschriften verschiedener Gesetze (BKGG und EStG) betroffen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. für die Jahre 1993 bis 1995 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt und angeordnet, dass auf noch nicht abgeschlossene Verfahren § 1 Abs. 3 BKGG in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1. Januar 2006 ersetzen sollte. Diese nur für § 1 Abs. 3 BKGG geltende Sanktion des BVerfG kann der BFH trotz Wortgleichheit der Vorschriften nicht in eigener Zuständigkeit auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen. Dies fällt ausschließlich in die Kompetenz des BVerfG.
ee) Eine Beschränkung des Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht entgegen der Rechtsansicht des FG Köln im Beschluss in EFG 2007, 1247 auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Oktober 2005 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006, Beilage 3, 357). Dieses ist, ebenso wie die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht aber zu § 62 Abs. 2 EStG n.F. Ebenso wenig lässt sich ein Anspruch auf Kindergeld aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Mai 1999 C-262/96 (Slg. 1999, I-2685) herleiten, das den Beschluss des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 3/80 betrifft (s. Senatsurteil vom 15. März 2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234).
c) Ob dem Kläger nach § 62 Abs. 2 EStG ein Kindergeldanspruch zusteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) § 62 Abs. 2 EStG verlangt u.a. einen Aufenthaltstitel, der auf dem seit Januar 2005 geltenden AufenthG beruht. Betrifft der Sachverhalt --wie im Streitfall-- einen Zeitraum vor 2005, in dem noch das durch das AufenthG abgelöste Ausländergesetz (AuslG) 1990 galt, sind Aufenthaltsgenehmigungen i.S. des § 5 AuslG entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG als Aufenthaltstitel im Sinne des AufenthG zu behandeln (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1234). Der Anspruch auf Kindergeld setzt somit auch nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG zumindest voraus, dass der Ausländer im Besitz einer nach den Vorschriften des AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsgenehmigung i.S. des § 5 AuslG 1990 in Form einer Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis war.
bb) Sollte die Aufenthaltsbefugnis des Klägers gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG als eine der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltserlaubnisse fortgelten, so ist für den Kindergeldanspruch weitere Voraussetzung, dass sich der Kläger nicht nur drei Jahre rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat, sondern außerdem, dass er im Streitzeitraum im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig war, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen hat (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 a und b EStG).
cc) Der Senat weist außerdem auf das Erfordernis der notwendigen Beiladung des Sozialleistungsträgers bei einer eventuellen Abzweigung des Kindergeldes hin (s. hierzu BFH-Beschluss vom 20. August 2007 III B 194/06, BFH/NV 2007, 2314, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1961647 |
BFH/NV 2008, 846 |
BFH/PR 2008, 304 |
BStBl II 2009, 910 |
BFHE 2008, 39 |
BFHE 220, 39 |
DStRE 2008, 686 |
HFR 2008, 577 |