Entscheidungsstichwort (Thema)
Indexierung des Anfangsvermögens bei der Berechnung des fiktiven Anspruchs auf Zugewinnausgleich
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des fiktiven Anspruchs auf Zugewinnausgleich nach § 5 Abs. 1 ErbStG sind die Anfangsvermögen und die diesen hinzuzurechnenden späteren Erwerbe zum Ausgleich der Geldentwertung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH zu indexieren.
Normenkette
ErbStG § 5 Abs. 1; BGB § 1371 Abs. 2, § 1374 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin der während des Klageverfahrens verstorbenen Erblasserin … (E), die ihrerseits Alleinerbin ihres im Jahr 2000 verstorbenen Ehemannes (M) gewesen war. Die seit 1970 miteinander verheirateten Eheleute hatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb der E als Erbin des M in der Einspruchsentscheidung auf 9 567 580 € (18 712 560 DM) fest. Bei der Berechnung des nicht als Erwerb i.S. des § 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geltenden fiktiven Anspruchs der E auf Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) ließ das FA die infolge des Kaufkraftschwunds nur nominale Wertsteigerung des Anfangsvermögens beider Ehegatten und des nach § 1374 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dem Anfangsvermögen des M hinzuzurechnenden Vermögens außer Ansatz, indem es nach R 11 Abs. 3 Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) vom 21. Dezember 1998 (BStBl I SonderNr. 2/1998, 2) und H 11 Abs. 3 der Hinweise zu den ErbStR vom 21. Dezember 1998 (BStBl I 1998, 1529) die Anfangsvermögen und die hinzuzurechnenden Vermögensgegenstände mit dem Lebenshaltungskostenindex zur Zeit der Beendigung des Güterstandes multiplizierte und durch die für den Zeitpunkt des Beginns des Güterstandes bzw. des nachträglichen Erwerbs geltende Indexzahl dividierte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der sich die Klägerin gegen diese Indexierung gewandt hatte, durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1548 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichsanspruchs stimme mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) überein. Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids stehe die bis Ende 1998 in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20. Dezember 1974/10. März 1976 (BStBl I 1976, 145) für den Steuerpflichtigen vorgesehene Möglichkeit, abweichend von dieser Rechtsprechung zur Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung das Anfangsvermögen und die diesem zuzurechnenden Vermögensgegenstände mit dem Nominalwert anzusetzen, nicht entgegen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 Abs. 1 ErbStG. Bei der Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichsanspruchs sei keine Indexierung vorzunehmen, da es dafür keine zivilrechtliche Grundlage gebe und ein Verstoß gegen das Nominalwertprinzip vorliege. Zudem habe die Verwaltung die in den Erlassen in BStBl I 1976, 145 vorgesehene Möglichkeit, sich für eine Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung ohne Indexierung zu entscheiden, nicht ohne gesetzliche Grundlage streichen dürfen, jedenfalls nicht ohne Übergangsregelung.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuer auf 6 607 664,78 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass das FA den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch der E zutreffend berechnet hat.
1. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) durch den Tod eines Ehegatten beendet und wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB verlangen. Diese Vorschriften für den Ausgleich des Zugewinns gelten nach § 1372 BGB auch, wenn der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten, also etwa durch Ehescheidung, beendet wird. In beiden Fällen unterliegt die Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten und deren Erfüllung nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wie § 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend regelt.
Wird im Todesfall der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, weil der überlebende Ehegatte Erbe wird oder ihm ein Vermächtnis zusteht, gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Betrag, den der überlebende Ehegatte nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG. Obwohl in diesem Fall dem überlebenden Ehegatten güterrechtlich keine Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB zusteht, wird eine solche für die Erbschaftsteuer fiktiv errechnet und vom Erwerb abgezogen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bewirkt danach, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung zugestanden hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 2005 II R 7/01, BFHE 210, 455, BStBl II 2005, 873). Der über diese fiktive Ausgleichsforderung hinausgehende Erwerb unterliegt der normalen Besteuerung (BFH-Urteil vom 10. März 1993 II R 87/91, BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510). Damit wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten erreicht, soweit § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG nichts anderes bestimmen. Diese Angleichung setzt voraus, dass der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wird wie ein tatsächlich geltend gemachter. Für die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist dabei vorrangig die Rechtsprechung des BGH als des für Familienrecht zuständigen obersten Gerichtshofs des Bundes maßgebend.
2. Durch die Geldentwertung eingetretene, nur nominelle Wertsteigerungen des Anfangsvermögens und der Vermögensgegenstände, die diesem zuzurechnen sind, führen nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu einem Anspruch auf Zugewinnausgleich (Urteile vom 14. November 1973 IV ZR 147/72, BGHZ 61, 385; vom 13. Oktober 1983 IX ZR 106/82, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1984, 434, und vom 20. Mai 1987 IVb ZR 62/86, BGHZ 101, 65). Der durch den Kaufpreisschwund des Geldes verursachte, unechte Zugewinn ist nach dieser Rechtsprechung dadurch von der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung auszunehmen, dass die nach § 1374 Abs. 1 BGB anzusetzenden (positiven) Anfangsvermögen beider Ehegatten mit dem Preisindex für die Lebenshaltung bei Beendigung des Güterstandes multipliziert und durch den Index bei Beginn des Güterstandes dividiert werden. Bei den dem Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnenden Vermögensgegenständen ist statt des Preisindexes bei Beginn des Güterstandes der für den Zeitpunkt des Erwerbs maßgebende zu berücksichtigen. Die Inflationsbereinigung ist auch geboten, soweit Geldforderungen oder Geldschulden betroffen sind (BGH-Urteil vom 18. Oktober 1989 IVb ZR 82/88, BGHZ 109, 89).
Die Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das Nennwertprinzip (Nominalismus). Aus diesem der Währungsordnung zugrunde liegenden Prinzip folgt, dass Geldbetrags- oder Geldsummenschulden zum Nennwert in der gesetzlichen Währungseinheit erfüllbar sind. Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber nicht um diese Fragestellung, sondern um den Vergleich von zeitlich auseinander liegenden Vermögenslagen und die dem Sinn der Zugewinngemeinschaft entsprechende Berücksichtigung der Geldentwertung zwischen den Bewertungszeitpunkten (BGH-Urteil in BGHZ 61, 385, 392).
In der Praxis hat sich die Rechtsprechung des BGH allgemein durchgesetzt. Sie wird in der Literatur heute weit überwiegend gebilligt (Thiele in Staudinger (2000), BGB, § 1373 Rz 9 ff.; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1376 Rz 9 f.; MünchKommBGB/ Koch, 4. Aufl., § 1373 Rz 5 ff.; Finke in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1376 Rz 17 ff.; Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1376 Rz 25 ff.; J. Mayer in Bamberger/Roth, BGB, § 1376 Rz 39 ff.; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 1376 Rz 11; Limbach in Anwaltkommentar zum BGB, § 1376 Rz 37 ff.; Weinreich in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 1374 Rz 6 ff.; Jaeger in Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1376 BGB Rz 20 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., S. 408 f.; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., S. 1517 ff.).
Der Geldwertschwund ist nicht nur bei der Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch Ehescheidung, sondern auch bei der Beendigung durch den Tod eines Ehegatten zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt, gelten für die Berechnung des Zugewinnausgleichs in beiden Fällen die Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB, die u.a. den Zugewinn, das Anfangsvermögen, das Endvermögen und die Wertermittlung des Anfangs- und Endvermögens betreffen. Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es bei der Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten auch nicht an einer unterschiedlichen Interessenlage; sie besteht in diesem Fall zwischen dem überlebenden Ehegatten, der nicht Erbe wird und dem auch kein Vermächtnis zusteht, und dem/den ausgleichspflichtigen Erben.
3. Die Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich ist auch für die Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG maßgebend (ebenso Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 5 Rz 33; Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 5 ErbStG Rz 26; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz 35; Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 5 ErbStG Rz 22; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 5 Rz 19 f.; Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, S. 82; a.A. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 5 Rz 14). Nur so lässt sich die von § 5 Abs. 1 ErbStG gewollte Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten erreichen. Nach dieser Vorschrift soll der nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG geltende Anspruch auf den fiktiven Zugewinnausgleich vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen dem Anspruch entsprechen, der sich bei einem tatsächlich durchgeführten güterrechtlichen Zugewinnausgleich ergäbe. Bei Letzterem bestünde aber der Ausgleichsanspruch nur in dem Umfang, der durch die vom BGH vorgenommene Gesetzesauslegung bestimmt wird. Dies schließt die Indexierung ein.
Soweit sich die Klägerin demgegenüber hinsichtlich des Nominalwertprinzips auf die BFH-Urteile vom 27. Juli 1967 IV 300/64 (BFHE 89, 422, BStBl III 1967, 690) und vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72 (BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572) beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Diese Urteile betreffen allein die Besteuerung der Kapitalzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 des Einkommensteuergesetzes) mit dem Nominalwert. Sie sind für die Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich, bei der die Vermögensgegenstände zu u.U. weit auseinander liegenden Zeitpunkten zu vergleichen sind, ohne Bedeutung.
4. Der Anwendung der Rechtsprechung des BGH zur Indexierung des Anfangsvermögens steht auch die bis 1998 nach Abschn. 2.1 Buchst. c der Erlasse in BStBl I 1976, 145 bestehende Möglichkeit des Steuerpflichtigen, zwischen der Berücksichtigung und Nichtberücksichtigung des Inflationsausgleichs zu wählen, nicht entgegen. Die Finanzverwaltung war berechtigt, die Verwaltungsvorschriften mit Wirkung für künftige Erbfälle an die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BGH und die dieser entsprechende zivilrechtliche Praxis anzupassen.
Der Klägerin stand insoweit kein Vertrauensschutz zu. Soweit Verwaltungsvorschriften überhaupt einen Vertrauensschutz begründen sollten (grundsätzlich ablehnend BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 24/00, BFHE 203, 523, BStBl II 2004, 89, unter II. 3.; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 IX B 182/03, BFH/NV 2005, 1058, je m.w.N.), könnte dieser jedenfalls nicht weiter reichen als der Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften. Die unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung von Gesetzesänderungen, die dann vorliegt, wenn das Gesetz nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, ist jedoch grundsätzlich zulässig (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93 u.a., BVerfGE 105, 17, 37 ff.; BFH-Urteile vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398, und VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436; vom 18. Januar 2006 II R 64/04, BFH/NV 2006, 948). Danach können Verwaltungsvorschriften jedenfalls mit Wirkung für künftige Erbfälle an die gesetzliche Rechtslage angepasst werden (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 168 ff.; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 4 Rz 183; Maurer in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 3. Aufl., § 79 Rz 130). Eine solche Anpassung entspricht der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, § 85 Satz 1 der Abgabenordnung) und bedarf daher keiner speziellen gesetzlichen Grundlage. Die zeitliche Beschränkung der Anwendbarkeit der geänderten Verwaltungsvorschrift auf künftige Erbfälle enthält eine Übergangsregelung, da davon abgesehen wird, die bereits seit langem bestehende Rechtsprechung des BGH auf alle noch offenen Erbschaftsteuerfälle anzuwenden.
Fundstellen
Haufe-Index 1787420 |
BFH/NV 2007, 2012 |
BStBl II 2007, 783 |
BFHE 2008, 248 |
BFHE 217, 248 |
BB 2007, 2054 |
DStRE 2007, 1386 |
DStZ 2007, 686 |
HFR 2007, 1125 |