Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug einer Auslandsspende
Leitsatz (NV)
Der Abzug einer Sachspende kann nicht allein mit der Begründung versagt werden, dass der Kläger an eine nicht im Inland ansässige Einrichtung geleistet hat.
Normenkette
EStG § 10b Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; EStDV § 49; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO § 51; EG Art. 56
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 28.10.2005; Aktenzeichen 11 K 2505/05; EFG 2006, 357) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über den Abzug einer sog. Auslandsspende. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater und wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2003 begehrte der Kläger unter anderem den Sonderausgabenabzug für eine an X in Portugal geleistete Sachspende in Höhe von 18 180 €. In der --auch in deutscher Übersetzung-- vorliegenden sog. Spendenbescheinigung bestätigt X, am 31. Juli 2003 vom Kläger Sachspenden im Wert von 18 180 € erhalten zu haben, im Einzelnen:
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€ |
320 |
Handtücher 50/100 á 12,50 € |
4 000 |
160 |
Waschhandschuhe 16/200 á 4 € |
640 |
160 |
Waschhandtücher 30/30 á 4 € |
640 |
12 |
Rollatoren á 430 € |
5 160 |
84 |
Bettgarnituren 40/80; 135/200 á 85 € |
7 140 |
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Siku-Kinderspielautos |
350 |
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Speditionskosten |
250 |
Außerdem liegt eine Erklärung des Direktors des Bezirkszentrums für Solidarität und Sozialversicherung Faro vom 21. März 2001 vor, dass das X im Jahre 1982 als Privateinrichtung der Sozialen Solidarität registriert worden sei und damit Anspruch auf alle Steuerbefreiungen und Vergünstigungen habe, die durch das Gesetz für Personengesellschaften mit Gemeinnützigkeit und Verwaltungsgemeinnützigkeit gewährt würden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte insoweit den Sonderausgabenabzug (Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. April 2004). Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2005) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Versagung der Anerkennung der Spende gemeinschaftsrechtswidrig sei. Für X gebe es zudem im Inland keinen Zahlungsempfänger. Außerdem entspreche die vorgelegte sog. Spendenbescheinigung den Anforderungen eines Zuwendungsnachweises i.S. des § 50 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 357. Das FA habe die Anerkennung der streitigen Auslandsspende zu Recht versagt.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass eine versteckte Diskriminierung vorliege; es werde unterstellt, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht in der Lage sei, im eigenen Land eine ordnungsgemäße Steuerkontrolle und Steueraufsicht durchzuführen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben, den --während des Klageverfahrens erlassenen-- Einkommensteuerbescheid vom 11. August 2005 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung einer weiteren Spende in Höhe von 18 180 € herabzusetzen.
Das FA beantragte zunächst,
die Revision zurückzuweisen, und beantragt nunmehr,
das Urteil des FG aufzuheben, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der seinerzeit zuständige XI. Senat des Bundesfinanzhofs hat durch Beschluss vom 9. Mai 2007 XI R 56/05 (BFHE 218, 125, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1295) den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) angerufen. Der EuGH hat mit Urteil vom 27. Januar 2009 Rs. C-318/07 (DStR 2009, 207) entschieden, dass Auslandsspenden (auch Sachspenden) unter die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 2002 Nr. C 325/33) über den freien Kapitalverkehr fallen und dass Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der nur Spenden an inländische Einrichtungen abgezogen werden dürfen.
Der Kläger hat dazu ausgeführt, dass sich das FA ggf. direkt an die portugiesischen Stellen wenden müsse. Das FA ist der Auffassung, dass das FG weitere tatsächliche Feststellungen zur Abziehbarkeit der Sachspende nach deutschem Recht zu treffen haben werde. Insbesondere sei noch festzustellen, ob die portugiesische Einrichtung nach deutschen Rechtsvorschriften als gemeinnützig einzustufen sei und weiterhin, in welcher Höhe die Sachspende abziehbar sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgehoben; die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Der Grund für die Aussetzung des Verfahrens ist entfallen, nachdem der EuGH mit Urteil in DStR 2009, 207, über die Vorlage des seinerzeit zuständigen XI. Senats entschieden hat.
1. Gemäß § 10b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürfen Steuerpflichtige Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke in bestimmtem Umfang als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Auch die Zuwendung von Wirtschaftsgütern ist als Ausgabe in diesem Sinne anzusehen (sog. Sachspenden, § 10b Abs. 3 EStG). Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG i.V.m. § 49 EStDV dürfen die Zuwendungen nur abgezogen werden, wenn der Empfänger eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts, eine inländische öffentliche Dienststelle oder eine in § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (im Folgenden auch kurz: Körperschaft) ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind von der Körperschaftsteuer solche Körperschaften befreit, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung --AO--).
2. Demgegenüber hat der EuGH mit Urteil in DStR 2009, 207 entschieden, dass die Beschränkung auf Spenden an inländische Einrichtungen unzulässig sei; Art. 56 EG stehe der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden könnten, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfülle (zu dieser Entscheidung vgl. Fischer, Finanz-Rundschau 2009, 249; Hüttemann/Helios, Der Betrieb 2009, 701).
3. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht hat zur Folge, dass gemeinschaftsrechtswidrige Vorschriften des nationalen Steuerrechts nicht anzuwenden sind, ohne dass es einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedarf (Senatsurteil vom 17. Juli 2008 X R 62/04, BFHE 222, 427, BStBl II 2008, 976).
4. Der EuGH-Entscheidung entsprechend hat der Steuerpflichtige daher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, auch Spenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, abzuziehen. Das ist der Fall, wenn die begünstigte Einrichtung die Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften (also die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO) für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt (EuGH-Urteil in DStR 2009, 207, Rz 66 ff.). Können Spenden an eine Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats als gemeinnützig anerkannt werden, was die nationalen Stellen des Mitgliedstaats des Steuerpflichtigen einschließlich der Gerichte zu beurteilen haben, kann der Abzug nicht allein aus dem Grund verwehrt werden, dass die Einrichtung nicht im Inland ansässig ist (EuGH-Urteil in DStR 2009, 207, Rz 49).
5. Die beteiligten Steuerbehörden können vom Steuerpflichtigen alle Belege verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob die Voraussetzungen für die Abziehbarkeit der Ausgaben nach den einschlägigen Rechtsvorschriften (s. oben unter II. 1. und 4.) erfüllt sind und der verlangte Abzug dementsprechend gewährt werden kann (EuGH-Urteil in DStR 2009, 207, Rz 54). Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden einschließlich der Gerichte zu überprüfen, ob der Nachweis für die Einhaltung der von diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der fraglichen Steuervergünstigung aufgestellten Voraussetzungen gemäß den Regeln des nationalen Rechts erbracht worden ist (EuGH-Urteil in DStR 2009, 207, Rz 63). Erweist sich die Nachprüfung der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Auskünfte als schwierig, insbesondere wegen der in Art. 8 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABlEG 1977, Nr. L 336, S. 15) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABlEG 1994, Nr. C 241, S. 21, und ABlEG 1995, Nr. L 1, S. 1) geänderten Fassung vorgesehenen Grenzen des Auskunftsaustauschs, sind die Finanzbehörden nicht daran gehindert, bei Nichtvorlage der Nachweise, die sie für die zutreffende Steuerfestsetzung als erforderlich ansehen, den beantragten Steuerabzug zu verweigern (EuGH-Urteil in DStR 2009, 207, Rz 69).
6. Nach Maßgabe dieser Rechtslage, die von den beteiligten Behörden und Gerichten unmittelbar zu beachten ist (s. oben unter II. 3.), kann der Abzug der Zuwendungen nicht allein mit der Begründung versagt werden, dass der Kläger an eine nicht im Inland ansässige Einrichtung geleistet hat. Das FG wird daher zu prüfen haben, ob die nach nationalem Recht zu stellenden Anforderungen erfüllt sind, ob also der begehrte Spendenabzug dem Grunde und der Höhe nach berechtigt ist. Entsprechende Feststellungen sind bisher nicht getroffen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 2204527 |
BFH/NV 2009, 1633 |
BFH/PR 2009, 366 |