Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Aufgabe des inländischen Wohnsitzes beim Besuch einer islamischen Privatschule mit angeschlossenem Internat in Jordanien
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 FGO, dass für eine Tochter, die am Ende der Sommerferien 2005 von der inländischen Schule abgemeldet worden ist, seit 31.8.2005 auf einer islamischen Privatschule mit angeschlossenem Internat in Jordanien ist und voraussichtlich in den Sommerferien 2006 wieder nach Deutschland zurückkehren soll, ab September 2005 ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr besteht, weil sie ihren inländischen Wohnsitz im Haushalt ihrer Eltern zumindest für die Dauer ihrer Ausbildung in Jordanien aufgegeben hat. Gegen die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes im Haushalt der Eltern sprach im Streitfall, dass die Tochter im Zeitpunkt, in dem sie nach Jordanien ging, bereits 14 Jahre alt war.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1; AO 1977 § 8; FGO § 69 Abs. 2
Tenor
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für die Tochter – A – durch Bescheid vom 19. Dezember 2005, geändert durch Bescheid vom 17. März 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. März 2006.
Der Antragsteller (Ast.) ist der Vater der am 12. März 1991 geborenen Tochter – A –, die die Deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Gegenwärtig bezieht der Ast. als verheiratete Vater von fünf Kindern für sich und seine Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.861 EUR nebst 641 EUR Kindergeld. Die Tochter – A – besuchte bis zum Ende des Schuljahres 2004/2005 die siebte Klasse an der … in … und wurde vom Ast. am Ende der Sommerferien 2005 von der Schule abgemeldet. Die Antragsgegnerin (Ag.) wurde durch Schreiben der Schulbehörde vom 7. Oktober 2005 hiervon in Kenntnis gesetzt (Blatt 143 Kindergeldakte). Seit 31. August 2005 ist die Tochter auf einer Privatschule mit angeschlossenem Internat in Jordanien. Hierbei handelt es sich nach der in arabischer und englischer Sprache abgefassten Bestätigung – ohne Datumsangabe – des „General Manager” um die „…” in …, Jordanien (Blatt 151 und 159 Kindergeldakte). Nach Angaben des Ast. im Verwaltungsverfahren sollte seine Tochter in den Sommerferien, voraussichtlich am 10. Juli 2006, nach Deutschland zurückkehren (Blatt 162 Kindergeldakte). Die Tochter sei, so der Prozessvertreter des Ast. im Schriftsatz vom 12. Juli 2007, inzwischen für die Dauer der Sommerferien wieder nach Deutschland zurückgekehrt und es werde überlegt, ob sie erneut nach Jordanien zu Schule gehen solle (Blatt 34 Prozessakte). Nach den weiteren Angaben des Prozessvertreters im Schriftsatz vom 12. Juli 2006 habe die Ag. durch das Hauptzollamt … mit Schreiben vom 26. Juni 2006 die Vollstreckung der zurückgeforderten 179 EUR inzwischen angekündigt.
Die Ag. hob mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2006 das Kindergeld ab September 2005 auf und forderte das für den Monat September 2005 übergezahlte Kindergeld in Höhe von 179 EUR vom Ast. zurück (Blatt 152 und 166 Kindergeldakte). Der Einspruch des Ast. vom 2. Januar 2006 wurde von der Ag. mit Einspruchsentscheidung vom 21. März 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Ast. vom 13. April 2006, Eingang 19. April 2006, wurde Klage erhoben. Über dieses Hauptsacheverfahren, das unter dem Aktenzeichnen 8 K 96/06 geführt wird, hat der erkennende Senat noch nicht entschieden. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde durch den erkennenden Senat durch Beschluss vom 23. August 2006 abgelehnt.
Der Ast. ist der Ansicht, dass er einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter – A – auch dann habe, wenn sie in Jordanien ein Internat besuche. Die Tochter habe weiterhin ihren Wohnsitz im Inland. Der Aufenthalt der Tochter im Ausland sei für den Zeitraum 31. August 2005 bis 10. Juli 2006 für den Besuch der achten Klasse in Jordanien beschränkt gewesen. Das Zimmer, das die Tochter im Haushalt des Ast. zusammen mit ihrer Schwester bewohne, sei auf eine jederzeitige Rückkehr zum Lebensmittelpunkt eingerichtet geblieben. Allein die mit einer Unterbringung in einer studentischen oder schulischen Wohngemeinschaft verbundene räumliche Trennung bedinge keine Auflösung der familiären Bindungen und bringe keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Studien- bzw. Schulort. Der Wohnsitz bei den Eltern bleibe auch bei einer auswärtigen Unterbringung bestehen. Die Tochter sei daher vom Wohnsitz in Deutschland auch nicht abgemeldet worden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Gericht der Hauptsache sei ohne vorherigen Antrag bei der Behörde zulässig, da die Vollstreckung drohe. Das Aussetzungsinteresse des wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Ast. übersteige das Vollzugsi...