Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Revisionsbegründung; Festsetzungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Zur Auslegung einer Revisionsbegründungsschrift.
2. Ablaufhemmende Wirkung nach § 171 Abs. 5 AO 1977 können nur Ermittlungen der Zollfahndungsämter haben, die bei dem Schuldner der Steueransprüche durchgeführt werden, deren Festsetzungsfrist gehemmt werden soll.
3. § 169 Abs. 2 Satz 2 (zehnjährige Festsetzungsfrist) setzt nicht voraus, daß der Steuerschuldner selbst oder sein Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe für ihn die Steuerhinterziehung begangen haben. Erst recht ist es daher für die Anwendung dieser Vorschrift ohne Bedeutung, wenn der Steuerschuldner oder sein Erfüllungsgehilfe an der Steuerhinterziehung zwar beteiligt waren, aber nicht als Täter, sondern nur als Teilnehmer.
4. Der Exkulpationsbeweis des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 ist auf den Fall beschränkt, daß Täter der Steuerhinterziehung eine andere Person ist als der Steuerpflichtige oder sein Erfüllungsgehilfe. Eine Exkulpation ist also nicht möglich, wenn die Steuerhinterziehung von einer Person begangen worden ist; deren sich der Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 1; AO 1977 § 169 Abs. 2 Sätze 2-3, § 171 Abs. 5
Tatbestand
Der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war mit Erlaubnisschein ein (mehrgleisiger) Verteilerverkehr u. a. mit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) ermäßigt versteuertem Gasöl (Heizöl) bewilligt worden. Im Rahmen dieses Verteilerverkehrs wurden der Klägerin 1980/1981 als Mineralölempfangslager (auswärtige Lagerstätte) mehrere Tanks bei der Gesellschaft G zugelassen. G war u. a. Lagerhalterin für verschiedene Einlagerer und nach § 13 der Verordnung zur Durchführung der Heizölkennzeichnung (HeizölkennzV) als Dienstleistungsbetrieb zur Kennzeichnung von Heizöl für die Klägerin zugelassen. Das Gasöl der Klägerin, das zur Verwendung als Heizöl bestimmt war, sollte hier mit Hilfe einer nach § 3 HeizölkennzV zugelassenen Anlage gekennzeichnet werden. Diese Anlage fiel jedoch häufig aus, so daß das Gasöl zeitweise von Hand gefärbt werden mußte. Nach Feststellungen der Zollfahndung sind 1981 mindestens . . . 1 Gasöl nach Bestechung der mit der Kennzeichnung beauftragten Bediensteten der G ungefärbt aus dem Mineralölempfangslager der Klägerin abgegeben und später als Dieselkraftstoff verkauft worden. Mit Steuerbescheid . . . forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) von der Klägerin unter Berufung auf § 8 Abs. 2 MinöStG und § 23 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 7 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) a. F. . . . DM Mineralölsteuer mit dem Hinweis, für hinterzogene Steuern betrage die Festsetzungsfrist zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob den Steuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos auf. Es führte im wesentlichen aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob die dem Steuerbescheid zugrunde liegende Mineralölmenge ungekennzeichnet von der G abgegeben worden sei und aus dem Steuerlager der Klägerin gestammt habe. Jedenfalls sei die geltend gemachte Steuerforderung verjährt. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht nach § 171 Abs. 5 AO 1977 gehemmt gewesen. Danach müßten sich die Ermittlungen der Zollfahndung gegen den betroffenen Steuerpflichtigen selbst richten. Steuerpflichtiger sei aber nur die Klägerin gewesen. Die Ermittlungsmaßnahmen der Zollfahndung . . . hätten sich jedoch gegen die G gerichtet. Gegen die Klägerin persönlich seien Ermittlungen erst . . . durchgeführt worden. Die zehnjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO 1977 finde keine Anwendung. In den Fällen, in denen die Steuerhinterziehung wie im Streitfall durch dritte Personen begangen worden sei, habe der Steuerschuldner nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 die Möglichkeit, sich zu exkulpieren. Die Voraussetzungen, die zu einer Exkulpation führten, lägen im Streitfall vor.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des HZA ließ das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Seine Revision begründet das HZA wie folgt: Das FG habe § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 falsch ausgelegt. Der Verteiler dürfe nach §§ 18 ff. MinÖstDV i. V. m. dem ihm erteilten Erlaubnisschein nur dann Gasöl zur steuerbegünstigten Verwendung abgeben, wenn es teilversteuert und ordnungsgemäß als Heizöl gekennzeichnet sei. Die Pflicht zur ordnungsmäßigen Kennzeichnung sei auch Teil der Pflicht des Verteilers, nur mit teilversteuertem ordnungsgemäß gekennzeichneten leichtem Heizöl zu handeln. In diese steuerliche Pflicht habe die Klägerin die G und deren (bestechliches) Lagerpersonal eingeschaltet und sich insoweit zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten bedient. In einem solchen Fall komme ein Exkulpationsbeweis nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1982 VII R 68/81, BFHE 135, 563, 567). Selbst wenn aber eine Exkulpationsmöglichkeit des Steuerschuldners hinsichtlich des Erfüllungsgehilfen grundsätzlich zu bejahen wäre, könne die Vorentscheidung keinen Bestand haben, da es an einem Nachweis fehle, daß die Klägerin die im Verkehr erforderlichen Maßnahmen beachtet habe.
Die Klägerin macht geltend, die Revision sei unzulässig. Sie sei nicht in der gehörigen Form begründet worden. Die Revisionsbegründungsschrift trage den Briefkopf und das Aktenzeichen der Oberfinanzdirektion (OFD). Die Bevollmächtigte des HZA habe die Revisionsbegründung also nicht in unmittelbarer Vertretung des HZA, sondern in ihrer Funktion als Amtswalter der OFD verfaßt. Das HZA habe aber die OFD nicht bevollmächtigt.
Die Revision sei auch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre nach § 169 Abs. 2 AO 1977 seien nicht erfüllt. Sie, die Klägerin, habe sich zwar der G zur Erfüllung steuerlicher Pflichten bedient. Das Handeln der Mitarbeiter der G sei ihr aber nicht zuzurechnen. Diese hätten keine Steuerhinterziehung begangen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig.
Die Revision ist durch die Regierungsdirektorin A als Prozeßbevollmächtigte des HZA (vgl. § 62 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) eingelegt worden. Das belegt eindeutig der Kopf der Revisionsschrift (,,Regierungsdirektorin A bei der Oberfinanzdirektion X") und die der Schrift beigefügte Prozeßvollmacht des HZA. Auch die Revisionsbegründung ist von Frau A in ihrer Eigenschaft als Prozeßbevollmächtigte und nicht - wie die Klägerin für möglich hält - als Bedienstete der OFD begründet worden. Auch das ergibt sich zweifelsfrei aus der Begründungsschrift, die den gleichen Kopf trägt wie die Revisionsschrift. Demgegenüber fällt der Umstand nicht ins Gewicht, daß es in der Begründungsschrift über der Unterschrift heißt ,,im Auftrag" und die Prozeßbevollmächtigte des HZA erst nach Ablauf der Begründungsfrist gebeten hat, diesen versehentlichen Zusatz zu streichen. Nach den ganzen Umständen, insbesondere der Fassung der Revisionsschrift selbst, unterliegt es keinem Zweifel, daß auch die Revisionsbegründungsschrift von der Prozeßbevollmächtigten des HZA selbst und nicht von der OFD als Behörde stammt.
II. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Entscheidung der Vorinstanz, die geltend gemachte Steuerforderung sei jedenfalls verjährt, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Der Senat teilt zwar die Auffassung des FG, daß keine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 AO 1977 eingetreten ist. Danach läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn Zollfahndungsämter vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen. Das FG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß eine solche ablaufhemmende Wirkung nur Ermittlungen der Zollfahndungsämter haben können, die ,,beim Steuerpflichtigen" durchgeführt werden, d. h. bei dem Schuldner der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, deren Festsetzungsfrist gehemmt werden soll (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 171 AO 1977 Tz. 20). Steuerpflichtiger in diesem Sinn ist im vorliegenden Fall allein die Klägerin. Bei ihr aber hat das Zollfahndungsamt Ermittlungen erst nach Ablauf der normalen Festsetzungsfrist durchgeführt.
Die vor Ablauf dieser Frist begonnenen Ermittlungen des Zollfahndungsamtes bei der G konnten dagegen eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht bewirken. Das gilt trotz des Umstandes, daß die G als Erfüllungsgehilfe der Klägerin tätig geworden ist (vgl. unten Nr. 2). Für eine ausdehnende Auslegung des § 171 Abs. 5 AO 1977 gibt es keine Grundlage. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, daß nur eine Maßnahme zur Ablaufhemmung führen soll, die für den Betroffenen keinen Zweifel läßt, daß sie hinsichtlich des betreffenden Steuerfalls zur Überprüfung, ob die Steuer richtig erhoben wurde, vorgenommen wird (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO 1977 Tz. 20 i. V. m. Tz. 12). Als eine solche Maßnahme konnten im vorliegenden Fall die Ermittlungen bei der G jedenfalls deswegen nicht angesehen werden, weil diese nach den Feststellungen des FG Lagerhalterin für verschiedene Einlagerer war.
2. Der Senat vermag aber der Auffassung des FG nicht zu folgen, die zehnjährige Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 greife nicht ein, weil sich die Klägerin im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 exkulpiert habe. Diese Exkulpationsmöglichkeit steht der Klägerin nicht zu Gebote.
a) Eine Steuerfestsetzung ist nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Der angefochtene Steuerbescheid für Mineralölsteuer ist nach Ablauf der normalen einjährigen Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) ergangen. Die Festsetzungsfrist beträgt aber zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Das FG ist zutreffend im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß es für die Anwendung dieser Vorschrift nur darauf ankommt, ob es sich bei den in der Person des Steuerschuldners entstandenen Steuerschulden um Beträge handelt, die die ,,Eigenschaft des Hinterzogenseins" (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1980 VII R 88/77, BFHE 130, 131, 133) aufweisen; § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 setzt nicht voraus, daß der Steuerschuldner selbst oder sein Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe für ihn die Steuerhinterziehung begangen hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 31. Januar 1989 VII R 77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Senats). Nach dem Sachverhalt, den das FG unterstellt hat, muß also davon ausgegangen werden, daß die von der Klägerin geforderte Mineralölsteuer eine hinterzogene Steuer im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ist.
Die also auch nach Auffassung der Vorinstanz grundsätzlich anwendbare zehnjährige Festsetzungsfrist gilt aber nicht uneingeschränkt. § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 ermöglicht dem Steuerschuldner unter bestimmten Voraussetzungen einen Exkulpationsbeweis, der ihm, falls er ihn führt, die Vorteile der kurzen Festsetzungsverjährung sichert. Dieser Exkulpationsbeweis ist jedoch beschränkt auf den Fall, daß Täter der Steuerhinterziehung eine andere Person ist als der Steuerpflichtige oder sein Erfüllungsgehilfe.
Der erste Satzteil des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 macht deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers der Exkulpationsbeweis ausgeschlossen sein soll, wenn die Steuerhinterziehung ,,durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient". Nur bei der Begehung der Steuerhinterziehung durch eine sonstige Person sollte der Steuerpflichtige die Verlängerung der Festsetzungsfrist durch einen betimmten Exkulpationsbeweis abwenden können (so Senatsurteil in BFHE 135, 563, 567; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, 553, BStBl II 1983, 324, 327; Schwarz/Frotscher, Kommentar zur Abgabenordnung, § 169 Anm. 3 a; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 169 AO 1977 Anm. 5; Höllig in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 169 Anm. 25/1 und 25/2; a. A. offenbar - allerdings ohne weitere Begründung - v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 169 AO 1977 Anm. 45 bis 47; Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO 1977 Anm. 8). Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigen die Materialien. In der BTDrucks 7/4292 wird die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Entwurf der AO 1977 eingefügte Exkulpationsregelung des § 169 Abs. 2 Satz 3 damit begründet, daß die zehnjährige Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung ,,nur dann gelten soll, wenn diese Tat durch den Steuerpflichtigen oder seinen Beauftragten begangen wurde. Hat eine sonstige Person die Tat begangen, so gilt die längere Festsetzungsfrist dann nicht, wenn der Steuerpflichtige . . ." (den Exkulpationsbeweis führt).
b) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Klägerin nur befugt ist, sich im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 zu exkulpieren, wenn die Steuerhinterziehung nicht von einer ihrer Hilfspersonen begangen worden ist. Das FG ist auf diese Frage nicht ausdrücklich eingegangen. Die Begründung der Vorentscheidung mit den Hinweisen auf die besonderen Pflichten des Inhabers eines Kennzeichnungsbetriebes - hier der G - könnten aber dahin verstanden werden, daß nach Auffassung des FG die G oder deren Hilfspersonen keine Personen sind, deren sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten bedient hat. Diese Rechtsauffassung teilt der Senat jedoch nicht.
Der Klägerin ist nach den Feststellungen des FG ein Verteilerverkehr u. a. für Gasöl zur Verwendung als Heizöl bewilligt worden. Sie durfte daher das Gasöl unversteuert, bzw. nur mit der Heizölsteuer belastet, an andere zur steuerbegünstigten Verwendung als Heizöl im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MinöStG abgeben (vgl. auch §§ 18 ff. MinöStDV). Das durfte auch von ihrer vom zuständigen HZA zugelassenen auswärtigen Lagerstätte (Mineralölempfangslager) aus geschehen, die sie von der G gemietet hatte. Sie durfte jedoch nach der Bewilligung in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 2 MinöStG das Gasöl zum Verheizen nur abgeben, wenn es vorher in der vorgeschriebenen Weise gekennzeichnet worden war. Die Klägerin als zugelassener Verteiler hatte also eine entsprechende steuerliche Pflicht. Dieser Pflicht brauchte sie nicht selbst nachzukommen. Sie konnte sich vielmehr zu ihrer Erfüllung auch anderer Personen bedienen, wie sie das durch die Einschaltung der G getan hat.
Die Klägerin bediente sich also grundsätzlich der G zur Erfüllung ihrer eigenen steuerlichen Pflichten. Diese war damit ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die G als Dienstleistungsbetrieb zur Kennzeichnung von Heizöl nach § 13 HeizölkennzV behördlich zugelassen war. Die G hörte mit dieser Zulassung nicht auf, auftragsgemäß auch die steuerlichen Pflichten der Klägerin zur Kennzeichnung in deren Auftrag zu erfüllen. Überdies ist die steuerliche Pflicht der Klägerin, als zugelassener Verteiler zur Verwendung als Heizöl abzugebendes Gasöl zuvor zu kennzeichnen, nicht identisch mit den Pflichten, die die G als Kennzeichnungsbetrieb nach der HeizölkennzV trafen.
War damit die G Erfüllungsgehilfe der Klägerin im genannten Sinn, so waren es auch deren Hilfspersonen. Denn auch dieser bediente sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten (vgl. den Wortlaut des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977). Das ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin bei der Beauftragung der G, einer GmbH, wußte, daß diese nicht in Person, d. h. durch ihre Organe, sondern nur durch ihre Bediensteten die Pflicht zur Kennzeichnung erfüllen würde. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird dadurch bestätigt, daß auch im Zivilrecht Hilfspersonen des Erfüllungsgehilfen selbst Erfüllungsgehilfen des Schuldners sind (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl., § 278 Anm. 3 b).
c) Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß ihr der Exkulpationsbeweis des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 wenigstens in bezug auf Hilfspersonen ihrer Hilfsperson, also in bezug auf die Bediensteten der G, zu Gebote steht. Nach dieser Vorschrift scheidet, wie unter Buchst. a ausgeführt, dieser Exkulpationsbeweis aus, wenn die Steuerhinterziehung eine Hilfsperson begangen hat. Eine analoge Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977, die die Klägerin offenbar bei Hilfspersonen für richtig hält, ist nicht möglich. Es ist gerade Sinn der Beschränkung der Exkulpation auf Fälle, in denen eine sonstige Person die Tat begangen hat, deutlich zu machen, daß sich der Steuerschuldner für die Frage der Dauer der Festsetzungsfrist eine Steuerhinterziehung seiner Hilfspersonen grundsätzlich wie seine eigene Tat zurechnen lassen muß, ohne daß er sich auf mangelndes Verschulden bei deren Auswahl berufen kann. Eine Unterscheidung danach, ob es sich um unmittelbare Hilfspersonen oder um deren Gehilfen handelt, ist also rechtlich nicht möglich.
d) Das FG ist demnach zu Unrecht ohne weiteres davon ausgegangen, der Klägerin stehe der Exkulpationsbeweis des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 zur Verfügung, ohne zu prüfen, ob die Bediensteten der G als Personen, deren sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten bediente, eine Steuerhinterziehung begangen haben. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Es hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die gesamte dem Steuerbescheid zugrunde liegende Mineralölmenge ungekennzeichnet von der G abgegeben worden ist und aus dem Steuerlager der Klägerin stammte. Auch zu den Handlungen der Bediensteten der G hat das FG keine Feststellungen getroffen, sondern insoweit sich nur auf die Feststellungen des Zollfahndungsamtes bezogen, ohne sich diese zu eigen zu machen. Auch der Bezugnahme auf das Strafurteil des Landgerichts (LG) kann nicht entnommen werden, daß das FG diese Feststellungen sich zu eigen machen wollte. Das Urteil des LG . . ., durch das die mit der Kennzeichnung beauftragten Bediensteten der G, Y und Z, wegen fortgesetzter Beihilfe zur fortgesetzten Mineralölsteuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, ist in der Vorentscheidung nicht erwähnt. Der Senat kann daher in der Sache nicht selbst entscheiden. Sie muß vielmehr an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 FGO).
4. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das FG folgendes zu beachten haben:
§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 setzt, wie unter 1 a ausgeführt, nicht voraus, daß der Steuerschuldner oder sein Erfüllungsgehilfe die Steuerhinterziehung selbst begangen hat. Erst recht ist es daher für die Anwendung der Vorschrift ohne Bedeutung, wenn die genannten Personen an der Steuerhinterziehung zwar beteiligt waren, aber nicht als Täter, sondern als Teilnehmer. Aus Satz 3 des § 169 Abs. 2 AO 1977 ergibt sich schon deswegen nichts anderes, weil hier nur die Frage der Voraussetzungen für den Exkulpationsbeweis geregelt ist. Die letztgenannte Vorschrift kann auch nicht - wie die Klägerin offenbar meint - wegen der Worte ,,begangen worden ist" dahin ausgelegt werden, daß der Exkulpationsbeweis jedenfalls dann zulässig sein soll, wenn ein Erfüllungsgehilfe nicht Täter, sondern nur Teilnehmer war. Es fehlt jeder plausible Grund für eine solche Ausdehnung der Exkulpationsmöglichkeit. Es ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Worte ,,begangen worden ist" nicht im engen Sinn des Strafrechts gebraucht wissen wollte. Dafür spricht auch, daß diese Regelung erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden ist und jeder Hinweis in den Materialien darauf fehlt, daß der Gesetzgeber etwa durch die Wahl des Begriffs ,,begangen" dem Steuerschuldner für den an der Steuerhinterziehung nur teilnehmenden Erfüllungsgehilfen den Exkulpationsbeweis zugestehen wollte.
Fundstellen