Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit formloser Versorgungszusage für GmbH-Geschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Die einem Geschäftsführer einer GmbH formlos erteilte Ruhegehaltszusage ist, da Formvorschriften weder nach dem GmbHG noch nach dem BetrAVG bestehen, dienstvertraglich grundsätzlich wirksam.
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 15.10.1992; Aktenzeichen 14 U 6/92) |
LG Köln (Entscheidung vom 26.02.1992; Aktenzeichen 24 O 406/90) |
Tatbestand
Der Kläger war von 1969 bis 1986 für die inzwischen in Konkurs gefallene „W. GmbH & Co. KG” als kaufmännischer Angestellter bzw. ab 19. Juni 1972 als Mitgeschäftsführer der Komplementär-GmbH tätig. Der beklagte P. hat ihm das Bestehen einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft bestätigt, deren Höhe er auf der Grundlage der Ruhegeldordnung der Gemeinschuldnerin mit monatlich 720,50 DM beziffert hat. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die unverfallbare Anwartschaft monatlich 2.880,– DM beträgt. Hierzu beruft er sich auf ihm gegebene individuelle Zusagen.
Neben dem ursprünglich mit 70 % beteiligten Schwiegervater des Klägers waren Gesellschafter der Gemeinschuldnerin und der Komplementärin mit Beteiligungen von je 10 % die Ehefrau des Klägers, deren Bruder H. J. G. und deren Tante D. K. Damals führte der Mehrheitsgesellschafter allein die Geschäfte. Er hatte seinen Sohn H. J. G. zu seinem Nachfolger bestimmt. Dieser vereinbarte am 1. Oktober 1971 schriftlich mit dem Kläger, dieser solle „zum Geschäftsführer mit Kollektivzeichnungsbefugnis nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages” der KG „bei dieser Gesellschaft und sonstigen Beteiligungsfirmen bestellt” werden, „und zwar zu den gleichen Bedingungen wie Herr H. J. G.”, falls dieser die vorgesehene Nachfolge seines Vaters antreten sollte. Nach dem Tode des Mehrheitsgesellschafters waren ab Mai 1972 – außer der weiterhin mit 10 % beteiligten D. K. – dessen Kinder H. J. G. zu 54 % und die Ehefrau des Klägers zu 36 % beteiligt; als 1984 D. K. ausschied, hielten die beiden Geschwister Anteile von 60 % bzw. 40 %. Der Kläger hat gemeint, die ihm nach seinem Vorbringen erteilte individuelle Ruhegehaltszusage aus der genannten schriftlichen Vereinbarung, zumindest aber daraus herleiten zu können, daß man nach seiner Berufung zum Geschäftsführer im Juni 1972 bis zur Konkurseröffnung im Einverständnis mit allen Gesellschaftern dieser Abrede entsprechend verfahren sei und ihn in jeder, auch finanzieller, Hinsicht dem anderen Geschäftsführer, seinem Schwager H. J. G., gleichgestellt habe.
In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne die über die Ruhegeldordnung der Gemeinschuldnerin hinausgehende individuelle Versorgungszusage nicht aus der mit seinem Schwager am 1. Oktober 1971 getroffenen Abrede herleiten. Dies hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand, wobei der Senat diese Vereinbarung selbständig auslegen kann (BGHZ 65, 107, 112; Sen.Urt. v. 2. Dezember 1991 - II ZR 274/90, WM 1992, 612, 613).
a) Schon dem Wortlaut nach betrifft die Abrede nicht das Anstellungs-, sondern nur das Organverhältnis. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß dort der Begriff „bestellt” verwendet wird, sondern daß dies im Zusammenhang mit der gesellschaftsvertraglich festgelegten Kollektivzeichnungsbefugnis geschieht und die Bestellung zum Geschäftsführer sich nicht nur auf die Komplementär-GmbH bezieht, sondern der Kläger auch in den sonstigen Beteiligungsfirmen der Gemeinschuldnerin eine entsprechende, die Vertretung regelnde Stellung erhalten soll. Wenn in diesem Zusammenhang ausgesprochen wird, der Kläger solle „zu den gleichen Bedingungen” wie sein Schwager bestellt werden, so liegt die Annahme fern, es könne damit das Anstellungsverhältnis, aus dem sich unter anderem der Versorgungsanspruch ergibt, gemeint sein.
b) Ferner ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen, daß H. J. G. überhaupt für einen anderen – die GmbH oder die KG – und nicht nur für sich allein eine Verpflichtung hat eingehen wollen. Da er zu jener Zeit keinerlei Vertretungsbefugnisse für die eine oder die andere Gesellschaft hatte, konnte er diese auch nicht wirksam verpflichten, selbst wenn alle anderen Gesellschafter den in Zukunft in Aussicht genommenen Eintritt des Klägers in die Geschäftsführung gebilligt haben sollten. Es handelte sich vielmehr allein darum, daß sich der künftige Mehrheitsgesellschafter gegenüber seinem Schwager verpflichten wollte, zu gegebener Zeit darauf hinzuwirken, daß die hierfür nach § 46 Nr. 5 GmbHG allein zuständige Gesellschafterversammlung ihn zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der Tochtergesellschaften berief. Mit Recht hat deswegen das Berufungsgericht angenommen, es habe nach dem Eintritt der vorgesehenen Nachfolge noch des Abschlusses ausführender Vereinbarungen bedurft. Hätten sich nämlich die Komplementär-GmbH und/oder die Kommanditgesellschaft dem Kläger gegenüber – wie er meint – bereits damals binden wollen, dann hätte nichts näher gelegen, als daß der damalige Mehrheitsgesellschafter H. G. von den ihm in § 7 b des Gesellschaftsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung eingeräumten Befugnissen, eine gesellschaftsfremde Person zum Geschäftsführer zu berufen und mit ihr einen Anstellungsvertrag zu schließen, Gebrauch gemacht hätte.
c) Da nach alledem H. J. G. am 1. Oktober 1971 dem Kläger gegenüber schon keine Erklärung für die Gesellschaften abgegeben hat, ist für eine spätere Genehmigung dieser Abrede durch ihn kein Raum, ohne daß es auf den von dem Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstand ankommt, daß wegen der gesellschaftsinternen Kompetenzordnung (vgl. dazu Sen.Urt. v. 25. März 1991 - II ZR 169/90, WM 1991, 852 = ZIP 1991, 580) der Schwager des Klägers allein, ohne Mitwirkung der Gesellschafterversammlung, eine solche – angeblich auch das Anstellungsverhältnis betreffende – Genehmigung nicht erteilen konnte.
2. Dagegen rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht den Klagevortrag nicht erschöpfend gewürdigt und die angetretenen Beweise nicht erhoben hat (§ 286 ZPO).
a) Der Kläger hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, in der genannten Vereinbarung zwischen ihm und seinem Schwager sei der zwischen allen vier damaligen Gesellschaftern bestehende Konsens niedergelegt worden, daß nach dem Ausscheiden von H. G. dessen Sohn und der Kläger als Geschäftsführer bestellt und zu gleichen Bedingungen angestellt werden sollten, daß dieser Konsens über den Tod von H. G. hinaus fortbestanden hat und daß dementsprechend – auch ohne förmlichen Abschluß eines Anstellungsvertrages mit dem Kläger – verfahren worden ist.
b) Dieser – unter anderem durch den Antrag, die früheren Gesellschafter und den Steuerberater der Gesellschaften zu den getroffenen Absprachen und deren tatsächlicher Handhabung als Zeugen zu vernehmen, unter Beweis gestellte – Vortrag ist entgegen der zu sehr am Wortlaut einzelner Ausführungen der Berufungsbegründung haftenden Ansicht der Beklagten schlüssig.
Ein Anspruch auf Altersversorgung entsteht nicht von selbst, es bedarf vielmehr einer besonderen Zusage, die im vorliegenden Fall, da der Kläger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geworden ist, nicht auf die Ruhegeldordnung, eine betriebliche Übung oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. Sen.Urt. v. 5. Oktober 1978 - II ZR 53/77, WM 1978, 1402, 1403 m.w.N.; Scholz/Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 35 Rdn. 199) gestützt werden kann. Eine solche Pensionsverpflichtung ist Regelungsgegenstand des Anstellungsvertrages; für ihre Form gelten deswegen zunächst die Bestimmungen des GmbHG über den Abschluß eines solchen Vertrages. Üblicherweise wird er schriftlich geschlossen, er bedarf jedoch dieser Form nicht (vgl. Baumbach/Hueck/ Zöllner, GmbHG 15. Aufl. § 35 Rdn. 94), sondern kann auch stillschweigend zustande kommen. Der für die Anstellung erforderliche Beschluß der Gesellschafterversammlung bedarf ebenfalls grundsätzlich keiner Form (Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 47 Rdn. 30; Zöllner aaO § 48 Rdn. 13). Auch das BetrAVG verlangt keine Form für die Erteilung einer wirksamen Versorgungszusage (Höfer u.a., BetrAVG 3. Aufl. ART Rdn. 1986, 188 und 196 f.; Dieterich, Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, AR S. 15; Ahrend/Förster in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Bd. I § 102 Rdn. 5).
c) Da danach weder Vorschriften des GmbHG noch des BetrAVG die Wahrung einer besonderen Form bei der Erteilung von Pensionszusagen fordern, kann dem Kläger die Versorgungszusage wirksam auch stillschweigend erteilt worden sein. Einer näheren Ausgestaltung zum Inhalt bedurfte es hier deswegen nicht, weil für den anderen Geschäftsführer eine ins einzelne gehende gesellschaftsvertragliche Ruhegeldregelung vorhanden war, auf die verwiesen werden konnte, wenn Einigkeit darüber bestand, daß der Kläger jenem Geschäftsführer „gleichgestellt” werden sollte.
Zu Unrecht mißt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang dem Umstand entscheidende Bedeutung bei, daß nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Pensionsrückstellung nur dann steuerlich anerkannt wird, wenn die Pensionszusage schriftlich erteilt ist (vgl. dazu Schmidt/Seeger, EStG 12. Aufl. § 6a Anm. 5). Denn auch dann, wenn die für die steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellung erforderliche Schriftform verfehlt wird, kann eine Versorgungszusage dienstvertraglich wirksam erteilt sein. Ferner ist bisher nicht geklärt, ob nicht das Finanzamt in der Vergangenheit die durch Gutachten belegten Pensionsrückstellungen steuerlich anerkannt hat. In diesem Zusammenhang kann der durch Vernehmung des Steuerberaters der Gesellschaften unter Beweis gestellte Vortrag des Klägers von Bedeutung sein, daß sämtliche Beteiligten – wenn auch irrig – davon ausgegangen sind, daß die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Schwager vom 1. Oktober 1971 eine hinreichende Grundlage für die steuerliche Anerkennung war. Schließlich hat das Berufungsgericht nicht beachtet, daß 1972, als der Kläger zum Geschäftsführer berufen wurde, § 6a EStG eine andere Fassung hatte und das Schriftformerfordernis erst mit dem EStG 1975 eingeführt worden ist (vgl. Ahrend, Jb. d. Fachanwälte für Steuerrecht 1975/76, abgedruckt bei Ahrend/Rühmann, Die betriebliche Altersvorsorge, 1980, S. 119).
d) Kann danach eine Versorgungszusage mündlich oder sogar stillschweigend erteilt werden, kommt es entscheidend darauf an, was die mangels entgegenstehender Satzungsregelung zuständige Gesellschafterversammlung mit dem Geschäftsführer vereinbart hat. Dabei ist – schon um der naheliegenden Gefahr zu begegnen, daß der Beklagte im Insolvenzfall der Gesellschaft für in Wahrheit nicht erteilte Versorgungszusagen einstehen muß – der tatsächlichen Handhabung durch Gesellschaft und Gesellschafter im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besondere Bedeutung beizumessen. Damit das Berufungsgericht die fehlenden Feststellungen nachholen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
e) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht darüber hinaus Gelegenheit gegebenenfalls zu prüfen, ob eine etwa dem Kläger erteilte Versorgungszusage in voller Höhe insolvenzgeschützt ist (vgl. dazu Höfer u.a. aaO § 17 Rdn. 3785-3787 m.w.N.). Diese von den Parteien bereits angesprochene Frage bedarf hier der Prüfung, weil der Kläger im Alter von 27 Jahren zum Geschäftsführer bestellt worden ist, ohne daß er für seine Tätigkeit irgendeine besondere Vorbildung hatte, gleichwohl aber die auf den langjährig tätigen Mehrheitsgesellschafter zugeschnittene Versorgungsregelung – nach ihr besteht ein Pensionsanspruch mindestens in Höhe des Doppelten des Gehalts eines Landgerichts-Präsidenten – gelten sollte. Diese Umstände lassen es immerhin als möglich erscheinen, daß die Behauptung des Beklagten zutrifft, der Kläger habe seine Position dem Umstand zu verdanken, daß er der Ehemann bzw. Schwager der zusammen zunächst zu 90 %, später zu 100 % an der Kommanditgesellschaft und deren Komplementärin beteiligten Gesellschafter ist.
Fundstellen
BB 1994, 305 |
BB 1994, 305 (LT) |
DB 1994, 419-420 (LT) |
DStR 1994, 257-259 (KT) |
Information StW 1994, 448 (LT) |
GmbH-Rdsch 1994, 112-114 (LT) |
LM GmbHG § 35, Nr. 32 (7/1994) (LT) |
BGHR BetrAVG § 17, Anstellungsvertrag 2 (T) |
BGHR GmbHG § 35, Anstellungsvertrag 5 (LT) |
BGHWarn 1993, Nr. 373 (LT) |
NJW-RR 1994, 357-358 (LT) |
WiB 1994, 231 (ST) |
BetrAV 1994, 84 (L) |
DNotI-Report 1994, Nr. 5, 7 (L) |
EWiR 1994, 327 (L) |
NZA 1994, 367 |
NZA 1994, 367-369 (LT) |
WM IV 1994, 380-382 (LT) |
ZAP, EN-Nr. 194/94 (S) |
ZIP 1994, 206 |
ZIP 1994, 206-207 (LT) |
AP BetrAVG § 1, Nr. 5 Unverfallbarkeit (LT) |
ArbuR 1994, 106 (L) |
MDR 1994, 564-565 (LT) |
GmbHR 1994, 112 |