Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffnungsklausel bei der Besteuerung einer Leibrente aus einer gesetzlichen Altersversicherung eines Selbstständigen. Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Leibrente kann auf Antrag nur dann nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG mit dem Ertragsanteil besteuert werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass diese auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beträgen beruht, die mindestens zehn Jahre oberhalb des Betrages des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden.
2. Mit dem Begriff „Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung” ist für Mitglieder der knappschaftlichen Rentenversicherung deren Höchstbeitrag und für die übrigen Versicherten der Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten gemeint.
3. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Unterbuchst. aa); EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Unterbuchst. bb); GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Besteuerung unterliegenden Anteils der gesetzlichen Rente des Klägers.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Steuerberater selbständig tätig, seine Ehefrau arbeitete als Buchhalterin. Ab dem 01.07.2011 erhielt der Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 5.324 EUR. Im Anschreiben zur Einkommensteuererklärung 2011 beantragten die Kläger hierfür die analoge Anwendung der Öffnungsklausel nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Dies solle eine Doppelbesteuerung vermeiden, da in der Zeit der selbständigen Tätigkeit des Klägers keine steuerfreien Arbeitgeberbeiträge geleistet wurden und sich ein Sonderausgabenabzug infolge der übrigen Vorsorgeaufwendungen nicht auswirken konnte. Die Kläger verwiesen hierzu auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.03.2002 (2 BvL 17/99, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE] 105, 73, Bundessteuerblatt Teil II [BStBl II] 2002, 618).
Bei der Veranlagung berücksichtigte der Beklagte die Öffnungsklausel nicht, er besteuerte die Rentenzahlungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit einem Besteuerungsanteil von 62 %. Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch und stellten den Antrag, einen Anteil von 54,71 % der Leibrente aus gesetzlicher Rentenversicherung des Klägers gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit einem Ertragsanteil von 18 % zu versteuern. Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 08.03.2013 als unbegründet zurück.
Mit der fristgemäß hiergegen erhobenen Klage tragen die Kläger vor, dass ein Anteil von 54,71 % der Leibrente aus gesetzlicher Rentenversicherung des Klägers von insg. 5.324 EUR, also 2.912 EUR lediglich mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern sei, da insoweit die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG greife (Berechnung des Anteils siehe Bl. 9 der Rechtsbehelfsakte). Diese Vorschrift gelte auf Antrag auch für Leibrenten und andere Leistungen, soweit diese auf bis zum 31. Dezember 2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des „Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung” gezahlt worden seien.
Das Einkommensteuergesetz enthalte keine Definition des „Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung”. Es nehme nicht einmal Bezug auf die Sozialgesetze, wo dessen Verwendung am ehestens vermutet werden könne. Aber selbst in den Sozialgesetzen gebe es diesen Begriff nicht. Der „Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung” sei also ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sachgerecht zu interpretieren sei.
Dem vom Beklagten zitierten Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13.09.2010 (IV C 3 – S 2222/09/10041/1V C 5 – S 2345/08/0001) könne entnommen werden, dass der dort verwendete Begriff „Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung” ausschließlich für Angestellte und Arbeiter mit Arbeitgeberanteilen gelten solle, was die Anwendung für Selbständige ausschließe. Die Begriffe „Arbeitgeberanteil”, „Arbeiter” oder „Angestellte” gebe es bei Selbständigen nicht, auch nicht im Zusammenhang mit deren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Das Finanzamt könne deshalb nicht einmal sicher sein, dass der BMF die Anwendung seines Schreibens tatsächlich irgendwie, direkt oder indirekt für Selbständige vorsehen wollte. Der Rentenanteil von 2.912,00 EUR beruhe auf den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers...