Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Gegenbeweises und fremder Dritter i.S. des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für den der Kapitalgesellschaft nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996 ermöglichten Gegenbeweis für die Fremdüblichkeit eines ihr gewährten Darlehens ist regelmäßig der Zeitpunkt der Darlehenshingabe (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 15. Dezember 1994, BStBl I 1995, 25, 176 Tz. 61).
2. Fremder Dritter i.S. des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996 kann auch eine Person sein, die in der Folgezeit Anteilseigner der Kapitalgesellschaft oder eine diesem nahe stehende Person i.S. von § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG 1996 wird, dies aber im Zeitpunkt der Darlehenshingabe noch nicht war.
Normenkette
KStG 1996 § 8a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, wurde am 31. August 1995 von dem Bauingenieur K und dem Kaufmann S gegründet. Unternehmenszweck war die später verwirklichte Absicht, ein Wohn- und Geschäftshaus mit einer Bausumme von 10 Mio. DM zu errichten. Am 20. September 1995 gewährte ihr die türkische A-Ltd. ein Darlehen in Höhe von 1 350 000 DM ohne Vereinbarung einer Sicherheit und mit einer Verzinsung von 8 v.H. jährlich. Am 10. April 1996 erwarb der zu einem Drittel an der A-Ltd. beteiligte Geschäftsführer Y 49 v.H. des Stammkapitals der Klägerin; K und S hielten jeweils 25,5 v.H. der Anteile. Ab dem 28. September 1998 beteiligten sich überdies die weiteren Gesellschafter der A-Ltd. ―A+B― zu jeweils 12,5 v.H. an der Klägerin. Neben diesen waren seitdem S mit 50 v.H. und Y sowie ein fünfter Gesellschafter mit ebenfalls jeweils 12,5 v.H. beteiligt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah in den Zinszahlungen verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) gemäß § 8a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) und setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre 1996 bis 1998 entsprechend fest.
Das Finanzgericht (FG) Köln gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Voraussetzungen des § 8a KStG 1996 seien nicht erfüllt. Zwar genüge nach § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG 1996 auch eine spätere Beteiligung des kapitalgewährenden Anteilseigners an der Kapitalgesellschaft in einem anderen Wirtschaftsjahr, um die hiernach bestehenden Beteiligungsvoraussetzungen zu erfüllen. Davon zu trennen seien jedoch die Erfordernisse für den Fremdvergleichsnachweis gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996, der der Klägerin gelungen sei. Die A-Ltd. sei in dem insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch fremde Dritte und nicht Nahestehende des Y i.S. von § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) i.V.m. § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG 1996 gewesen. - Das Urteil des FG vom 5. August 2003 13 K 3358/02 ist in Deutsches Steuerrecht 2004, 421 veröffentlicht.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Voraussetzungen des § 8a KStG 1996 im Ergebnis zu Recht als nicht erfüllt angesehen.
1. Nach § 8a KStG 1996 gelten Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt war, u.a. dann als vGA, wenn eine zu einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und insoweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt, es sei denn, die Kapitalgesellschaft hätte dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten können (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996). Eine wesentliche Beteiligung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Anteilseigner am Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (§ 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 1996). § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG 1996 ist nach Satz 2 dieser Vorschrift auch bei Vergütungen für Fremdkapital anzuwenden, das die Kapitalgesellschaft von einer dem Anteilseigner nahe stehenden Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG erhalten hat. Hiernach ist eine Person dem Anteilseigner u.a. dann nahe stehend, wenn eine dritte Person sowohl an der Person als auch an der Kapitalgesellschaft mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG).
2. Nach den vom FG getroffenen ―und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―)― Feststellungen war Y in den Streitjahren (bis zum 28. September 1998) in der vorbezeichneten Weise an der Klägerin beteiligt. Da er zugleich zu einem Drittel an der darlehensgewährenden A-Ltd. beteiligt war, waren die Beteiligungsvoraussetzungen des § 8a Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG 1996 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG in den Streitjahren erfüllt. Ausschlaggebend hierfür sind die Verhältnisse in jenem Wirtschaftsjahr, für das die Kapitalgesellschaft (Darlehensnehmerin) die vereinbarten Vergütungen für Fremdkapital zu entrichten hat; auf die Verhältnisse in jenem Wirtschaftsjahr, in dem das Fremdkapital gewährt wurde, kommt es insoweit nicht an.
3. Davon zu unterscheiden sind jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen, die an den Gegenbeweis gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996 für den hier gegebenen Fall einer in einem Bruchteil des Kapitals bemessenen Vergütung für das Fremdkapital zu stellen sind.
a) Dieser Gegenbeweis ist auf den Zeitpunkt der Darlehenshingabe zu führen, nicht aber auf den Zeitpunkt, zu dem das Gesellschafterdarlehen das unschädliche Fremdkapital übersteigt, auch nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Darlehensgeber in die Gesellschafterstellung und des in jenem Zeitpunkt "stehengelassenen" Darlehens. Soweit von der Finanzverwaltung (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 15. Dezember 1994, BStBl I 1995, 25, 176 Tz. 61) und im Schrifttum beispielsweise von Dötsch/Pung (in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG n.F. Rz. 196) sowie von Janssen (Der Betrieb 1997, 1589, 1593) eine andere Rechtsauffassung vertreten wird, ist dem nicht zu folgen. § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996 bestimmt zwar nicht ausdrücklich, auf welchen Zeitpunkt der Fremdvergleich vorzunehmen ist, stellt hierfür jedoch auf die Vergangenheit ab (" … hätte … erhalten können …") und verlangt damit gerade keinen kontinuierlichen Fremdvergleich (so auch Kröner in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 8a Rz. 104; Prinz in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 8a KStG Anm. 102; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 8a KStG Rz. 65; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8a Rz. 136). Maßgeblich sind hiernach allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Darlehensvereinbarung, ggf. auch einer Darlehensverlängerung unter Neuverhandlung der Darlehenskonditionen oder der Nichtausübung eines möglichen Kündigungsrechts. Der Regelungswortlaut ist insoweit eindeutig und gibt keinen Anlass zu Missdeutungen. Der Abgleich der Verhältnisse, wie er vom FG bezogen auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung vorgenommen worden ist, verstößt somit nicht ―wie aber das FA annimmt― gegen Denkgesetze. Dieser Zeitpunkt entspricht vielmehr jenem, auf den es auch für den Fremdvergleich gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 im Falle einer überhöhten Verzinsung des Darlehens ankäme. Er widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der Regelungszusammenhänge. Ob die gesetzliche Regelung ausreicht, um den damit verbundenen gesetzgeberischen Absichten ―die Verlagerung von Aufwand in das Inland und der korrespondierenden Einkünfte in das Ausland― in allen einschlägigen Sachverhaltskonstellationen zu entsprechen, kann dahinstehen. Ausschlaggebend ist, dass der Regelungswortlaut keine weiter gehenden Auslegungsmöglichkeiten belässt.
b) Nach den auf dieser Grundlage getroffenen tatrichterlichen, den Senat bindenden Feststellungen steht fest, dass die Klägerin das Darlehen im September 1995 unbeeinflusst von der späteren Gesellschafterstellung des Y erhalten hat. Gerade weil es sich bei der A-Ltd. nach den getroffenen Feststellungen damit um einen (seinerzeit) fremden Dritten handelte, ist der Klägerin der im Rahmen des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1996 anzustellende Fremdvergleich auf diesen Zeitpunkt der Darlehensgewährung gelungen. Ob es sich möglicherweise anders verhielte, wenn der Klägerin das Darlehen mit Blick auf die künftige gesellschaftliche Verbundenheit der Darlehensgeberin gegeben worden wäre, kann dahinstehen. Für eine derartige "Vorgreiflichkeit" der späteren Gesellschafterstellung und einer gesellschaftlichen Mitveranlassung ist im Streitfall nichts ersichtlich oder dargetan; eine entsprechende Sachaufklärungsrüge (vgl. § 76, § 120 FGO) wurde vom FA nicht fristgerecht erhoben. Gleiches gilt für die Frage, ob sich die bei der Darlehensgewährung maßgeblichen Verhältnisse später geändert und einen fremden Dritten möglicherweise zur Kündigung des Darlehens bewogen hätten. Schließlich gilt dies auch für die Überlegung, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den gegebenen Umständen des Streitfalles zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Für einen weiter gehenden hypothetischen Fremdvergleich besteht insofern keine Veranlassung. Unabhängig davon wurde ein solcher Vergleich vom FG aber auch vorgenommen (vgl. S. 4 unten des angegriffenen Urteils).
Fundstellen
Haufe-Index 1331715 |
BFH/NV 2005, 798 |
BFHE 2005, 568 |
BFHE 208, 568 |
BB 2005, 808 |
DB 2005, 811 |
DStR 2005, 693 |
DStRE 2005, 551 |
DStZ 2005, 287 |
DStZ 2005, 312 |
HFR 2005, 564 |