Leitsatz (amtlich)
Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) erstreckt sich grundsätzlich auf ein volles Wirtschaftsjahr. Das gilt auch für den Fall, daß ein Gesellschafter während des Wirtschaftsjahres aus einer mehrgliedrigen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ausscheidet.
Orientierungssatz
1. Die bisherige Personengesellschaft (OHG, KG, GbR) besteht auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters unter den übrigen Gesellschaftern weiter (vgl. BFH-Urteil vom 14.9.1978 IV R 49/74, Literatur; Abweichung von BFH-Urteil vom 16.9.1970 I R 64/68).
2. Eine Gewinnermittlung im Rahmen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres muß auch dann als zulässig angesehen werden, wenn das FA den Antrag auf Umstellung des Wirtschaftsjahrs auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ohne gesetzliche Grundlage genehmigt hat und diese Genehmigung bestandskräftig ist. Die Möglichkeit der Zurücknahme nach § 130 Abs. 1 AO 1977 spielt insoweit keine Rolle.
3. Werden im Gewinnfeststellungsbescheid 1973 die Einkünfte der Gesellschaft für das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr (1.3.-28.2.) festgestellt und enthält der Bescheid den Vermerk, daß der für den am 7.8.1972 ausgeschiedenen Gesellschafter festgestellte "laufende Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.3.-7.8.1972 sowie der Veräußerungsgewinn" bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 anzusetzen sind, so liegt hierin kein die Annahme inhaltlicher Unbestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO 1977) des Bescheides rechtfertigender Widerspruch.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; EStG 1987 § 4a Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 § 130 Abs. 1, § 119 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis 1972 Gesellschafter einer Personengesellschaft, die die Bezeichnung A-GbR trägt. Weitere Gesellschafter waren B sowie die Beigeladenen zu 2 bis 5. B ist am 26.Juni 1977 verstorben; seine Rechtsnachfolgerin ist die Beigeladene zu 1.
Die A-GbR verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung insbesondere Grundstücke an eine andere Gesellschaft.
Das Wirtschaftsjahr der A-GbR läuft vom 1.März bis zum 28.Februar. Die Umstellung auf dieses vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) durch Verfügung vom 7.November 1966 genehmigt; die Genehmigung wurde bisher nicht widerrufen.
Am 7.August 1972 verkaufte der Kläger seinen Anteil an der A-GbR an B.
Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung des im Wirtschaftsjahr vom 1.März 1972 bis zum 28.Februar 1973 erzielten Gewinns der A-GbR stellte das FA einen Gewinnanteil des Klägers in Höhe von 3 085 695 DM fest. Hiervon entfielen 72 435 DM auf den in der Zeit vom 1.März bis zum 7.August 1972 erzielten laufenden Gewinn und 3 013 260 DM auf den tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn. Der Gewinnfeststellungsbescheid enthält folgenden Vermerk: "Der Gesellschafter ... (Kläger) hat seinen Gesellschaftsanteil am 7.August 1972 veräußert. Der laufende Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.März bis 7.August 1972 sowie der Veräußerungsgewinn sind bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 anzusetzen."
Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger. Er ist der Auffassung, der von ihm in der Zeit vom 1.März bis 7.August 1972 erzielte Gewinn hätte nicht im Rahmen der Gewinnfeststellung 1973 erfaßt werden dürfen. Im Hinblick auf sein Ausscheiden aus der A-GbR hätte ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet und der in diesem Rumpfwirtschaftsjahr erzielte Gewinn in einem gesonderten Bescheid für 1972 festgestellt werden müssen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 119 Abs.1 und 180 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie des § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971.
Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid für 1973 aufzuheben, soweit er den Kläger betreffende Feststellungen und Zurechnungen enthält.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Ermittlung des Gewinns der A-GbR ein vom 1.März 1972 bis zum 28.Februar 1973 laufendes Wirtschaftsjahr zugrunde zu legen ist.
a) Zwar ist weder in der bis zum 31.Dezember 1976 geltenden Reichsabgabenordnung (AO) noch in der AO 1977 ausdrücklich vorgeschrieben, für welchen Zeitraum die nach § 215 Abs.2 AO (bzw. § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) festzustellenden Einkünfte zu ermitteln sind. Dieser Zeitraum ergibt sich indessen aus den Vorschriften des EStG. Da der Gewinn eines Gewerbetreibenden nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (§ 2 Abs.5 Satz 1 EStG 1971; nunmehr: § 4a Abs.1 Satz 1 EStG 1987), sind auch die einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen nach § 215 Abs.2 AO (bzw. § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) für das Wirtschaftsjahr zu treffen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14.September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159).
b) Wirtschaftsjahr ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma in das Handelsregister eingetragen ist, der Zeitraum, für den sie regelmäßig Abschlüsse machen. Diese Gewerbetreibenden können entweder von Anfang an oder nach einer im Einvernehmen mit dem FA vorgenommenen Umstellung ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr haben (§ 2 Abs.5 Nr.2 EStG 1971). Anderen Gewerbetreibenden ist die Möglichkeit eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres dagegen nur eröffnet, wenn sie gleichzeitig buchführende Land- und Forstwirte sind (§ 2 Abs.5 Nr.3 EStG 1971).
Die Voraussetzungen für die Umstellung auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr haben im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vorgelegen. Denn die A-GbR ist --schon wegen ihrer Rechtsform-- nicht im Handelsregister eingetragen (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27.Aufl., § 17 Anm.17 1 C); sie ist auch nicht gleichzeitig Land- und Forstwirtin. Gleichwohl muß die Gewinnermittlung im Rahmen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres als zulässig angesehen werden. Denn das FA hat auf Antrag der A-GbR mit Verfügung vom 7.November 1966 genehmigt, daß der Gewinn der Gesellschaft nach dem von der Gesellschaft hierfür vorgesehenen Zeitraum (1.März bis 28.Februar) ermittelt wird. Diese Genehmigung ist bestandskräftig. Daß die Genehmigung ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist und demgemäß nach § 130 Abs.1 AO 1977 zurückgenommen werden könnte, spielt insoweit keine Rolle. Eine --nur für zukünftige Feststellungszeiträume wirksame-- Rücknahme der Verfügung ist jedenfalls bisher nicht erfolgt.
c) Da im Falle eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres der Gewinnermittlungs(-Feststellungs-)Zeitraum nicht mit dem Veranlagungszeitraum (*= Kalenderjahr; § 25 Abs.1 EStG) übereinstimmt, ist für die Veranlagung zur Einkommensteuer vorgeschrieben, daß bei Gewerbetreibenden, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 2 Abs.6 Nr.2 EStG).
2. Es ist auch der Auffassung des FG zuzustimmen, daß das Ausscheiden des Klägers aus der A-GbR kein Anlaß war, eine Gewinnfeststellung auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens durchzuführen.
a) Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer nach seinem Ausscheiden noch weiter bestehenden Personengesellschaft zwingt nicht zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres i.S. des § 1 Nr.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV-- 1971 (§ 8b EStDV); denn es handelt sich bei einem solchen Vorgang weder um die Aufgabe oder Veräußerung des bisherigen noch um die Gründung eines neuen Betriebs.
Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159 näher ausgeführt hat, besteht die bisherige Personengesellschaft auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters unter den übrigen Gesellschaftern weiter. Die Identität der Gesellschaft bleibt erhalten. Das gilt nicht nur für Personenhandelsgesellschaften wie die OHG und die KG, sondern auch für die GbR (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 46.Aufl., § 736 Anm.1 und 3).
Die im BFH-Urteil vom 16.September 1970 I R 64/68 (BFHE 100, 81, BStBl II 1970, 838) vertretene Auffassung, nach der das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer im übrigen fortgeführten Gesellschaft zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres führen soll, kann sich der Senat --auch nach erneuter Prüfung-- nicht anschließen. Einer Anrufung des Großen Senats wegen Abweichung von dieser Entscheidung (§ 11 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bedurfte es nicht, da die im Urteil in BFHE 100, 81, BStBl II 1970, 838 vertretene Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich war.
b) Es liegen auch sonst keine Gründe vor, die eine Gewinnfeststellung auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der A-GbR erforderlich gemacht hätten.
Aus der Einwendung des Klägers, eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nach § 215 Abs.2 AO (bzw. § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) setze eine gemeinschaftliche Einkunftserzielung voraus, er --der Kläger-- habe aber mit den übrigen Gesellschaftern der A-GbR nur bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens gemeinschaftliche Einkünfte erzielt, läßt sich nicht zwingend folgern, daß sich die Feststellung der Einkünfte der A-GbR nur auf einen Zeitraum erstrecken konnte, in der der Kläger noch Gesellschafter der A-GbR gewesen ist. Der Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens nach § 215 Abs.2 AO (bzw. § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) ist zwar in erster Linie auf die Erfassung der "gemeinschaftlichen" Einkünfte gerichtet; wie der BFH indessen in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, werden in diesem Verfahren neben den Fragen, die alle Gesellschafter (Mitunternehmer) betreffen, auch solche Fragen entschieden, die nur einzelne Gesellschafter angehen; dazu zählen insbesondere Feststellungen über Sondervergütungen und die Veräußerungsgewinne einzelner Mitunternehmer (vgl. hierzu im einzelnen Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 180 AO 1977 Anm.151 ff.). Dem Sinn und Zweck des einheitlichen und gesonderten Feststellungsverfahrens widerspricht es auch nicht, wenn hinsichtlich einzelner Feststellungsbeteiligter nur für einen Teil des Jahres "gemeinschaftliche" Einkünfte festgestellt werden.
Der Durchführung eines auf den gesamten Feststellungszeitraum bezogenen Feststellungsverfahrens steht auch nicht entgegen, daß ein Feststellungsbeteiligter im Laufe des Feststellungszeitraums seinen Mitunternehmeranteil veräußert und deshalb zum Veräußerungszeitpunkt eine Ermittlung des Wertes des veräußerten Anteils nach § 4 Abs.1 oder § 5 EStG vorzunehmen ist (§ 16 Abs.2 Satz 2 EStG). Das Erfordernis einer Wertermittlung für einen außerhalb des Jahresabschlusses liegenden Zeitpunkt braucht nicht notwendig zu einem abgekürzten Feststellungszeitraum zu führen (vgl. BFH-Urteil vom 12.Juni 1975 IV R 10/72, BFHE 116, 341, BStBl II 1975, 853).
Auch die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) zwingt nicht dazu, eine Gewinnfeststellung zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der A-GbR durchzuführen. Der Senat hat zwar in seinem Urteil in BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159 ausgeführt, daß eine Ausnahme von dem Grundsatz einer einheitlichen Feststellung aller im Wirtschaftsjahr erzielten Einkünfte dann geboten sein könne, wenn in einem Einzelfall Anhaltspunkte dafür gegeben seien, daß durch eine das ganze Jahr umfassende einheitliche Feststellung das Steuergeheimnis verletzt werden könnte. Ein solcher Fall ist denkbar, wenn gegenüber dem eintretenden (oder ausscheidenden) Gesellschafter für einen Zeitraum, in dem er noch nicht (oder nicht mehr) Gesellschafter war, die steuerlichen Verhältnisse der übrigen Gesellschafter geheimgehalten werden sollen. Im Streitfall haben sich jedoch Anhaltspunkte für das Vorliegen von Geheimhaltungsinteressen nicht ergeben.
3. Schließlich ist dem FG auch insoweit zu folgen, als es davon ausgegangen ist, daß der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt war (vgl. § 119 Abs.1 AO 1977).
Der Kläger hält den Bescheid für widersprüchlich, weil in ihm einerseits Einkünfte der A-GbR für das Wirtschaftsjahr 1973 festgestellt wurden, der Bescheid aber andererseits den Vermerk aufweist, daß der für den Kläger festgestellte "laufende Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.März bis 7.August 1972 sowie der Veräußerungsgewinn" bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 anzusetzen sind.
Hierin liegt indessen kein die Annahme inhaltlicher Unbestimmtheit (§ 119 Abs.1 AO 1977) rechtfertigender Widerspruch. Da die A-GbR ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1.März bis 28.Februar) hat und der Gewinn eines solchen Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 2 Abs.6 Nr.2 EStG 1971; nunmehr: § 4a Abs.2 Nr.2 EStG 1987), ist auch der für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte maßgebende Feststellungszeitraum jeweils das Kalenderjahr, in dem das betreffende Wirtschaftsjahr endet. Im Streitfall war daher für das am 28.Februar 1973 endende Wirtschaftsjahr ein Gewinnfeststellungsbescheid 1973 zu erlassen. Um den auf den ausgeschiedenen Gesellschafter, nämlich den Kläger, entfallenden Anteil am laufenden Gewinn sowie seinen Veräußerungsgewinn zutreffend zu ermitteln, mußte in dem das ganze Wirtschaftsjahr betreffenden Feststellungsbescheid eine Feststellung über die Höhe seines Anteils am laufenden Gewinn und seines Veräußerungsgewinns sowie über die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft aufgenommen werden, damit das Veranlagungs-FA erkennen konnte, welchem Veranlagungszeitraum der festgestellte Gewinn zuzurechnen ist (Urteil in BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159). Daß das beklagte FA dabei zur Bezeichnung dieses Zeitraums den --üblicherweise zur Bezeichnung anderer Zeiträume dienenden-- Ausdruck "Rumpfwirtschaftsjahr" verwendete (vgl. die in § 8 EStDV bezeichneten Tatbestände), nimmt dem Feststellungsbescheid nicht die erforderliche Bestimmtheit.
Fundstellen
Haufe-Index 62463 |
BFH/NV 1989, 13 |
BStBl II 1989, 312 |
BFHE 155, 255 |
BFHE 1989, 255 |
BB 1989, 620-620 (L1) |
DB 1989, 911-912 (LT) |
HFR 1989, 289 (LT) |