Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug für Nießbraucher im Erbfall
Leitsatz (NV)
1. Bleibt bei Schenkung eines Mietwohngrundstücks an die Enkel unter Nießbrauchsbestellung für deren Eltern vereinbarungsgemäß der Schenker Schuldner der für die Gebäudeherstellung aufgenommenen Darlehen, so scheiden diese Verbindlichkeiten aus dem Bereich der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung aus. Das gilt auch dann, wenn die zur Sicherung der Verbindlichkeiten an dem Mietwohngrundstück bestellten Grundpfandrechte bestehen bleiben.
2. Werden die Nießbraucher nach dem Tod des Schenkers im Erbwege Schuldner dieser Verbindlichkeiten, reicht dies nicht aus, um den Werbungskostenabzug der Schuldzinsen bei ihren Vermietungseinkünften zu rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1; BGB § 1047
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) bezogen in den Streitjahren 1976 und 1977 als Nießbrauchsberechtigte Einnahmen aus der Vermietung eines ihren Töchtern gehörenden, mit einem Mietwohnhaus bebauten Grundstücks. Dieses hatte der Vater der Klägerinnen (V) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. März 1972 auf seine Enkeltöchter A und B als Bruchteilseigentümer zu je 1/2 übertragen. Die Vertragsparteien hatten dabei vereinbart, daß V weiterhin alleiniger Schuldner der durch eine Grundschuld von 400 000 DM zugunsten der C-Bank und eine Hypothek von 273 000 DM zugunsten der D-Anstalt auf dem Grundstück gesicherten Darlehensschulden bleibt, die V zur Finanzierung der Gebäudeherstellung eingegangen war. In dem Übergabevertrag räumten die Töchter der Klägerinnen diesen das lebenslängliche unentgeltliche Nießbrauchsrecht an ihrem jeweiligen Bruchteilseigentum ein.
V starb 1975. Erben seines sonstigen Vermögens einschließlich der Verbindlichkeiten waren kraft letztwilliger Verfügung vom 1. Januar 1963 die Klägerinnen zu gleichen Teilen.
In ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1976 und 1977 machten die Klägerinnen Zins- und Gebührenzahlungen von 27 601,27 DM (1976) und 30 601,92 DM (1977) als Werbungskosten geltend . Diese Aufwendungen hatten sie außer für das Darlehen der C-Bank und der D-Anstalt für ein Darlehen der Bausparkasse E geleistet, das V ebenfalls für die Errichtung des Mietwohnhauses aufgenommen hatte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre fest, ohne die geltend gemachten Zinsen und Gebühren zu berücksichtigen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, die Klägerinnen hätten bei der für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise mit dem Nießbrauch auch die schuldrechtlichen Verbindlichkeiten übernommen, die V zur Errichtung des Mietwohnhauses eingegangen sei. Die Übernahme dieser Verbindlichkeiten stehe in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Nießbrauchs. Nach § 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) habe der Nießbraucher diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Im für die steuerliche Beurteilung maßgebenden Innenverhältnis hätten die Klägerinnen die Darlehensverbindlichkeiten und deren Verzinsung übernommen. Auf Grund der letztwilligen Verfügung des V vom 1. Januar 1963 habe bei Abschluß des Übertragsvertrages festgestanden, daß die mit dem Grundstück in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten im Verhältnis der übertragenen Nießbrauchsrechte auf die Klägerinnen übergehen.
Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt. Mit der Aufgabe des Eigentums unter ausdrücklicher Zurückbehaltung der Schuldverpflichtungen durch V hätten die Schulden ihre ursprüngliche Objektbezogenheit endgültig verloren und seien in den privaten, nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Bereich übergegangen. Durch den Übergang der Schuldverpflichtungen auf die Klägerinnen als testamentarische Miterben sei kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Grundstück oder dem Nießbrauchsrecht hergestellt worden.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG verletzt. Zutreffend ist das FG mit den Beteiligten zwar davon ausgegangen, daß die Klägerinnen als Nießbrauchsberechtigte durch die Vermietung des ihren Töchtern gehörenden Mietwohnhauses den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllen; denn ihre Nießbrauchsrechte wurden bürgerlich-rechtlich wirksam bestellt und von ihnen auch tatsächlich durchgeführt. Zu Unrecht hat das FG jedoch die von den Klägerinnen gezahlten Zinsen und Gebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Einen solchen wirtschaftlichen Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat die Rechtsprechung immer dann bejaht, wenn der Zweck der Schuldaufnahme darin besteht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen und wenn die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet werden (vgl. Senatsurteile vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161; vom 24. Januar 1989 IX R 111/84, BFHE 156, 131, BStBl II 1989, 706, und vom 21. November 1989 IX R 10/84, von dem ein retuschierter Abdruck beigefügt ist, jeweils mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Obgleich der Vater der Klägerinnen die Darlehensvaluta unstreitig für die Herstellung des von den Klägerinnen vermieteten Mietwohnhauses verwendet hat, sind die von den Klägerinnen für die Darlehen gezahlten Zinsen und zu den Schuldzinsen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zu rechnenden Gebühren nicht durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlaßt. V hat den für den Abzug als Werbungskosten erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schudzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung dadurch gelöst, daß er trotz der Übertragung des Grundstücks auf die Töchter der Klägerinnen vereinbarungsgemäß weiterhin alleiniger Schuldner der Dalehensverbindlichkeiten geblieben ist. Da V nicht mehr Eigentümer des Grundstücks war und sich kein Nutzungsrecht daran vorbehalten hatte, fiel der Zweck der Schuldverpflichtung, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, weg. Die Verbindlichkeiten schieden aus dem Bereich der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung aus und wurden Teil des nicht der Einkünfteerzielung dienenden privaten Vermögens des V. Allein mit diesem privaten Vermögensbereich hingen die von V für die Darlehen entrichteten Zinsen zusammen. Sie waren bei ihm trotz der ursprünglichen Verknüpfung mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht als nachträgliche Werbungskosten berücksichtigungsfähig (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373). Daß bei der Übertragung die zur Sicherung der Verbindlichkeiten am Grundstück bestellten Grundpfandrechte bestehen blieben, begründete einen bloß rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstück und den Schuldzinsen, der einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist (vgl. Urteil in BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161, m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des FG und der Klägerinnen kann nicht davon ausgegangen werden, daß - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - die Klägerinnen die Darlehensverbindlichkeiten bereits bei Bestellung der Nießbrauchsrechte durch die Enkelkinder des V übernommen hätten. Daß aufgrund des Testaments des V aus dem Jahre 1963 bei der Nießbrauchsbestellung im Jahre 1972 der spätere Übergang der Darlehensverbindlichkeiten auf die Klägerinnen vorgesehen war, vermochte wegen des Rückbehalts der Verbindlichkeiten durch V nicht zu verhindern, daß der wirtschaftliche Zusammenhang gelöst wurde. Ebensowenig waren die Klägerinnen ab Nießbrauchsbestellung bürgerlich-rechtlich verpflichtet, die Darlehenszinsen zu tragen. Die Verpflichtung des Nießbrauchers gemäß § 1047 BGB, diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden, besteht nur gegenüber dem Eigentümer. Die Töchter der Klägerinnen als Eigentümerinnen hatten jedoch keine entsprechenden Lasten zu tragen.
Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Schuldzinsen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist - entgegen der Auffassung der Klägerinnen - nicht dadurch wieder hergestellt worden, daß die Klägerinnen durch den Tod des V Schuldnerinnen der Verbindlichkeiten geworden sind. Ihre Schuldnerschaft beruhte auf dem Erbfall, nicht auf einem Ereignis, das mit den Einkünften der Klägerinnen aus Vermietung und Verpachtung in Verbindung stand. Die Darlehensverbindlichkeiten waren Nachlaßverbindlichkeiten, die beim Erblasser nicht mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zusammenhingen. Als solche haben die Klägerinnen sie als Gesamtnachfolgerinnen übernommen. Eine Umwandlung dieser Schulden in nunmehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienende Verbindlichkeiten, kommt im Bereich der Überschußeinkünfte nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1989 IX R 10/84).
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Da das FA zu Recht den Abzug der Zinsen und Gebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerinnen versagt hat, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416911 |
BFH/NV 1990, 560 |