Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz der Kostenmiete; Bindung nach Treu und Glauben
Leitsatz (NV)
1. Zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus ist als Mietwert die Kostenmiete anzusetzen, wenn zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört oder die privatgenutzte Wohnfläche mehr als 250 qm beträgt.
2. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung (§164 AO 1977) wirksam ist, ist das FA grundsätzlich berechtigt, seine Rechtsauffassung zu ändern und die Kostenmiete anstelle der Marktmiete anzusetzen.
3. Eine telefonische Absprache mit dem Veranlagungssachbearbeiter des FA begründet keine bindende tatsächliche Verständigung.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2; AO 1977 § 164; BGB § 242
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten 1975 ein Zweifamilienhaus. Das Gebäude verfügt über eine Wohnfläche von 342 qm; davon werden 270 qm für eigene Wohnzwecke genutzt. In dem Haus befindet sich ein Schwimmbad mit einer Beckengröße von rd. 54 qm. Für die Streitjahre 1984 und 1985 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung erklärungsgemäß eine Marktmiete von 16 200 DM an. Für die nicht streitbefangenen Jahre 1986 und 1987 sowie für das Streitjahr 1988 erhöhte das FA den Mietwert auf 22 680 DM. Alle Steuerfestsetzungen ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Aufgrund einer Beanstandung des Rechnungshofs änderte das FA die Steuerbescheide für die Streitjahre gemäß §164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte nunmehr als Mietwert die nach einem Vomhundertsatz der auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden Anschaffungs- und Herstellungskosten bemessene Kostenmiete an.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des Grundsatzes von Treu und Glauben. Ihr Steuerberater habe seinerzeit mit dem zuständigen Sachbearbeiter des FA eine telefonische Vereinbarung über die Höhe der anzusetzenden qm-Miete getroffen. Für die Jahre 1987 und 1988 hätten sie -- die Kläger -- zunächst den alten Mietwert in ihre Steuererklärungen eingesetzt; der Sachbearbeiter des FA habe dann den Mietwert entsprechend der tatsächlichen Verständigung korrigiert. Dieser tatsächlichen Verständigung komme nach Treu und Glauben Bindungswirkung zu, obwohl auf seiten des FA kein Sachgebietsleiter mitgewirkt habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 25. Juni 1996 die Einkommensteuer für 1984 und 1985 unter Berücksichtigung eines Mietwerts der selbstgenutzten Wohnung von 16 200 DM und für 1988 unter Berücksichtigung eines Mietwerts von 22 680 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre vom 25. Juni 1996 erlassen, die gemäß §§121, 123 Satz 2 i. V. m. §68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Antrag der Kläger zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§126 Abs. 2 FGO).
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Finanzgericht (FG) entschieden, daß als Mietwert für die selbstgenutzte Wohnung der Kläger nach §21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Kostenmiete anzusetzen ist.
Zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus sind der zu schätzenden Rohmiete die nachgewiesenen Werbungskosten gegenüberzustellen. Die Rohmiete ist grundsätzlich anhand der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte erzielbaren Miete, der sog. Marktmiete, zu schätzen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Zweck des §21 Abs. 2 EStG den Ansatz der sog. Kostenmiete erfordert (Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92, BFHE 174, 51, 53, BStBl II 1995, 98). Nach diesem Urteil ist die Kostenmiete stets dann anzusetzen, wenn zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört oder die privatgenutzte Wohnfläche mehr als 250 qm beträgt (Senatsurteil in BFHE 174, 51, 56, BStBl II 1995, 98). Im Streitjahr ist danach als Mietwert die Kostenmiete anzusetzen, weil jedes der vorgenannten Merkmale gegeben ist.
2. Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß das FA nicht aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert war, die ursprünglich erlassenen Steuerbescheide nach §164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern und als Mietwert die Kostenmiete anzusetzen.
a) Eine Bindung des FA folgt nach Treu und Glauben nicht daraus, daß es zunächst im Einvernehmen mit den Klägern einen Mietwert in Höhe einer angenommenen Marktmiete zugrunde gelegt hat. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß §164 AO 1977 wirksam war, war das FA grundsätzlich berechtigt, seine Rechtsauffassung zu ändern und als Mietwert die Kostenmiete anstelle der Marktmiete anzusetzen. Eine Bindung des FA an die zunächst zugrunde gelegte Marktmiete ist auch dann nicht gegeben, wenn sich der Steuerberater der Kläger und der Veranlagungssachbearbeiter des FA telefonisch auf bestimmte Beträge für die Marktmiete als Mietwert geeinigt haben und der Sachbearbeiter bei der Veranlagung für 1988 nach dieser Absprache verfahren ist. Dies bedeutet keine tatsächliche Verständigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt eine bindende tatsächliche Verständigung voraus, daß für die Finanzbehörde ein Amtsträger beteiligt ist, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt ist (zuletzt BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625), d. h. der Vorsteher, der zuständige Sachgebietsleiter oder im Rechtsbehelfsverfahren der Leiter der Rechtsbehelfsstelle (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, BFHE 162, 211, 214, BStBl II 1991, 45). Danach handelt es sich bei der Absprache des Steuerberaters der Kläger mit dem Veranlagungssachbearbeiter des FA nicht um eine tatsächliche Verständigung, weil daran kein entscheidungsbefugter Amtsträger beteiligt war.
b) Die Absprache zwischen dem Steuerberater der Kläger und dem Veranlagungssachbearbeiter des FA ist nicht dadurch nachträglich bindend geworden, daß zunächst auf der Grundlage dieser Absprache vom zuständigen Sachgebietsleiter abgezeichnete Steuerbescheide erlassen worden waren. Es kann offenbleiben, ob eine durch einen nicht entscheidungsbefugten Amtsträger getroffene Absprache die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfaltet, wenn sie nachträglich durch den zuständigen Sachgebietsleiter genehmigt wird (verneinend BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290, 291). Auch wenn man mit einer im Schrifttum vertretenen Auffassung die rückwirkende Genehmigung durch den zuständigen Sachgebietsleiter grundsätzlich steuerrechtlich für maßgebend hält (Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, 325 ff., 328), würde es im Streitfall an den Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung fehlen; denn nach dieser Auffassung ist zur Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung die Einhaltung der Schriftform erforderlich (Seer, a. a. O., 328 f., 344 ff.). Eine telefonische Absprache wie im Streitfall kann danach jedenfalls nicht rückwirkend durch den Sachgebietsleiter genehmigt werden.
Fundstellen
BFH/NV 1998, 580 |
NZM 1998, 686 |