Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollbeendigung einer Personengesellschaft; Bindungswirkung der Steuerbilanz für die Einheitsbewertung
Leitsatz (NV)
1. Die sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ergebende Prozessführungsbefugnis einer Personengesellschaft endet mit deren Vollbeendigung. Sie geht auch im Falle der Umwandlung der Personengesellschaft nicht auf deren Rechtsnachfolger über, sondern auf diejenigen Gesellschafter, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Bescheid betrifft.
2. Handelt es sich um ein Verfahren, das die gesonderte und einheitliche Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Personengesellschaft betrifft, ist neben den ehemaligen Gesellschaftern auch der Rechtsnachfolger der Personengesellschaft klagebefugt und beiladungsfähig, sofern der Einheitswert für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital im konkreten Fall von Bedeutung ist.
3. Für Feststellungszeitpunkte vom 1. Januar 1993 bis zum 1. Januar 1997 kann ein Streit über den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter nicht im Rahmen der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens, sondern nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern ausgetragen werden. Eine steuerliche Auswirkung bei der Einheitsbewertung begründet auch eine Beschwer durch die insoweit bindende Ertragsteuerfestsetzung.
Normenkette
AO 1977 § 350; BewG §§ 95, 103, 109 Abs. 1, § 109a; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 12 Abs. 3 Nr. 3a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. An der im Klageverfahren zunächst als Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aufgetretenen GmbH & Co. KG (KG) waren neben der Komplementär-GmbH zwei natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung überließ die KG die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Fabrikationsbetriebs an eine Betriebs-GmbH.
Seit dem Jahr 1992 waren die beiden Kommanditisten der KG sowie deren Ehegatten zu je 25 % am Stammkapital der M-GmbH beteiligt. In der Folgezeit übertrug die Betriebs-GmbH einen Teil ihrer Produktion auf die M-GmbH, gewährte ihr Darlehen und verbürgte sich für Bankverbindlichkeiten der M-GmbH. Die KG verleaste an die M-GmbH Produktionsmaschinen.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die den Kommanditisten zuzurechnenden Anteile an der M-GmbH seien als deren Sonderbetriebsvermögen bei der KG anzusehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich dieser Auffassung an und erfasste den Wert der Anteile im angefochtenen Bescheid über die Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1996.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1372 veröffentlicht ist, vertrat die Auffassung, die Eigenschaft der Anteile an der M-GmbH als Sonderbetriebsvermögen ergebe sich aus der Gesamtheit der Beziehungen zwischen der KG und der Betriebs-GmbH einerseits und der M-GmbH andererseits.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens ist die KG in eine GmbH umgewandelt worden. Das FG, dem dies bekannt war, lud die früheren Kommanditisten zum Verfahren bei und erließ sein Urteil gegen die GmbH "als Rechtsnachfolgerin der" KG.
Mit ihrer Revision bringt die GmbH vor, die Kommanditisten seien nicht in der Lage gewesen, über ihre Beteiligung an der M-GmbH wesentlichen Einfluss auf die KG auszuüben.
Die GmbH beantragt,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1996 dahin gehend zu ändern, dass die Anteile an der M-GmbH außer Ansatz bleiben.
Das FA hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, ist der Revision aber entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das Urteil des FG ist schon deshalb aufzuheben, weil es gegen eine nicht prozessführungsbefugte Person ergangen ist.
a) Das FG hat verkannt, dass die sich in Klageverfahren wegen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ergebende Prozessführungsbefugnis der Personengesellschaft mit deren Vollbeendigung endet und insbesondere nicht auf einen Rechtsnachfolger übergeht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 1.). Vielmehr gehen in Fällen der Vollbeendigung während eines anhängigen Klageverfahrens sowohl die Beteiligtenstellung als auch die Prozessführungsbefugnis von der Personengesellschaft auf diejenigen Gesellschafter über, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Bescheid betrifft (BFH-Entscheidungen vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426, und vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074, unter II.2.a aa).
b) Vorliegend ist die KG während des Klageverfahrens durch die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401, unter I.1.) vollbeendigt worden. Damit sind kraft Gesetzes die früheren Gesellschafter der KG auf Klägerseite in das Verfahren eingetreten. Zu einer Unterbrechung des Verfahrens entsprechend § 239 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist es nicht gekommen, weil die KG durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten worden ist (§ 246 ZPO; vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401, unter I.2.).
Zwar ist es in Fällen der Anfechtung von Bescheiden über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens --anders als bei Gewinnfeststellungsbescheiden-- denkbar, zusätzlich zu den ehemaligen Gesellschaftern auch die Kapitalgesellschaft als Rechtsnachfolgerin der vollbeendeten Personengesellschaft als klagebefugt und beiladungsfähig anzusehen. Denn im Hinblick auf die Bindungswirkung des Einheitswertbescheids für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital hat auch die Rechtsnachfolgerin ein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens über die Einheitswertfeststellung (BFH-Urteile vom 30. Juli 1986 II R 68/86, BFH/NV 1987, 655, und vom 27. April 1988 II R 201/84, BFHE 153, 208, BStBl II 1988, 681). Daran fehlt es jedoch, wenn im konkreten Fall jede Auswirkung des Verfahrens über die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf die Gewerbesteuer der vollbeendeten Personengesellschaft ausgeschlossen ist. So liegt es hier, da im Streitfall für den Erhebungszeitraum 1996 kein Messbetrag nach dem Gewerbekapital festgesetzt worden ist und im Übrigen eine Erfassung der Anteile an der M-GmbH im Einheitswert des Betriebsvermögens der KG gewerbesteuerrechtlich durch die Kürzung nach § 12 Abs. 3 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes in der bis 1997 geltenden Fassung in vollem Umfang rückgängig zu machen wäre.
c) Grundsätzlich geht die Beteiligtenstellung nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft auf sämtliche ehemaligen Gesellschafter über. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft aber allein den Umfang des Sonderbetriebsvermögens der beiden ehemaligen Kommanditisten. Die frühere Komplementär-GmbH --zu deren Fortbestand sich ohnehin weder dem angefochtenen Urteil noch den Akten etwas entnehmen lässt-- ist damit nicht in die Beteiligtenstellung eingerückt.
d) Da das FG sein Urteil gegen eine nicht am Verfahren beteiligte Person gerichtet hat und das Urteil von dieser Person angefochten worden ist, ist es schon aus diesem Grunde aufzuheben. Anders als in Fällen, in denen das erstinstanzliche Urteil gegen die vollbeendete Personengesellschaft selbst ergangen ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, unter I.1., und in BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401, unter I.), ist eine bloße Rubrumsberichtigung hier nicht möglich.
2. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Streitfrage der Erfassung der Anteile an der M-GmbH im Einheitswert des Betriebsvermögens der KG weist der Senat darauf hin, dass es insoweit allein auf die --vom FG nicht festgestellte-- Behandlung der Anteile in der Steuerbilanz der KG, zu denen auch die Sonderbilanzen ihrer Gesellschafter gehören, ankommt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Streit über den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern ausgetragen werden. Denn im Hinblick auf die materiell-rechtliche (§ 95 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 109 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--) und verfahrensrechtliche (§ 109a BewG) Anknüpfung der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an die Steuerbilanzwerte sind die ertragsteuerrechtlichen Bilanzansätze --von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen-- dem Grunde und der Höhe nach ohne weiteres für die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu übernehmen (BFH-Entscheidungen vom 25. Januar 2005 II B 170/03, BFHE 208, 418, BStBl II 2005, 429, und vom 10. März 2005 II R 69/03, BFH/NV 2005, 1499).
Einer Klärung dieser Fragen in einem Verfahren auf dem Gebiet der Ertragsteuern stünde nicht entgegen, dass die bloße Aktivierung der Anteile an der M-GmbH bis zur Vornahme von Gewinnausschüttungen oder der Realisierung von Wertveränderungen noch nicht zu einer Gewinnauswirkung führt. Denn die für ein Einspruchs- und Klageverfahren erforderliche Beschwer (§ 350 der Abgabenordnung --AO 1977--, § 40 Abs. 2 FGO) ist schon im Hinblick auf die Bindungswirkung der Steuerbilanzansätze für die Vermögensaufstellung gegeben (vgl. --zur Beschwer bei der Zugrundelegung einer unzutreffenden Einkunftsart ohne Auswirkung auf die Höhe der Einkünfte des laufenden Veranlagungszeitraums-- auch BFH-Urteil vom 15. April 2004 IV R 54/02, BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868, unter I.).
Fundstellen