Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine getrennte Veranlagung zur Kirchensteuer bei Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Grundgesetz gebietet nicht, den in einer konfessionsverschiedenen Ehe lebenden Ehegatten, die für die Einkommensteuer die Zusammenveranlagung gewählt haben, die Möglichkeit einzuräumen, für die Kirchensteuer die getrennte Veranlagung zu wählen.
Normenkette
EStG §§ 26, 46; GG Art. 3, 6
Tatbestand
I.
1. Die römisch-katholische, in konfessionsverschiedener Ehe lebende Beschwerdeführerin bezog in den Jahren 1963 und 1964 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ihr Ehemann aus selbständiger Tätigkeit. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte sind für diesen Zeitraum zusammen veranlagt worden; einen Antrag auf getrennte Veranlagung haben sie nicht gestellt. Die Anträge der Beschwerdeführerin, für beide Jahre unter Berücksichtigung der von ihr angegebenen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen einen Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, lehnte das Kirchensteueramt ab. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht München in seinem die Berufung zurückweisenden Urteil aus: Eine Erstattung von Kirchensteuer bzw. Kirchenlohnsteuer komme dann in Betracht, wenn die gezahlte Kirchensteuer höher sei als die Kirchensteuer, die entsprechend der festgesetzten Einkommen- bzw. Lohnsteuer geschuldet werde. Eine andere Lohnsteuer-Festsetzung als diejenige im laufenden Lohnsteuer-Abzugsverfahren habe bei der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden. Dabei sei die Kirchenlohnsteuer in der Höhe einbehalten und abgeführt worden, die der Lohnsteuer entspreche. Die Beschwerdeführerin wolle im Ergebnis, daß das Kirchensteueramt berechne, wie hoch die Lohnsteuer nach Berücksichtigung der von ihr angegebenen Sonderausgaben und außerordentlichen Belastungen wäre, und daß es die Kirchenlohnsteuer so berechne und die sich dabei errechnende Überzahlung erstatte, als ob die so berechnete Lohnsteuer festgesetzt worden wäre. Eine anderweitige Festsetzung der Kirchen(lohn)steuer setze jedoch voraus, daß die Einkommen- bzw. Lohnsteuer tatsächlich anderweitig festgesetzt sei. Für eine solche Festsetzung fehle aber die Zuständigkeit des Kirchensteueramts. Die Beschwerdeführerin könne deshalb eine Erstattung nur auf dem Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer anstreben. Soweit sich dabei keine oder eine geringere Kirchenlohnsteuer-Erstattung als von ihr gewollt ergeben sollte, z.B. weil das Kirchensteueramt Bestimmungen des Kirchensteuergesetzes anwende, gegen welche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden könnten, bleibe es der Beschwerdeführerin unbenommen, Einwendungen gegen eine erneute, auf Grund der Veranlagung zur Einkommensteuer herbeigeführte Entscheidung des Kirchensteueramts über den Erstattungsanspruch in einem gesonderten Rechtsmittelverfahren geltend zu machen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, das Urteil des Finanzgerichts und die vorangegangenen Bescheide verletzten sie in ihren Grundrechten aus Art. 3, 6 und 14 GG. Sie erblickt eine Benachteiligung darin, daß ihr ein Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich lediglich deshalb verweigert werde, weil sie mit einem einkommensteuerpflichtigen Manne in konfessionsverschiedener Ehe lebe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 EStG 1961 kommt ein Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. Da die Beschwerdeführerin mit einem einkommensteuerpflichtigen Ehemann verheiratet ist, war sie zur Einkommensteuer zu veranlagen, und zwar entweder gemeinsam mit ihrem Ehemann (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1961) oder getrennt von ihrem Ehemann (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG 1961). Unter beiden Möglichkeiten hatte die Beschwerdeführerin die freie Wahl (§ 26 Abs. 1 EStG 1961). Diese Wahl wirkt sich auch auf die Bemessung der Kirchensteuer aus. Bei getrennter Veranlagung wird die von der Beschwerdeführerin zu zahlende Kirchensteuer aus der von ihrem Einkommen zu zahlenden Einkommensteuer berechnet; das Einkommen ihres Ehemannes bleibt unberücksichtigt. Bei gemeinsamer Veranlagung wird auch die Kirchensteuer für beide kirchensteuerpflichtigen Ehegatten aus der von ihrem zusammengerechneten Einkommen zu zahlenden Einkommensteuer berechnet und dann auf die beiden umlageerhebenden Gemeinschaften hälftig aufgeteilt (Art. 9 Abs. 1 des bayerischen Kirchensteuergesetzes vom 26. November 1954 [GVBl. S. 305] –KiStG–). Die Folge ist: bei erheblichen Unterschieden in der Einkommenshöhe beider Ehegatten kann die gesamte Einkommensteuerschuld und damit auch die gesamte Kirchensteuerschuld beider Ehegatten niedriger sein als bei getrennter Veranlagung; aber auf Grund der hälftigen Verteilung der gezahlten Kirchensteuer entfällt auf die umlageerhebende Gemeinschaft, der der weniger verdienende Ehegatte angehört, ein höherer Betrag, der durch die geringere Höhe des auf die Gemeinschaft des mehr verdienenden Ehegatten entfallenden Kirchensteuerbetrages ausgeglichen wird. Ein Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich ist bei gemeinsamer wie bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer nicht möglich, da ein Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich gemäß Art. 20 Abs. 1 KiStG einen Lohnsteuerjahresausgleich voraussetzt.
2. Die Regelung der Kirchensteuer, auf Grund deren der Beschwerdeführerin ein Kirchenlohnsteuer-Jahresausgleich versagt worden ist, steht im Einklang mit der durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 WRV zulässigen Abhängigkeit der Kirchensteuer von der Einkommensteuer. Sie verletzt auch keine Grundrechte der Beschwerdeführerin.
Art. 3 und 6 GG sind nicht verletzt, weil die Beschwerdeführerin weder im Vergleich zu unverheirateten noch zu in konfessionsgleicher Ehe lebenden Steuerpflichtigen benachteiligt wird. Die Beschwerdeführerin wird nicht gezwungen, mehr Kirchensteuer zu zahlen als eine unverheiratete Steuerpflichtige. Wählt sie getrennte Veranlagung, dann braucht sie nur den Kirchensteuerbetrag zu zahlen, der ihrem persönlichen Einkommen entspricht. Mit der Lage von Steuerpflichtigen, die in konfessionsgleicher Ehe leben, läßt sich die Rechtslage der Beschwerdeführerin überhaupt nicht vergleichen; es fehlt die tatsächliche Grundlage für einen solchen Vergleich, nämlich die Aufteilung des Kirchensteueraufkommens auf zwei umlageerhebende Gemeinschaften. In konfessionsgleichen Ehen fällt die gesamte Kirchensteuer derselben Kirchengemeinschaft zu.
Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz in glaubensverschiedenen Ehen (BVerfGE 19, 268) kann für die Beurteilung des vorliegenden Falles nichts entnommen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für konfessionsverschiedene Ehen andere Kirchensteuergrundsätze deshalb gelten, weil hier beide Ehegatten der Kirchengewalt steuerberechtigter Religionsgemeinschaften unterworfen sind, in glaubensverschiedenen Ehen aber nur der eine von ihnen. Die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Regelung des Halbteilungsgrundsatzes bei glaubensverschiedenen Ehen unterscheidet sich von der hier zur Prüfung stehenden Kirchensteuerregelung für konfessionsverschiedene Ehen schon dadurch, daß sowohl in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Falle (BVerfGE 19, 268 [269, 274]) als auch nach der bisher geltenden Kirchensteuerregelung für glaubensverschiedene Ehen in Bayern die Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes unabhängig davon war, ob die Ehegatten getrennte Veranlagung oder Zusammenveranlagung wählten (Art. 9 Abs. 2 KiStG). Während also bei glaubensverschiedenen Fällen die Ehegatten die Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes nicht vermeiden konnten, ist ihnen dies nach der hier zur Prüfung stehenden Kirchensteuerregelung für konfessionsverschiedene Ehen dadurch möglich, daß sie getrennte Veranlagung wählen. Denn Art. 9 Abs. 1 KiStG setzt für die Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes auf konfessionsverschiedene Ehen – im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2, der die glaubensverschiedenen Ehen regelt – ausdrücklich voraus, daß die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Im Grunde erstrebt die Beschwerdeführerin einerseits die Vorteile, die sich aus der Zusammenveranlagung der Einkommensteuer für beide Ehegatten ergeben; andererseits möchte sie hinsichtlich der Kirchensteuer die Vorteile erreichen, die sich für sie bei getrennter Veranlagung ergeben würden. Zu einer solchen Regelung ist aber der Gesetzgeber unter keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet.
Für eine Verletzung des Art. 14 GG fehlen jegliche Anhaltspunkte (vgl. BVerfGE 19, 119 [128 f], 253 [267 f]; 14, 221 [241]).
Fundstellen
BStBl I 1966, 694 |
BVerfGE, 40 |
NJW 1966, 1161 |