Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungen für ein umfassendes Wettbewerbsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Zahlungen für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots sind auch dann Entschädigungen i.S. von § 24 Nr.1 Buchst.b EStG, wenn die durch das Wettbewerbsverbot untersagten Tätigkeiten verschiedenen Einkunftsarten zuzuordnen sind.
2. Ob das Entgelt für ein umfassendes Wettbewerbsverbot als unselbständiger Teil der Übernahmevereinbarung zum Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 Abs.1 EStG gehört, entscheidet sich danach, ob der Verpflichtung zum Unterlassen von Wettbewerb eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
Orientierungssatz
Im Regelfall kommt einem umfassenden Wettbewerbsverbot keine eigenständige Bedeutung zu, sondern es dient dazu, das Ziel der Betriebsveräußerung, nämlich dem Erwerber die Gewinnmöglichkeiten des Unternehmens zu verschaffen, auf Dauer sicherzustellen. Das Wettbewerbsverbot kann indessen dann ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellen, wenn es zeitlich begrenzt ist, sich in seiner wirtschaftlichen Bedeutung heraushebt und wenn dies in den getroffenen Vereinbarungen, vor allem in einem neben dem Kaufpreis für das Unternehmen geleisteten Entgelt, klar zum Ausdruck gelangt ist. Die Beurteilung richtet sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles (vgl. BFH-Rechtsprechung.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, § 22 Nr. 3, § 24 Nr. 1 Buchst. b, § 34 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im Streitjahr (1983) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt worden ist. Sie und ihr Ehemann waren mit den Eheleuten A jeweils zu gleichen Teilen Gesellschafter der X-GbR, die einen ... Versandhandel betrieb. Der Ehemann der Klägerin und Herr A führten die Geschäfte der GbR. Außerdem waren sie alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der Y-GmbH sowie der Z-S.A.R.L. mit Sitz in .... Aufgabe dieser beiden Gesellschaften war der Verkauf von ...gegenständen, die sie ausschließlich von der X-GbR bezogen.
Mit einem als "Vereinbarung" bezeichneten Vorvertrag vom 9. Februar 1983 erklärte die B-GmbH ihre Absicht, die X-GbR, die Y-GmbH sowie die Z-S.A.R.L. zu übernehmen. Der Kaufpreis sollte aus einem Sockelbetrag von ... DM und einem ergebnisabhängigen weiteren Betrag bestehen.
Die Übertragung der Gesellschaften an die B-GmbH vollzog sich aufgrund verschiedener Verträge (sämtlich vom 30. März 1982) wie folgt:
- Die Klägerin und ihr Ehemann sowie die Eheleute A brachten das Geschäft
der X-GbR zum Wert von ... DM als Sacheinlage gegen Ausgabe neuer
Stammeinlagen in die C-GmbH ein, deren alleinige Gesellschafterin die
B-GmbH war. Den die Ausgabebeträge der neuen Stammeinlagen übersteigenden
Betrag von ... DM sollten die Klägerin, ihr Ehemann und die Eheleute A in
bar erhalten. Sie veräußerten die neuen Geschäftsanteile an der C-GmbH
unmittelbar für insgesamt ... DM an die B-GmbH.
- Die Geschäftsanteile an der Y-GmbH veräußerten der Ehemann der Klägerin
und Herr A für insgesamt ... DM an die B-GmbH.
- Die Geschäftsanteile an der Z-S.A.R.L. veräußerten der Ehemann der
Klägerin und Herr A für insgesamt ... DM an die Y-GmbH.
- Die Klägerin und ihr Ehemann sowie die Eheleute A verpflichteten sich, auf
die Dauer von fünf Jahren jeden Wettbewerb mit der C-GmbH, der Y-GmbH, der
Z-S.A.R.L. sowie deren Rechtsnachfolgern zu unterlassen, sei es direkt
oder indirekt über Dritte oder in sonstiger, z.B. dienstvertraglicher oder
gesellschaftsrechtlicher Weise. Als Entschädigung für die
Wettbewerbsbeschränkung erhielten sie je ... DM.
- Außerdem erfolgte entsprechend dem Vorvertrag eine zusätzliche
gewinnabhängige Zahlung.
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Entschädigung für das Wettbewerbsverbot von insgesamt ... DM sei nicht in den Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der X-GbR einzubeziehen, sondern der Klägerin und ihrem Ehemann sowie den Eheleuten A jeweils anteilig unmittelbar als Einnahmen i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzurechnen. Dementsprechend stellte das FA den Gewinn der X-GbR für 1983 ohne Berücksichtigung der Entschädigung für das Wettbewerbsverbot gesondert und einheitlich fest und erfaßte im Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres Ehemannes die Entschädigung als sonstige Einkünfte (nach Abzug von Werbungskosten) in Höhe von insgesamt ... DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin beantragte, die nach § 22 Nr. 3 EStG angesetzten Beträge aus dem zu versteuernden Einkommen herauszurechnen, ab. Die Entschädigung für das Wettbewerbsverbot sei keine steuerbegünstigte Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 EStG, weil sich die untersagte Tätigkeit nicht einer bestimmten Einkunftsart zuordnen lasse, sondern mehrere Einkunftsarten betreffe. Die Entschädigung gehöre auch nicht zu den einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 16 EStG. Das Wettbewerbsverbot sei neben dem Kaufpreis für das Unternehmen gesondert vereinbart worden und habe eine eigene wirtschaftliche Bedeutung gehabt.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine unzutreffende Auslegung des § 22 Nr. 3 EStG durch das FG. Die Entschädigung für die Wettbewerbsklausel habe keine eigene wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Sie sei kein gesondertes immaterielles Wirtschaftsgut, sondern gehe im Geschäftswert auf. Sie sei bereits ab dem 3. Januar 1983 einheitlich mit dem Gesamtkaufpreis verzinst worden, obwohl das Wettbewerbsverbot erst nach Ablauf der bis 1985 andauernden beratenden Tätigkeit eingesetzt habe. Im Vorvertrag vom 9. Februar 1983 habe das Wettbewerbsverbot nur nachrangige Bedeutung gehabt. Der im Vorvertrag vereinbarte Gesamtkaufpreis sei --unter Einschluß der strittigen Entschädigung-- eingehalten worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1983 dahin zu ändern, daß die Entschädigungen für das Wettbewerbsverbot nicht als sonstige Einkünfte erfaßt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und in der Sache zu entscheiden. Das angefochtene Urteil verstößt gegen § 22 Nr. 3 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG.
1. Zu Unrecht hat das FG das von der Klägerin und ihrem Ehemann bezogene Entgelt für das Wettbewerbsverbot nicht als Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG beurteilt und deswegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG unterworfen. Die Vorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG erfaßt Karenzzahlungen, die "für" die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit --mithin als Gegenleistung für den Verzicht auf eine mögliche Einkünfteerzielung-- erbracht werden. Das ist bei Zahlungen, die als Entgelt für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots geleistet werden, stets der Fall, und zwar auch dann, wenn das Wettbewerbsverbot so umfassend ausgestaltet ist, daß die untersagten Tätigkeiten, wie im Streitfall, verschiedenen Einkunftsarten zuzuordnen sind und die Entschädigungen für das Wettbewerbsverbot danach sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG bilden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Juni 1996 XI R 43/94, BFHE 180, 433, BStBl II 1996, 516). Das dieser Auffassung entgegenstehende BFH-Urteil vom 21. September 1982 VIII R 140/79 (BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289), welches das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist insoweit überholt, weil der VIII. Senat des BFH seine Rechtsprechung insoweit aufgegeben und sich der Auffassung des XI. Senats angeschlossen hat (vgl. BFH in BFHE 180, 433, BStBl II 1996, 516).
Auch die weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG, daß nämlich die Entschädigung für die Nichtausübung einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Tätigkeit in einer Summe gezahlt worden und dadurch ein Progressionsnachteil entstanden ist (BFH-Urteil in BFHE 180, 433, BStBl II 1996, 516), ist im Streitfall erfüllt. Die Klägerin und ihr Ehemann haben die Entschädigung für das fünf Jahre geltende Wettbewerbsverbot in einer Summe erhalten.
2. Soweit die Revision darüber hinaus das Ziel verfolgt, die Entschädigung für das Wettbewerbsverbot in vollem Umfang aus dem zu versteuernden Einkommen herauszurechnen, hat sie keinen Erfolg. Zu Recht hat das FG die Entschädigungen nicht den gesondert und einheitlich festzustellenden gewerblichen Einkünften aus der Veräußerung des Unternehmens der X-GbR zugeordnet, sondern der Klägerin und ihrem Ehemann unmittelbar als eigene Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zugerechnet.
a) Ob das Entgelt für ein umfassendes Wettbewerbsverbot, wie es im Streitfall vereinbart wurde, als unselbständiger Teil der Übernahmevereinbarung zum Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 Abs. 1 EStG gehört, hängt --ebenso wie bei Veräußerungen gemäß § 17 EStG oder gemäß den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes-- davon ab, ob der Verpflichtung zum Unterlassen von Wettbewerb eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt (BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289 --insoweit nicht überholt--; BFH-Urteile vom 24. März 1983 IV R 138/80, BFHE 139, 361, BStBl II 1984, 233; vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92, BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409). Im Regelfall kommt dem vereinbarten Wettbewerbsverbot keine eigenständige Bedeutung zu, sondern es dient dazu, das Ziel der Betriebsveräußerung, nämlich dem Erwerber die Gewinnmöglichkeiten des Unternehmens zu verschaffen, auf Dauer sicherzustellen (BFH-Urteile in BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289; vom 30. März 1989 I R 130/85, BFH/NV 1989, 780). Das Wettbewerbsverbot kann indessen dann ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellen, wenn es zeitlich begrenzt ist, sich in seiner wirtschaftlichen Bedeutung heraushebt und wenn dies in den getroffenen Vereinbarungen, vor allem in einem neben dem Kaufpreis für das Unternehmen geleisteten Entgelt, klar zum Ausdruck gelangt ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1972 I R 146/70, BFHE 107, 118, BStBl II 1972, 937). Die Beurteilung richtet sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles, die vom FG als Tatsacheninstanz insgesamt zu würdigen sind (BFH-Urteile in BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289; in BFH/NV 1989, 780).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung hinsichtlich des weiteren Revisionsbegehrens revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG hat die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbsverbots unter anderem mit folgender Begründung aus den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen hergeleitet: Der Ehemann der Klägerin und Herr A seien nach der Unternehmensveräußerung noch über zwei Jahre für die aufnehmende C-GmbH gegen gesondertes Honorar beratend tätig gewesen. Das Wettbewerbsverbot habe erst für die Zeit danach gegolten und auch die während der --steuerlich gesondert zu beurteilenden-- Beratungstätigkeit gewonnenen Geschäftskontakte umfaßt. Ferner sei das Entgelt für das Wettbewerbsverbot neben dem Kaufpreis für das Unternehmen gesondert vereinbart worden, obwohl zivilrechtlich dazu keine Notwendigkeit bestanden habe und im Vorvertrag ein Gesamtkaufpreis vorgesehen gewesen sei. Das Wettbewerbsverbot sei, wie sich auch aus den umfassenden Darlegungen zu dessen wirtschaftlicher Bedeutung in § 4 der Übernahmevereinbarung ergebe, für die Erwerber von so großer Wichtigkeit gewesen, daß man es nicht für ausreichend gehalten habe, den Konkurrenzverzicht mit einem einheitlichen Kaufpreis abzugelten. Dementsprechend habe die C-GmbH das Wettbewerbsverbot als solches in ihrer Bilanz aktiviert. Darüber hinaus sei der Wert des Geschäfts der X-GbR sowohl im Gesellschafterbeschluß über die Einbringung als auch in der Einbringungsbilanz mit ... DM ausgewiesen. Es bestünden keine Bedenken, den Vereinbarungen der Vertragsparteien hinsichtlich des Einbringungswerts zu folgen. Die aufgedeckten stillen Reserven von ... DM für die Kunden- und Interessentenkartei und von ... DM für den Geschäftswert zeigten, daß der Ertragswert des Unternehmens und die Kundenbeziehungen auch bei einem Kaufpreis von ... DM in besonderem Maße berücksichtigt worden seien. Demgegenüber komme der zeitgleichen Verzinsung des Entgelts für das Wettbewerbsverbot mit dem Veräußerungspreis keine wesentliche Bedeutung zu.
Diese Schlußfolgerungen des FG, die im Bereich des Tatsächlichen liegen, sind anhand der getroffenen Feststellungen möglich. Sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze und sind mithin für den erkennenden Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
3. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Auf die strittige Entschädigung ist der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG anzuwenden, der nunmehr für das gesamte zu versteuernde Einkommen gilt.
Fundstellen
Haufe-Index 154575 |
BFH/NV 1999, 1404 |
BStBl II 1999, 590 |
BFHE 188, 552 |
BFHE 1999, 552 |
BB 1999, 1642 |
DB 1999, 1583 |
DStR 1999, 1223 |
DStRE 1999, 630 |
DStRE 1999, 630 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 794 |
HFR 1999, 799 |
StE 1999, 479 |