Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung bei zusammenveranlagten Ehegatten; Prozeßkosten und Schuldzinsen wegen Gleichstellungsgeldern bei vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehaltsnießbrauch
Leitsatz (NV)
1. Zusammenveranlagte Ehegatten, die Klage erheben, sind einfache Streitgenossen. Bei ihrer Revision gegen ein FG-Urteil handelt es sich um zwei Rechtsmittel.
2. Hat das FG die Klage eines Streitgenossen (A) als unbegründet, die des anderen (B) als unzulässig abgewiesen und wird mit der Revision nur die Verletzung materiellen Rechts gerügt, so ist die Revision des Streitgenossen B mangels hinreichender Begründung unzulässig.
3. Die Übertragung eines Mietwohngrundstücks an die Tochter unter Nießbrauchsvorbehalt für den Vater sowie der Verpflichtung für die Tochter zu Wertausgleichszahlungen an die Geschwister bildet bürgerlich-rechtlich und einkommensteuerlich eine Schenkung unter Auflage. Die Absetzungen für Abnutzung bemessen sich daher nach den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Rechtsvorgängers.
4. Prozeßkosten des Übernehmers wegen der Höhe der Ausgleichszahlungen an die Geschwister sind weder Anschaffungskosten des Grundstücks noch sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
5. Wegen verspäteter Zahlung der Gleichstellungsgelder geleistete Verzugszinsen sowie Prozeßzinsen sind als Werbungskosten abziehbar, soweit der Schuldner aus dem übernommenen Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Ist der an dem Grundstück zugunsten des Überlassenden bestellte Vorbehaltsnießbrauch mangels tatsächlicher Ausübung nicht anzuerkennen, bleibt es beim vollen Schuldzinsenabzug als Werbungskosten, jedoch können die Mieteinnahmen nicht um Zahlungen an den Nießbrauchsberechtigten gemindert werden.
Normenkette
FGO §§ 59, 120 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; ZPO § 61; EStG §§ 21, 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 1, 7, § 7 Abs. 4, § 12; EStDV § 11d; BGB §§ 516, 525
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin erhielt durch Schenkungsvertrag 1968 von ihrem Vater gegen Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrechte und gegen Übernahme von im Grundbuch eingetragenen Belastungen einschließlich der zugrunde liegenden Verbindlichkeiten zwei mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücke übertragen. Der Vater der Klägerin behielt sich an den Grundstücken den Nießbrauch mit der Maßgabe vor, daß der Nießbrauch zunächst ihm selbst und nach seinem Tode seiner Witwe bis zu deren Ableben zustehen soll. In dem Vertrag wurden auch zwei Schwestern der Klägerin mit bebauten Grundstücken bedacht. In § 6 des Vertrages ist vorgesehen, daß die Geschwister die Wertunterschiede der Grundstücke zueinander auszugleichen haben. Die Klägerin führte hinsichtlich der von ihr zu zahlenden Ausgleichsbeträge (Gleichstellungsgelder) Prozesse, die vor dem Oberlandesgericht (OLG) mit Vergleichen endeten. Danach zahlte die Klägerin an ihre Schwestern 60 000 DM sowie im Streitjahr 1974 Zinsen in Höhe von 1 800 DM. Für die Prozesse entstanden der Klägerin in den Jahren 1972 bis 1975 Prozeßkosten in Höhe von 18 782 DM.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre behandelten die Kläger die an die Schwestern der Klägerin gezahlten Beträge bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Anschaffungskosten der Häuser.
Die Prozeßkosten machten sie als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Behandlung nicht. Die Einsprüche der Kläger wies das FA mit einer nur gegen den Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der die Kläger begehrten, die Gleichstellungsgelder und die übernommenen Grundstücksbelastungen als Anschaffungskosten der Grundstücke sowie die Zinsen und Prozeßkosten als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln, abgewiesen. Das FG führt im wesentlichen aus: Die Klage der Klägerin sei unzulässig, weil insoweit das Vorverfahren nicht abgeschlossen worden sei. Die Klage des Klägers sei unbegründet; denn die beiden Grundstücke seien der Klägerin unentgeltlich übertragen worden. Es handle sich bei der Übertragung der Grundstücke um eine Schenkung unter Auflage. Die Ausgleichszahlungen und die Übernahme der Grundstücksbelastungen seien nicht die Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke. Die Prozeßkosten und Zinsen seien demgemäß nicht als Werbungskosten abziehbar. Ob eine Schenkung unter Auflage auch dann vorliege, wenn der Wert der durch die Auflage begründeten Verpflichtungen des Beschenkten den Wert dessen, was ihm verbleibe, übersteige, brauche der Senat nicht zu entscheiden.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, die Ansicht des FG, die Übertragung der Hausgründstücke auf die Klägerin sei eine reine Schenkung (Schenkung unter Auflage), weil die der Klägerin obliegenden Verpflichtungen unter dem Verkehrswert der Hausgrundstücke lägen, verstoße gegen die Denkgesetze. Eine gemischte Schenkung setze nicht die Übernahme von Verpflichtungen in Höhe des Verkehrswerts des Schenkungsobjekts voraus, sondern nur einen Teil davon. Der Verkehrswert der Häuser habe zur Zeit der Übertragung 400 000 DM, die übernommenen Verpflichtungen zunächst 194 507 DM und später 159 412,39 DM betragen. Die Höhe dieser Schuldübernahme mache die Übertragung der Hausgrundstücke zu einer gemischten Schenkung mit der Folge, daß in Höhe der Schuldübernahme Anschaffungskosten entstanden seien. Wenn Anschaffungskosten vorlägen, dann seien auch die Prozeßkosten als Werbungskosten zu behandeln.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision der Klägerin ist unzulässig.
Die Klägerin hat ihre Revision nicht ordnungsgemäß begründet. Bei der von den Klägern als einfachen Streitgenossen (§ 59 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 59 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Mai 1976 VII B 79/74, BFHE 119, 14, BStBl II 1976, 574) eingelegten Revision handelt es sich um zwei Rechtsmittel, bei denen die Verfahrenshandlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen (§ 59 FGO i. V. m. § 61 ZPO). Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision . . . zu begründen. Revision oder Revisionsbegründung müssen nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Der Revisionskläger muß demgemäß darlegen, weshalb er dem angefochtenen Urteil nicht zustimmen kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1977 I R 134/76, BFHE 121, 19, BStBl II 1977, 217). Da die Klage der Klägerin als unzulässig abgewiesen worden ist, hätte es insoweit einer Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung bedurft. Die Revisionsbegründung enthält hierzu jedoch keine Ausführungen.
2. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie die Streitjahre 1972 und 1973 betrifft. Sie führt hinsichtlich des Streitjahres 1974 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Die Klage des Klägers hat das FG zu Recht insoweit als unbegründet abgewiesen, als er höhere Absetzungen für Abnutzung (AfA) und den Abzug der Prozeßkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin begehrt. Zu Unrecht hat es jedoch die im Streitjahr 1974 gezahlten Zinsen dem Grunde nach nicht als Werbungskosten anerkannt.
a) Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 26. November 1985 IX R 64/82 (BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161), auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, ausgeführt hat, ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Frage, ob es sich um ein entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft handelt, an die bürgerlich-rechtliche Beurteilung der Schenkung anzuknüpfen. Bürgerlich-rechtlich ist die Schenkung eines Grundstücks mit der Nebenbestimmung, daß der Beschenkte die Grundstücksbelastungen übernimmt, eine voll unentgeltliche Schenkung unter Auflage (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 7. März 1905 Rep. VII. 366/04, RGZ 60, 238). Ebensowenig stellen der Vorbehalt des Nießbrauchs und Zahlungen zur vermögensmäßigen Gleichstellung der Geschwister eine Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke dar (vgl. Urteil des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone - OGHBrZ - vom 18. November 1948 II ZS 16/48, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1949, 260, und Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1970 V ZR 41/67, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1970, 185, und BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Die dieser bürgerlich-rechtlichen Beurteilung entsprechende Würdigung der Vereinbarungen im Vertrag vom 15. August 1968 durch das FG als eine Schenkung unter Auflage und damit als voll unentgeltlichen Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin ist danach frei von Rechtsirrtum. Sie läßt insbesondere keinen Verstoß gegen Denkgesetze erkennen. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG, die der Kläger in seiner Revisionsbegründung bestätigt hat, überstieg der Verkehrswert der der Klägerin übertragenen Grundstücke die von ihr eingegangenen Verpflichtungen, so daß die Grundlage des Geschäfts als Schenkung erhalten blieb.
Da die Klägerin die Grundstücke unentgeltlich erworben hat, bemessen sich die AfA gemäß § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nach den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ihres Rechtsvorgängers.
b) Die Kosten der Prozesse um die Höhe der Gleichstellungsgelder sind nicht als Werbungskosten abziehbar. Prozeßkosten sind als Werbungskosten abziehbar, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart dergestalt zusammenhängt, daß er durch sie verursacht oder veranlaßt ist. Gegenstand der Prozesse war eine Vermögensstreitigkeit. Da die Gleichstellungsgelder nicht Anschaffungskosten der Grundstücke bilden, besteht zwischen den Prozessen um ihre Höhe und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung kein ausreichender Zusammenhang.
c) Die Vorentscheidung gegenüber dem Kläger ist - soweit sie den Veranlagungszeitraum 1974 betrifft - aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die im Streitjahr 1974 an die Schwestern gezahlten Zinsen dem Grunde nach nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt hat. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Verzugs- oder Prozeßzinsen, als welche sich die von der Klägerin gezahlten Zinsen darstellen, sind Schuldzinsen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Urteil des BFH vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601). Maßgeblich für die Beurteilung des wirtschaftlichen Zusammenhangs i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG ist der Zweck der Schuldaufnahme. Dieser muß allein oder ganz überwiegend darin bestehen, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23. April 1985 IX R 39/81 (BFHE 144, 362, BStBl II 1985, 720), auf die er Bezug nimmt, für den Fall der Kreditaufnahme zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern ausgeführt hat, ist diese zwar durch die der Vermögenssphäre zuzurechnende vorweggenommene Erbfolgeregelung ausgelöst und wäre ohne diese nicht erforderlich gewesen. Sie ist aber durch die Erlangung des Grundstücks ersichtlich und unmittelbar darauf gerichtet, die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu ermöglichen, und steht damit - final betrachtet - in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit künftigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dies gilt auch für den Streitfall, in dem die Klägerin keinen Kredit aufgenommen hat, sondern die Überlassung des Kapitals zur Finanzierung der Gleichstellungsgelder von ihren Schwestern unfreiwillig erfolgte. Auch Verzugs- oder Prozeßzinsen können als Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Finanzierung von Aufwendungen Werbungskosten sein, die die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ermöglichen.
d) Die Sache ist nicht spruchreif. Nach dem Schenkungsvertrag hat sich der Vater der Klägerin einen Nießbrauch an den übertragenen Grundstücken vorbehalten, der nach seinem Tode seiner Witwe zustehen soll, für welche die Ausübung des Nießbrauchs jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang der Nießbrauch tatsächlich ausgeübt worden ist. Da die Klägerin Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur in dem Umfang abziehen kann, in dem sie - nicht der Nießbrauchsberechtigte - den Tatbestand dieser Einkunftsart erfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 13. Mai 1980 VIII R 128 /78, BFHE 131, 216, BStBl II 1981, 299; vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, 386, BStBl II 1986, 327, 332, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen), wird die Sache an das FG zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen zurückverwiesen. Sollte das FG bei der erneuten Entscheidung zu der Auffassung gelangen, daß der Nießbrauch einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, so sind zwar die Schuldzinsen in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar, die Mieteinnahmen können jedoch nicht um Zahlungen an den Nießbrauchsberechtigten gemindert werden.
Fundstellen