Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO für die Zurücknahme einer Anrechnungsverfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung fälschlich angegeben, Einkünfte aus einer Geschäftsführertätigkeit seien in den Einkünften aus Gewerbebetrieb enthalten, so ist die von diesen Einkünften einbehaltene Lohnsteuer nicht auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen, wenn die Einkünfte im Einkommensteuerbescheid wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst werden dürfen. Soweit die Anrechnung des Steuerabzugs zu Unrecht erfolgte, ist die Anrechnungsverfügung nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO zurückzunehmen.
2. Die Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO für die Rücknahme der Anrechnungsverfügung beginnt erst dann zu laufen, wenn feststeht, dass die Erfassung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid verfahrensrechtlich nicht mehr zulässig ist.
Normenkette
AO § 130 Abs. 3, 2 Nr. 3, § 218 Abs. 2; EStG 1990 § 36 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Abrechnung zur Einkommensteuer 1993.
Die miteinander verheirateten Kläger (Kl) wurden im Streitjahr 1993 antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger (Kl) war als Kommanditist an der Firma X GmbH & Co. KG (im Folgenden: X – KG) beteiligt und führte deren Geschäfte als Geschäftsführer der Y GmbH, der Komplementärin der X – KG. Daneben war der Kl auch Geschäftsführer der Firma Z GmbH (im Folgenden: Z GmbH), eines 100 %igen Tochterunternehmens der X – KG.
Für seine Tätigkeit bei der Z GmbH erhielt der Kl ab 1. März 1993 ein monatliches Geschäftführergehalt in Höhe von 30.000,– DM, von dem die Z GmbH 149.869,10 DM als Lohnsteuer einbehielt und an das zuständige Finanzamt abführte. Daneben floss dem Kläger für seine Tätigkeit bei der X – KG ein Jahresgehalt in Höhe von 302.350,– DM zu, von dem 109.220,27 DM als Lohnsteuer einbehalten und an das beklagte Finanzamt (Bekl) abgeführt wurden.
In der von ihrem damaligen Steuerberater angefertigten Anlage N zur Einkommensteuererklärung 1993, die am 29. September 1995 zusammen mit den Lohnsteuerkarten beim Bekl einging, war in Zeile 2 der Anlage N hinter „Bruttoarbeitslohn” lediglich „(im Gewerbegewinn enthalten)” und jeweils 0 DM angeführt. In dem daraufhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1993 vom 30. Juli 1996 setzte der Bekl die Einkünfte des Kl aus nichtselbständiger Arbeit insgesamt mit 0 DM und dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 6.119.178,– DM an. Bei der Abrechnung berücksichtigte der Bekl die beiden Lohnsteuerbeträge von zusammen 259.090,– DM.
Am 19. September 2000 wurde beim Kl mit der Durchführung einer am 14. August 2000 angeordneten Außenprüfung begonnen. Gegenstand der Prüfung war u.a. die Einkommensteuer der Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997. Der Prüfer stellte in seinem Bericht vom 29. Dezember 2000 unter „C. Prüfungsfeststellungen zu den Steuerarten Tz. 1.04 Nr. 2” Folgendes fest:
„Bruttoarbeitslohn Z GmbH
Seit dem 01.03.1993 erhält Herr T. Y für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Firma Z GmbH monatliche Bezüge in Höhe von DM 30.000,–. Die Bezüge dieser Kapitalgesellschaft werden bei der Firma X dem Gewinn nicht wieder zugerechnet.
Der Bruttoarbeitlohn ist als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen.
Für die Vz 1993 bis 1995 wurde der Bruttoarbeitslohn der Firma Z GmbH nicht als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erklärt. Mit der unzutreffenden Begründung „im Gewerbegewinn enthalten” erfolgte der Ansatz in den Steuererklärungen mit DM 0.
Die vom Bruttoarbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer wurde in allen Jahren auf die Einkommensteuer angerechnet.
Einnahmen mehr lt. Bp
1993 |
DM |
300.000,– |
1994 |
DM |
360.000,– |
1995 |
DM |
360.000,– |
Die anrechenbare Lohnsteuer ändert sich lt. Bp nicht.”
In diesem Zusammenhang vertrat der Prüfer außerdem die Auffassung (Tz. 3 des Ap-Berichtes), der damalige Steuerberater der Kl habe mit unzutreffenden Angaben in Zeile 2 der Anlage N zur Einkommensteuererklärung eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen, die sich die Kl zurechnen lassen müssten, weshalb die Festsetzungsverjährungsfrist fünf Jahre betrage.
Dementsprechend setzte der Bekl in dem daraufhin nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten und nunmehr endgültigen Einkommensteuerbescheid 1993 vom 28. September 2001 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 300.000,– DM an und beließ es bei der bisherigen Lohnsteuer – Anrechnung.
Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machten die Kl mit Erfolg den Einwand der Festsetzungsverjährung geltend. Der Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sei widerlegt worden, weshalb das gegen den Kl eingeleitete Verfahren von der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes A eingestellt worden sei. Der Prüfer trat dieser Auffassu...