Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung eines Miteigentumsanteils als Lieferung. Umsatzsteuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils handelt es sich um eine Lieferung und nicht um eine sonstige Leistung. Weder aus Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL noch aus § 3 Abs. 1 UStG geht hervor, dass eine Lieferung nur dann vorliegt, wenn sich die Übertragung der Verfügungsmacht auf einen körperlichen Gegenstand in seiner Gesamtheit bezieht.
2. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist auch dann steuerfrei, wenn objektiv feststeht, dass der veräußerte Gegenstand unmittelbar nach der Veräußerung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden ist (vgl. EuGH v. 27.9.2007, C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861; BFH v. 6.12.2007, V R 59/03, BStBl II 2009, 57). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das FA das Verbringen des Liefergegenstandes in den anderen Mitgliedstaat nicht bestreitet.
Normenkette
UStG 2005 § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; RL 2006/112/EG Art. 14 Abs. 1; UStG 2005 § 6a Abs. 1 S. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. b; UStDV § 17a Abs. 1 S. 1; BGB § 1008
Nachgehend
Tenor
Die Umsatzsteuer 2008 wird unter Änderung des Bescheides vom 15.3.2013 dahingehend neu festgesetzt, dass der Verkauf des Miteigentumsanteils an dem X-Buch im Jahr 2008 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt wird.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger betreibt einen Handel mit Kunstgegenständen. Am 3.7.2008 ersteigerte er im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einer Auktion in B. das so genannte „X-Buch” zu einem Preis i. H. v. 102.000,00 EUR. Zuzüglich eines Aufgeldes und der Umsatzsteuer ergab sich ein Gesamtbetrag von 130.968,00 EUR. Auf die zur Akte gereichte Rechnung vom 3.7.2008 wird Bezug genommen (Bl. 44 der Gerichtsakte). Am 11.7.2008 verkaufte der Kläger eine 50 %ige Beteiligung an dem X-Buch an die in C. ansässige D. Galery zu einem Preis von 65.484,00 EUR. Die Rechnung vom 11.7.2008, auf die verwiesen wird (Bl. 45 der Gerichtsakte), erstellte der Kläger ohne Umsatzsteuerausweis. Am 30.10.2012 berichtigte der Kläger die Rechnung und gab unter anderem an, dass der Umsatz nach § 4 Nr. 1 b, § 6 a Umsatzsteuergesetz – UStG – als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sei. Auf die berichtigte Rechnung wird Bezug genommen (Bl. 46 der Gerichtsakte). Der Galerist E. holte das Buch im Juli 2008 für die D. Galery in B. ab und transportierte es nach C.. Das Buch wurde dort zunächst ausgestellt. Nach einer weiteren Ausstellung im Frühjahr 2010 in F. wurde es im März 2010 an eine amerikanische Sammlung verkauft. Auf die Bestätigung des Herrn E. wird verwiesen (Bl. 48 f der Gerichtsakte). Am 1.5.2010 verkaufte der Kläger die bei ihm verbliebene restliche 50 %ige Beteiligung an dem X-Buch zu einem Kaufpreis von 240.000,00 EUR an die D. Galery. Auf die Rechnung vom 1.5.2010 und die berichtigte Rechnung vom 30.10.2012 wird Bezug genommen (Bl. 50 f der Gerichtsakte). Auch diese Veräußerung behandelte der Kläger als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.
Das Finanzamt G. stellte den vorstehend geschilderten Sachverhalt anlässlich einer bei dem Kläger durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung fest. Im Prüfungsbericht vom 15.7.2011, auf den Bezug genommen wird (Bl. 53 ff. der Gerichtsakte), vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die im Streitjahr 2008 erfolgte Veräußerung steuerbar sei, weil sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG in B. befunden habe als dem Ort des Beginns der Beförderung. Da der Kläger den Belegnachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung nicht geführt habe, sei diese im Inland steuerpflichtig. Der Beklagte folgte dem und erließ am 18.8.2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2008 (Bl. 61 ff. der Gerichtsakte). Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, dass der im Streitjahr 2008 erfolgte Verkauf der 50 %igen Beteiligung an dem Buch eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6 a Abs. 1 Satz 1 UStG sei. Lieferungen seien nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, die den Abnehmer befähigten, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Miteigentumsanteile an dem streitgegenständlichen Buch seien Gegenstände im Sinne dieser Norm. Dies beruhe auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der entschieden habe, dass als Gegenstände auch solche Wirtschaftsgüter anzusehen seien, die im Wirtschaftsverkehr wie Sachen behandelt würden. Das sei bei Miteigentumsanteilen der Fall, weil sie dem körperlichen Geg...