Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Rechtsbehelfsbegehrens; Bewertung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens im Rahmen des § 17 EStG
Leitsatz (NV)
- Zur Auslegung des Rechtsbehelfsbegehrens, wenn dem Prozessbevollmächtigen des Klägers bei der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes ein offensichtlicher Rechtsirrtum unterlaufen ist.
- Beim Ausfall eines kapitalersetzenden, in der Krise "stehen gelassenen" Darlehens des wesentlich beteiligten Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der entsprechende Darlehensverlust i.H. des Nennwerts des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist. Der Wert der Darlehensforderung ist vielmehr im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit zu schätzen.
Normenkette
FGO § 46 Abs. 1; BGB § 133; EStG § 17 Abs. 1-2, 4
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1998, 1257) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger und zwei Mitgesellschafter (V und L) gründeten am 1. März 1989 die S-GmbH (GmbH), die den Handel mit X-Artikeln betrieb. Der Kläger übernahm eine Stammeinlage von 20 000 DM (= 1/3 des gesamten Stammkapitals der GmbH in Höhe von 60 000 DM). Am 31. August 1989 veräußerte der Mitgesellschafter L seinen Geschäftsanteil in Höhe von 20 000 DM je zur Hälfte an V und den Kläger, so dass Letzterer nunmehr mit 30 000 DM (= 50 %) am Stammkapital der GmbH beteiligt war. 1989 erwirtschaftete die GmbH einen Jahresfehlbetrag von 26 518 DM. Der Kläger gewährte der GmbH noch im Laufe des Jahres 1989 Darlehen, die bis zum 31. Dezember 1989 den Betrag von 25 000 DM erreichten. Das Jahr 1990 schloss die GmbH wider Erwarten der Gesellschafter erneut mit einem negativen Ergebnis ab (Jahresfehlbetrag: 41 619 DM). Zum 31. Dezember 1990 war die GmbH bereits bilanziell überschuldet (Stammkapital 60 000 DM ./. Verlustvortrag 26 518 DM ./. Jahresfehlbetrag 1990 41 619 DM = ./. 8 137 DM).
Der Kläger gewährte der GmbH im Laufe des Jahres 1990 weitere Darlehen. Zum 31. Dezember 1990 beliefen sich seine Darlehensforderungen gegen die GmbH auf 48 875 DM. 1991 erzielte die GmbH einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 21 680 DM. Zum 31. Dezember 1991 standen dem Stammkapital von 60 000 DM ein Verlustvortrag von 68 136 DM und ein Jahresfehlbetrag von 21 680 DM gegenüber. Im "Lagebericht" zum Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1991 heisst es: "Trotz des verbesserten Umsatzes war bedingt durch den geringeren Rohertrag bei einer Kosteneinsparung kein positives Ergebnis zu erzielen. Sollte sich für das Folgejahr keine Verbesserung abzeichnen, wird in 1992 der Geschäftsbetrieb eingestellt."
Am 30. Dezember 1991 erklärte der Kläger in Bezug auf seine Darlehensforderungen gegen die GmbH den Rangrücktritt gegenüber allen übrigen Gläubigern der GmbH. Zum 30. April 1992 stellte die GmbH ihren Betrieb ein, nachdem sie in den ersten vier Monaten des Jahres 1992 wiederum einen Verlust (Höhe: 75 691 DM) erlitten hatte. Der Kläger zahlte "wegen Geschäftsauflösung" nochmals 26 000 DM in die GmbH ein.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1992 erklärten die Kläger einen Verlust des Ehemannes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in folgender Höhe:
Eingezahlte Stammeinlage |
30 000 DM |
+ kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen |
66 175 DM |
Summe |
96 175 DM |
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte im Einkommensteuerbescheid 1992 den erklärten Verlust bis auf den bereits 1989 gewährten Darlehensbetrag von 25 000 DM an und setzte die Einkommensteuer 1992 auf null DM fest. Den sich danach laut Einkommensteuerbescheid 1992 ergebenden negativen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 14 742 DM trug das FA gemäß § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. in das Streitjahr 1990 zurück und erließ am 19. April 1994 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1990. Danach ergab sich für 1990 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 71 533 DM.
Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, ebenfalls vom 19. April 1994, stellte das FA fest, dass zum 31. Dezember 1992 keine gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG a.F. durchzuführen sei, da kein verbleibender Verlustabzug mehr bestehe. Den von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger, Steuerberater J, gegen diesen Feststellungsbescheid erhobenen Einspruch, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, dass der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1990 geltend gemachte Verlust i.S. von § 17 EStG zu Unrecht um einen Betrag von 25 000 DM gekürzt worden sei, wies das FA als unbegründet zurück. Mit der dagegen erhobenen Klage beantragten die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten, "den angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid in der Weise zu ändern, dass der ―rücktragsfähige― negative Gesamtbetrag der Einkünfte laut Einkommensteuerbescheid 1992 vom 18. Februar 1994 auf 39 742 DM festgestellt (werde)".
Das Finanzgericht (FG) deutete den Einspruch der Kläger gegen den in Rede stehenden Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1992 in einen solchen gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 19. April 1994 und die Klage in eine Untätigkeitsklage gegen den letztgenannten Bescheid um. Es gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1257).
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Es beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Entgegen der Ansicht des FA ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG den Einspruch der Kläger als einen solchen gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1990 interpretiert und die Klage als Untätigkeitsklage i.S. von § 46 FGO behandelt hat.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind auch außerprozessuale und prozessuale Rechtsbehelfe in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. September 1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596, unter I. 3. der Gründe; vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6, 7, mittlere Spalte f.; vom 30. August 1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481, unter 3. a der Gründe). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1998, 6, 7, rechte Spalte, und in BFH/NV 1995, 481, unter 3. a). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. September 1986 IV R 11/83, BFHE 147, 403, BStBl II 1987, 5, unter 1., 2. Abs. der Gründe).
b) Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Einspruch der Kläger trotz der vermeintlich eindeutigen Bezeichnung des Bescheids über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1992 als Verfahrens- und Anfechtungsgegenstand der Auslegung zugänglich war. Bei der Prüfung, ob die Bezeichnung eines Verwaltungsakts als Gegenstand eines Rechtsbehelfs eindeutig ist oder nicht, kann nicht allein auf die äußere Bezeichnung des Einspruchsgegenstands abgestellt werden. So hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 147, 403, BStBl II 1987, 5 einen Einspruch, der nach seinem Wortlaut die "Gewerbesteuerbescheide 1974, 1975 und 1976" betraf, als Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1975 und 1976 sowie gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1975 ausgelegt. Der BFH hat es in dieser Entscheidung als maßgeblich angesehen, dass sich aus dem übrigen Inhalt des Einspruchsschreibens ergab, dass sich der Steuerpflichtige gegen die Schätzung der Gewinne durch das FA wenden wollte.
Im Streitfall hat der Bevollmächtigte der Kläger im Einspruchsschreiben vom 2. Mai 1994 zwar ausdrücklich erklärt, der Einspruch richte sich gegen den "Bescheid vom 19.4.1994 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1992". Schon im folgenden Satz des Einspruchsschreibens hat er jedoch ausgeführt, Grund des Einspruchs sei, "dass der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1990 geltend gemachte Verlust i.S. des § 17 EStG um einen Betrag von 25 000 DM gekürzt" worden sei. Damit hatten die Kläger als Ziel ihres Rechtsbehelfsbegehrens klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der im Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom FA berücksichtigte Verlustrücktrag aus dem Jahr 1992 um den Ausfall der streitigen Gesellschafterdarlehen im Nennwert von 25 000 DM zu erhöhen sei.
Dieses Ziel konnten die Kläger, was sie allerdings ebenso wie das FA im Einspruchsverfahren verkannt hatten, nicht durch eine Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheids zum 31. Dezember 1992 vom 19. April 1994, sondern nur durch eine Anfechtung des im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung noch nicht bestandskräftigen Einkommensteueränderungsbescheids 1990 ebenfalls vom 19. April 1994 erreichen. Dies folgt daraus, dass im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1992 ausschließlich über den vortragsfähigen, d.h. in den Veranlagungszeiträumen ab 1993 zu berücksichtigenden Verlustabzug (bestandskräftig) entschieden wurde, wohingegen der aus dem Verlustentstehungsjahr 1992 in das Streitjahr 1990 zurückzutragende Verlust nur mehr eine nicht der Bestandskraft fähige Berechnungsgröße, d.h. einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil dieses Verlustfeststellungsbescheids, darstellte (vgl. von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. D 30).
Infolgedessen entsprach es ―was das FA als rechtskundiger Adressat des Einspruchsschreibens hätte erkennen können― nicht dem wirklichen Willen der Kläger, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1992 anzufechten und damit einen Rechtsbehelf einzulegen, der nicht zu dem von den Klägern erstrebten Erfolg hätte führen können. Der Bevollmächtigte der Kläger war bei der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts einem offensichtlichen Rechtsirrtum über den anzufechtenden Verwaltungsakt erlegen. Unter diesen Umständen hat das FG zu Recht ―dem im Einspruchsschreiben dokumentierten wirklichen Willen der Kläger entsprechend und deren sachlichen Belangen Rechnung tragend― den Einspruch dahin ausgelegt, dass er sich gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 19. April 1994 richte.
Dementsprechend hat auch der I. Senat des BFH in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem der Steuerpflichtige rechtsirrig anstelle des Grundlagenbescheids den Folgebescheid angefochten hatte, das aus der Rechtsbehelfsschrift erkennbare sachliche Begehren als maßgeblich und die fehlerhafte Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts als unschädlich erachtet (BFH-Urteil vom 20. Mai 1981 I R 128/78, nicht veröffentlicht). Allerdings war im dort entschiedenen Fall der Einspruch durch den (nicht rechtskundigen) Steuerpflichtigen persönlich erhoben worden, wohingegen im hier vorliegenden Streitfall der Rechtsbehelf durch einen Steuerberater eingelegt wurde. Selbst wenn man aber bei der fehlerhaften Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe strengere Auslegungsmaßstäbe anlegt als bei einem Laien, ändert dies an dem hier gefundenen Auslegungsergebnis nichts. Zugunsten der Kläger und ihres Bevollmächtigten ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 10d Abs. 3 EStG a.F. seinerzeit noch relativ neu war, so dass der Irrtum des Beraters über die Reichweite der bindenden Feststellungen dieser ―im Übrigen in der Literatur (vgl. von Groll in Kirchhof/ Söhn, a.a.O., § 10d Rdnr. B 220 und B 226) als "konzeptionslos" und kompliziert kritisierten― Vorschrift verständlich erscheint. Dies gilt umso mehr, als auch das FA demselben Irrtum erlag.
Ausgehend von diesem Auslegungsergebnis hat das FG ebenso zutreffend entschieden, dass auch die Klage auf die Anfechtung des Einkommensteueränderungsbescheids 1990 vom 19. April 1994 gerichtet war und infolgedessen als verfrüht (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO) erhobene Anfechtungsklage in die Zulässigkeit "hineinwuchs" (vgl. z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 46 FGO Tz. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
2. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen nicht dessen Schluss, dass die vom Kläger der GmbH bereits 1989 gewährten Darlehen in Höhe von 25 000 DM mit ihrem Nennwert als nachträgliche Anschaffungskosten den vom Kläger im Jahr 1992 realisierten Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG erhöht haben.
a) Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II. 1. der Gründe, m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Die S-GmbH ist nach Einstellung ihres Betriebes Ende April 1992 gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) aufgelöst worden.
b) Die Entstehung eines gemäß § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt des Weiteren voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (Senatsurteil in BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II. 2. der Gründe, m.w.N.). Zutreffend hat das FG angenommen, dass auch diese Voraussetzungen im Jahr 1992 erfüllt wurden. Dies ist auch unter den Beteiligten unstreitig. Die GmbH war nach Einstellung ihres Betriebes Ende April 1992 vermögenslos.
c) Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Unter diesen Voraussetzungen zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II. 3. a der Gründe).
d) Eine Veranlassung der Darlehensgewährung "durch das Gesellschaftsverhältnis" hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung dann angenommen, wenn das Darlehen nach zivilrechtlichen Grundsätzen eigenkapitalersetzenden Charakter hat (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, und vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724).
e) Danach ist das FG zu Recht in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass der Ausfall der vom Kläger der GmbH seit dem Jahr 1990 gewährten Darlehen in Höhe von 41 175 DM zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führte. Nach den ―für den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO)― Feststellungen des FG befand sich die GmbH zur Zeit dieser Darlehensgewährungen bereits in der "Krise" mit der Folge, dass der Ausfall dieser Darlehen in Höhe ihres Nennwerts den Liquidationsverlust des Klägers gemäß § 17 Abs. 4 EStG erhöhte.
Nach den vom FG getroffenen und für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen steht ferner fest, dass auch den streitigen, bereits im Jahr 1989 vom Kläger der GmbH gewährten Darlehen ein eigenkapitalersetzender Charakter im oben genannten Sinne zukam. Die Feststellungen des FG erlauben insoweit aber keine abschließende Beurteilung darüber, mit welchem Wert die entsprechenden Darlehensverluste als nachträglicher Anschaffungsaufwand i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen sind.
aa) Der vom FG befürwortete Ansatz mit dem Nennwert in Höhe von 25 000 DM wäre allerdings ohne weiteres dann zu bestätigen, wenn sich die GmbH bereits im Jahr 1989 ―bei Hingabe dieser Darlehen― in der Krise befunden hätte. Ob dies zutraf, hat das FG zwar nicht erörtert. Dennoch erlauben die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen den Schluss, dies zu verneinen: Selbst wenn man unterstellt, dass in den Buchwerten des Betriebsvermögens der GmbH keine (wesentlichen) stillen Reserven enthalten und auch keine offenen Rücklagen (Kapitalrücklagen) vorhanden waren, verfügte die GmbH unter Berücksichtigung des in diesem Jahr erwirtschafteten Fehlbetrages von 26 518 DM noch am Bilanzstichtag "31. Dezember 1989" über ein ―den Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers (25 000 DM) abdeckendes (bilanzielles)― Eigenkapital von 33 482 DM. Anhaltspunkte für eine ungünstige Prognose, dass sich die negative Ertragslage der GmbH über das Gründungsjahr 1989 hinaus fortsetzen werde, waren zu jener Zeit nicht vorhanden.
Auch hatte die GmbH selbst am Ende des Jahres 1989 und unter der angenommenen Prämisse, dass das tatsächliche Vermögen der GmbH ihr bilanziell ausgewiesenes Vermögen nicht überschritt, noch nicht mehr als die Hälfte ihres Stammkapitals verloren (zu diesem Gesichtspunkt als Indiz für den Eintritt der "Krise" vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 4. Dezember 1995 II ZR 281/94, Deutsches Steuerrecht 1996, 553, mit Anmerkung Goette).
bb) Die Entscheidung des FG, wonach der Verlust der im Jahr 1989 vom Kläger der GmbH gewährten Darlehen mit ihrem Nennwert (25 000 DM) in die Berechnung des Liquidationsverlustes einzustellen sei, wäre aber auch dann zutreffend, wenn es sich bei den streitigen Darlehen um zwar vor der Krise gewährte, jedoch infolge einer bereits im vorhinein begründeten Verpflichtung des Klägers im Falle des Eintritts der Krise nicht "abziehbare" Darlehen ("krisenbestimmte" Darlehen; im Falle der Krise nicht "abziehbare" Finanzplandarlehen) gehandelt hätte. Für das Vorliegen dergestalt gebundener Darlehen ergeben sich indessen auf der Grundlage des vom FG festgestellten Sachverhalts und nach dem Vortrag der Beteiligten keine Anhaltspunkte. Zwar deutet ein vom Gesellschafter (= Darlehensgläubiger) erklärter Rangrücktritt grundsätzlich auf die "Krisenbestimmtheit" des von ihm gewährten Darlehens hin. Der Kläger hatte allerdings seinen Rangrücktritt erst am 30. Dezember 1991 und damit zu einem Zeitpunkt erklärt, als sich die GmbH ohnehin schon (lange) in der Krise befand (zum Kriseneintritt jedenfalls im Laufe des Jahres 1990 vgl. oben II. 2. e, 1. Abs.).
cc) Ist demnach von "normalen", in der Krise "abziehbaren", aber vom Kläger "stehen gelassenen" Darlehen auszugehen, so kann entgegen der bisherigen Annahme des FG nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der entsprechende Darlehensverlust in Höhe des Nennwerts der Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten anzusetzen ist. Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, dass es für die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten bei einem "stehen gelassenen" Darlehen auf den Wert des Darlehens in dem Zeitpunkt ankommt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abgezogen hat (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II. 3. b der Gründe, m.w.N.). Nicht gefolgt werden kann dem FG indessen in seiner Annahme, dass auch in einem solchen Fall regelmäßig der Nennwert des Darlehens anzusetzen sei, wenn ―wie hier― der Gesellschafter als Geschäftsführer und wesentlich Beteiligter über die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der GmbH genau unterrichtet sei, weil ein "fremder Dritter mit dem Informationsstand des Klägers das Geld rechtzeitig vor Eintritt der finanziellen Verschlechterung abgezogen" hätte. Das FG hat sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90 (BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333) gestützt. Der in diesem Urteil (unter 2. b, aa der Gründe) enthaltene Satz, dass "im Allgemeinen vom Nennwert auszugehen sei, wenn der Gesellschafter über die Entwicklung des Unternehmens unterrichtet sei und von vornherein keine Anzeichen dafür sprächen, dass er beabsichtige, das Darlehen abzuziehen", darf ―wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II. 4. der Gründe, klargestellt hat― nicht auf alle in der Krise stehen gelassenen Gesellschafter-Darlehen bezogen werden. Dieser Satz ist vielmehr im Zusammenhang mit den vorausgehenden Ausführungen in diesem Urteil zu lesen und bezieht sich nur auf Darlehen, die von vornherein auf Krisenfinanzierung hin angelegt waren.
Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang ermitteln müssen, wann genau (im Laufe des Jahres 1990) die Krise (zum Begriff der Krise z.B. Senatsurteile in BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, unter 2. a, aa; vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, unter II. 2. b; vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter II. 3. b und e, cc, ccc; zu den Krisenindizien vgl. z.B. Lutter/ Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 32a/b Rz. 23 f., m.w.N.) eintrat und der Kläger die Möglichkeit hatte, die den Kriseneintritt bestimmenden Umstände bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung zu erkennen (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, unter 2. b, dd; BGH-Urteil vom 7. November 1994 II ZR 270/93, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1995, 38). Vom Vorliegen dieser Erkenntnismöglichkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig und somit insbesondere bei einem geschäftsführenden Allein- oder Mehrheitsgesellschafter auszugehen (BGH-Urteil vom 28. November 1994 II ZR 77/93, GmbHR 1995, 35, m.w.N.). Nichts anderes gilt ―im Sinne einer tatsächlichen Vermutung― auch für das finanzgerichtliche Verfahren. Angesichts der mit der Gesellschafterstellung verbundenen Verantwortlichkeit für eine seriöse Finanzierung kann demnach nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen angenommen werden, dass eine solche Erkenntnismöglichkeit nicht bestanden habe (BGH-Urteil in GmbHR 1995, 38; Senatsurteil in BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, unter 2. b, dd).
Der Wert der Darlehensforderung zu diesem ―maßgeblichen― Zeitpunkt ist nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit zu schätzen. Maßgeblich ist der Betrag, den der Gesellschafter bei einer fiktiven Veräußerung der Darlehensforderung von einem fremden Dritten erhalten hätte. Das entspricht dem gemeinen Wert der Forderung, aber auch ihrem Teilwert. Dieser Wert kann in Ausnahmefällen auch null DM betragen, insbesondere bei einer plötzlichen Krise mit anschließender Liquidation mangels Masse.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 589 |
DStRE 2001, 859 |
HFR 2001, 562 |