Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1990
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschulder kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluß festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf … DM.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für eine „medizinische Trainingstherapie” als außergewöhnliche Belastungen (agB) die Einkommensteuer (ESt) gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigen.
Der Kläger (Kl) schloß am 14.02.1989 mir dem … einen „Trainingsvertrag” ab. Mit Schreiben vom 17.10.1989 bestätigte ihm ein Facharzt für Orthopädie, daß er, der Kl, nach einer eingehenden Untersuchung bei dem Facharzt und unter dessen regelmäßiger Anleitung und Kontrolle eine medizinische Trainingstherapie durchführen würde. Als Diagnose benannte der Facharzt: „Dorsalgie wg. Muskelinsuffizienz bei Flachrücken”. Die Trainingstherapie beinhalte eine allgemeine Muskelkräftigung unter besonderer Berücksichtigung der genannter Diagnose, ein Herz-Kreislauftraining sowie eine Wirbelsäulengymnastik und eine Muskeldehnungsgymnastik, die abwechselnd von einer Krankengymnastin und einer Sportlehrerin abgehalten würden. Hierfür habe der Kl eine erstmalige Untersuchungs- und Verwaltungspauschale in Höhe von … DM auf gewendet. Zusätzlich würde er eine Trainingspauschale in Höhe von monatlich … DM bezahlen.
Der Kl erzielte im Veranlagungszeitraum 1990, dem Streitjahr, im wesentlichen Einkünfte aus seiner nichtselbständigen Arbeit als Studienrat. Mit der ESt-Erklärung für das Streitjahr machte der Kl Aufwendungen für die „Wirbelsäulengymnastik” in Höhe von … DM zzgl. Fahrtkosten in Höhe von insgesamt … DM geltend. Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte diese Aufwendungen jedoch nicht. Den Gesamtbetrag der Einkünfte der Kl hatte der Bekl mit … DM ermittelt. Von dem Einkommen der Kl zog er einen Kinderfreibetrag (3.024 DM) ab. Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG bezog er für die Berechnung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) einen Betrag von … DM ein. Den Steuersatz errechnete er schließlich mit … v.H. (Bescheid vom 02.10.1991). Mit der Einspruchsentscheidung vom 04.09.1992 ändert der Bekl zwar den Bescheid vom 02.10.1991 und setzte die ESt auch hinsichtlich des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen und der Höhe der zumutbaren Belastung bei den agB vorläufig fest. Die streitigen Aufwendungen berücksichtigte er aber weiterhin nicht. Hiergegen wendet sich die vorliegende Klage.
Die Kl beantragen,
Aufwendungen in Höhe von insgesamt … DM als agB zu berücksichtigen.
Der Bekl beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.
Der Kl hat dem Senat ein Schreiben des Facharztes vom 18.05.1992 und eines weiteren Arztes, der ihn untersucht hat, vom 19.03.1992 vorgelegt. Außerdem ließ sich der Senat mit Einverständnis des Kl von diesen Ärzten alle diesen betreffenden Unterlagen vorlegen. Auf deren Schreiben vom 09. und 11.01.1996 wird verwiesen. Der Kl hat außerdem ein Schreiben des Gesundheitsamtes an das Landesamt für Besoldung und Versorgung vom 03.06.1992 vorgelegt. Dem Bekl schließlich hatte der Kl u. a. ein Schreiben der Krankenversicherung vom 16.06.1992 und des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 02.07.1992 vorgelegt (= Bl. 13 und 14 der „Rb-Akte”).
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist begründet.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die ESt ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (agB) erwachsen. Ob eine agB im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG vorliegt, ist nach dem Ereignis, das die Aufwendungen ausgelöst hat, zu beurteilen (BFH-Urteil vom 06.05.1994 III R 27/92, EStBl II 1995, 104 unter 2. a.E.; Arndt, EStG, § 33, Rn.B 42; Drenseck in Schmidt, EStG, 14. Aufl., 1995, § 33 Rn. 15). Mithin ist entscheidend, ob das die Aufwendungen auslösende Ereignis ein typischer oder ein atypischer (außergewöhnlicher) Vorgang der Lebensführung darstellt (Arndt, a.a.O., § 33 EStG, Rn.B 44 ff.; Drenseck, a.a.O.). Aufwendungen sind schließlich außergewöhnlich, wenn sie ihrer Art. und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH-Urteil a.a.O.). Die Anerkennung von Aufwendungen für die Ausübung eines Sports als agB setzt daher zunächst voraus, daß durch eine ärztliche Bescheinigung die Ausübung des Sports für die Heilung oder Linderung einer Krankheit eindeutig erforderlich nachgewiesen wird. Dies gilt – neben weiteren Voraussetzungen – in gleicher Weise für alle Sportarten (so bereits das BFH-Urteil vom 15.10.1971 VI R 80/68, BStBl II 1972, 14).
Der Senat ist im Streit...