Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug nach Übergang eines Betriebs in einen Liebhabereibetrieb. Einkommensteuer 1990
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Betrieb wegen ständiger Verluste in einen steuerlich unbeachtlichen Liebhabereibetrieb übergegangenen, sind die zum Übergangszeitpunkt vorhandenen Schulden negatives Betriebsvermögen geblieben. Die daraus resultierenden Schuldzinsen sind als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 4, § 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 1995 wird der Einkommensteuerbescheid 1990 vom 20. Februar 1995 geändert. Die Einkommensteuer wird auf 40.012 DM festgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 15%, im übrigen tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt 18.812 DM.
Tatbestand
Streitig sind die Anerkennung der Verluste aus dem Betrieb der Klägerin sowie die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seiner Ehefrau.
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger erzielte im Jahr 1990 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Automobilverkäufer bzw. als Geschäftsführer einer Daimler-Benz-Niederlassung. Die Klägerin betrieb bis 31. Dezember 1990 ein Einzelhandelsgeschäft mit Silber- und Modeschmuck in S. Ferner war sie nach den Angaben der Kläger Arbeitnehmerin ihres Ehemannes.
Im an die Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1990 vom 20. Februar 1995, der den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 22. Januar 1993 änderte, sind die geltend gemachten Verluste der Klägerin aus Gewerbebetrieb und die als Werbungskosten erklärten Lohnzahlungen des Klägers an seine Ehefrau nicht mehr berücksichtigt. Der Beklagte betrachtet den Betrieb der Klägerin als „Liebhaberei”; spätestens Ende 1987 hätte das Geschäft aufgegeben werden müssen. Zudem hält er ein steuerlich beachtliches Arbeitsverhältnis zwischen den Klägern nicht für gegeben.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, der im einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Das Einzelhandelsgeschäft der Klägerin wurde im September 1973 in S., Carl-Theodor-Straße 2, eröffnet. Der Laden befand sich direkt neben dem Meßplatz in der Nähe des Schlosses und damit – wie die nunmehrige Prozeßbevollmächtigte der Kläger in einem Schreiben an den Beklagte vom 14. Juli 1993 ausgeführt hat – in „optimaler” Lage. Nach einer kurzfristigen Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Oktober 1984 wurde das Geschäft ab 01. November 1984 in der Carl-Theodor-Straße 17 betrieben und – wie in dem genannten Schreiben weiter ausgeführt ist ein „6jähriger Mietvertrag” über die neuen Räume abgeschlossen. Der Laden in der Carl-Theodor-Straße 17 ist etwa 200 m von den früheren Geschäftsräumen entfernt. Er liegt wesentlich ungünstiger. Die Klägerin hoffte nach ihrem Vorbringen vergeblich auf eine Aufwertung dieser Gegend durch Maßnahmen der Stadt S. Zum 31. Dezember 1990 gab die Klägerin das Geschäft auf.
In den Jahren 1973 bis 1978 erklärte die Klägerin folgende Verkaufserlöse und Gewinne, bzw. wurden folgende Gewinne vom Beklagte der Besteuerung zugrunde gelegt.
|
1973 |
1974 |
1975 |
1976 |
1977 |
1978 |
Umsätze (brutto) |
15.520 DM |
60.085 DM |
68.312 DM |
61.970 DM |
55.776 DM |
53.749 DM |
Gewinne |
-10.285 DM |
396 DM |
3.380 DM |
-11.568 DM |
-9.746 DM |
-13.683 DM |
Für die Jahre 1979 bis 1990 (zum 31. Dezember 1979 wurde erstmals bilanziert) ergeben sich aus den Abschlüssen der Klägerin u. a. folgende Daten.
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1979 |
1980 |
1981 |
1982 |
1983 |
1984 |
1985 |
1986 |
1987 |
1988 |
1989 |
1990 |
Bank-Verbindlichkeiten |
58.285 |
58.443 |
68.862 |
82.583 |
101.466 |
109.489 |
167.159 |
172.650 |
184.394 |
220.955 |
234.716 |
207.219 |
Verkaufserlöse (netto) |
68.595 |
69.511 |
86.022 |
66.256 |
59.051 |
56.185 |
35.071 |
37.173 |
40.820 |
52.632 |
50.418 |
74.606 |
Wareneinsatz (bzw. für 1979 Warenkauf – netto) |
34.973 |
40.616 |
38.140 |
27.854 |
35.686 |
33.398 |
18.401 |
49.524 |
21.076 |
26.868 |
31.171 |
44.503 |
Rohaufschlagsatz |
96% |
71 % |
126 % |
138 % |
65 % |
68 % |
90 % |
Diebstahl (Ersatz 33.630 DM) |
94 % |
96 % |
62 % |
68 % |
Zinsen |
5.894 |
6.946 |
10.474 |
9.253 |
7.819 |
8.350 |
13.716 |
13.205 |
14.848 |
14.478 |
17.112 |
19.630 |
Personalkosten |
6.917 |
8.384 |
8.378 |
8.191 |
7.615 |
9.661 |
7.415 |
8.338 |
9.564 |
9.652 |
9.340 |
9.446 |
Miete |
4.965 |
4.965 |
4.978 |
4.995 |
4.995 |
6.708 |
7.894 |
7.894 |
7.894 |
9.000 |
8.700 |
7.800 |
Gewinn |
1.076 |
-7.679 |
-4.444 |
603 |
-16.054 |
-21.055 |
-32.343 |
-25.643 |
-29.296 |
-25.505 |
-33.148 |
-45.851 |
2. Mit der Einkommensteuererklärung der Kläger für das Jahr 1990 wurde ein mit einem gedruckten Formular geschlossener „Arbeitsvertrag für geringfügig beschäftigte Aushilfskräfte und Teilzeitjobs” zwischen dem Kläger (Arbeitgeber) und der Klägerin (Arbeitnehmerin), der kein Datum trägt, vorgelegt. Danach wurde die Klägerin „ab dem 01. Januar 1990 in unregelmäßiger Arbeitszeit (je nach Arbeitsanfall) auf unbestimmte Zeit eingestellt”. Die Beschäftigung sollte im Monat „über sechs Tage betragen”. Als Vergütung sind 470,– DM monat...