Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung bei Überweisung "zu treuen Händen"
Leitsatz (NV)
Ein Steuerpflichtiger tätigt Anzahlungen auf den Kaufpreis (§ 7a Abs. 2 EStG) auch dann im Zeitpunkt des Überweisungsauftrags, wenn die Weisung Bedingungen für die Entgegennahme des Geldes in der Person des Verkäufers enthält, die es als fraglich erscheinen lassen, ob dieser über den gutgeschriebenen Geldbetrag frei verfügen kann.
Normenkette
EStG § 7a Abs. 2, § 11 Abs. 2 S. 1; FördG § 4 Abs. 1 S. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Dezember des Streitjahres (1996) von einem Bauträger drei noch zu errichtende Eigentumswohnungen in X.
Sie waren nach den Bestimmungen des notariellen Kaufvertrages berechtigt, den Kaufpreis von 1 086 575 DM bis spätestens zum 31. Dezember 1996 schon vor Fälligkeit zu zahlen, wenn der Verkäufer ihnen in Höhe der beabsichtigten Zahlung eine den Voraussetzungen der §§ 2 und 7 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) entsprechende Bürgschaft übergeben hat. Für den Fall vorzeitiger Zahlung des Gesamtkaufpreises versprach der Verkäufer den Klägern einen Kaufpreisnachlass in Höhe von 6 v.H.
Die Bank der Kläger finanzierte den Kauf. Sie überwies den Gesamtkaufpreis am 30. Dezember 1996 auf das Konto des Bauträgers bei dessen Immobilienbank, und zwar zu treuen Händen mit der Maßgabe, hierüber nur nach Stellung einer Bankbürgschaft nach § 7 MaBV, Vorlage einer entsprechenden Rangbestätigung zugunsten ihres Grundpfandrechts und Rückerstattung des Kaufpreisnachlasses zu verfügen. Sie behielt sich die Rückforderung der treuhänderisch überwiesenen Darlehensvaluta im Falle der Nichterfüllung vor. Die Bankbürgschaft wurde im Januar 1997 erteilt und der Kaufpreisnachlass im Februar 1997 den Klägern gutgeschrieben.
Im Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten die Kläger aufgrund von Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) negative Einkünfte von 470 810 DM. Im Anschluss an eine Außenprüfung lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab, die begehrten Sonderabschreibungen zu gewähren, weil der Zahlungsempfänger nicht --wie für eine Anzahlung nach § 4 FördG erforderlich-- ohne Einschränkung frei über den ausgezahlten Betrag verfügen könne. Im Feststellungsbescheid für das Streitjahr berücksichtigte das FA Sonderabschreibungen nach § 4 FördG in Höhe von lediglich 571 DM und Darlehenskosten als Werbungskosten von 7 252 DM. Dementsprechend stellte es negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7 823 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1532 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab: Die Anzahlung der Kläger führe im Streitjahr nicht zu Sonderabschreibungen, weil in diesem Jahr der Bauträger noch nicht über den überwiesenen Betrag habe verfügen können. Deshalb sei der überwiesene Betrag ungeachtet seiner Gutschrift auf dem Konto des Bauträgers im Streitjahr noch nicht auszahlungsreif gewesen.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Kläger die Verletzung von § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG rügen.
Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1996 vom 24. März 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1999 zu ändern und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1996 in Höhe von 478 633 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Unzutreffend hat das FG die Voraussetzungen für Sonderabschreibungen nach dem FördG abgelehnt. Die Kläger haben im Streitjahr Anspruch auf Sonderabschreibungen in beantragter Höhe.
1. Nach § 4 Abs. 2 FördG können Sonderabschreibungen nach Abs. 1 bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten gewährt werden (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758), um den Investor bereits vor Abschluss seiner Investitionen zu begünstigen (so BTDrucks 12/219, S. 40 zu Art. 5 --Gesetz über Sonderabschreibungen im Fördergebiet-- § 3). Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft, und zwar auch dann, wenn sie --wie hier-- in Höhe des geschuldeten Kaufpreises erbracht werden (BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 33/03, BFHE 205, 84, und vom 20. April 2004 IX R 49/03, BStBl II 2004, 600).
2. Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind nach § 7a Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung aufgewendet.
a) Es kommt wie bei § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG darauf an, wann der Steuerpflichtige seine Leistungshandlung erbringt und seine wirtschaftliche Verfügungsmacht über den geleisteten Geldbetrag verliert (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 11 EStG Rn 205, m.w.N.). Als "Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung" wertet die Rechtsprechung regelmäßig schon den Zeitpunkt, in dem der Schuldner seiner Bank den Überweisungsauftrag erteilt (BFH-Urteile vom 22. Mai 1987 III R 47/82, BFHE 150, 144, BStBl II 1987, 673, und vom 2. August 1988 VIII R 18/80, BFH/NV 1989, 307; Blümich/Brandis, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 7a EStG Rz. 44; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 7a Rz. 4; zu § 11 Abs. 2 EStG vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1986 IX R 51/80, BFHE 146, 48, BStBl II 1986, 453; vom 11. August 1987 IX R 163/83, BFHE 152, 440, BStBl II 1989, 702; vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509; so auch Birk in Herrmann/Heuer/Raupach (HHR), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 11 EStG Anm. 120; kritisch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. C 18).
b) Entgegen der Auffassung des FG kommt es folgerichtig nicht auf den Eingang beim Zahlungsempfänger (Zahlungserfolg) an (so aber offenbar Blümich/Stuhrmann, a.a.O., § 4 FördG Rz. 7 a). Es ist also unerheblich, wann der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über die Anzahlung erhält. Wenn das BFH-Urteil vom 28. November 1980 III R 17/78 (BFHE 132, 369, BStBl II 1981, 286) eine derartige Voraussetzung aufgestellt hat, so geschah dies bei der Hingabe von Wechseln. Diesen Sonderfall regelt das Gesetz nun in § 7a Abs. 2 Satz 4 EStG, wo es abweichend vom hier maßgebenden Satz 3 auf den tatsächlichen Zufluss abstellt.
3. Die Kläger haben nach diesen Maßstäben auf den Kaufpreis bereits im Streitjahr i.S. von § 7a Abs. 2 Satz 3 EStG tatsächlich gezahlt; denn sie haben nach den Feststellungen der Vorinstanz einen Betrag in Höhe des Kaufpreises von 1 086 575 DM am 30. Dezember 1996 überwiesen. Sie haben auf das Konto des Bauträgers und nicht --was einem Abfluss entgegenstünde (vgl. Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 11 EStG Rn 209; R 45 Abs. 5 Satz 10 der Einkommensteuer-Richtlinien 1996)-- auf ein Treuhandkonto überwiesen.
a) Der Betrag ist dem Konto auch gutgeschrieben worden. Der Bauträger erhielt eine abstrakte Forderung gegen die Bank aus der Gutschrift. Ob dadurch der Leistungserfolg erzielt wurde, ist fraglich, da der Gläubiger den Geldbetrag aufgrund der Überweisung zu treuen Händen nicht sofort zur freien Verfügung erhielt (vgl. dazu Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 28. Oktober 1998 VIII ZR 157/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 210; BGH-Beschluss vom 23. Januar 1996 XI ZR 75/95, NJW 1996, 1207; Canaris in Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., Bankvertragsrecht, Rz. 410 ff.; Wenzel in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., § 362 Rdnr. 23, m.w.N.). Es kommt aber nicht auf die Erfüllungswirkung, sondern entscheidend auf die zu einer Entreicherung der Kläger führende Belastungswirkung der Überweisung an. Das ist aber der Fall: Denn mit der Gutschrift des Betrages in Höhe des Kaufpreises hat die kreditgebende Bank bereits im Streitjahr das Darlehen ausgezahlt. Der Verbrauch der Darlehensvaluta entspricht dem Verlust der Verfügungsmacht über einen Geldbetrag und führt deshalb zum Abfluss (vgl. Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 11 EStG Rn 202)
b) Die Überweisung zu treuen Händen beschränkte lediglich die Verfügbarkeit zu Lasten des Bauträgers, änderte aber nichts an der Vermögensminderung, die die Kläger schon im Streitjahr erfahren haben.
Wenn nach der dem Bauträger übermittelten Weisung die Disposition über den überwiesenen Betrag davon abhing, dass dieser zunächst eine Bankbürgschaft nach § 7 MaBV stellen sollte, so konkretisiert diese Auflage die in § 7 Abs. 1 MaBV enthaltene und überdies zum Inhalt des Kaufvertrags gemachte Ausnahmevorschrift, wonach Bauträger gegen Sicherheitsleistung ausnahmsweise unabhängig vom Baufortschritt Vermögenswerte des Auftraggebers (hier die Kläger) entgegennehmen dürfen. Sie regelt wie auch die ausbedungene Rangbestätigung im Sicherungsinteresse der kreditierenden Bank Modalitäten für die Entgegennahme des Geldes, die in der Person des Zahlungsempfängers (des Bauträgers) gegeben sein müssen. Sie lässt indes den Abfluss der Mittel bei den Klägern unberührt. Dies zeigt auch die dritte Bedingung, mit der die kreditgebende Bank die Überweisung versah: Zu einer Rückerstattung des Kaufpreisnachlasses konnte es nach dem Kaufvertrag nämlich nur kommen, wenn der Gesamtkaufpreis vorzeitig bis zum 31. Dezember des Streitjahres gezahlt wird. Damit wollten die Beteiligten den wirtschaftlichen Erfolg der tatsächlichen Zahlung bereits im Streitjahr eintreten lassen.
Die Kläger konnten deshalb den überwiesenen Betrag nur dann zurückfordern, wenn der Bauträger seinen ihm auch im Zusammenhang mit der Überweisung auferlegten Pflichten nicht nachkam. Das hindert den Abfluss im Streitjahr aber nicht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1964 VI 346/61 U, BFHE 81, 188, BStBl III 1965, 67; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 11 EStG Rn 215).
4. Da die Vorentscheidung diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 FördG sind im Übrigen unstreitig, so dass die Kläger Sonderabschreibungen in der beantragten Höhe von 470 810 DM geltend machen können. Dementsprechend erhöhen sich die bisher festgestellten negativen Einkünfte der Kläger. Sie sind im Streitjahr in Höhe von ./. 478 633 DM einheitlich und gesondert festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 1248976 |
BFH/NV 2005, 49 |