Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei nicht steuerbarer, verlustträchtiger Veräußerung einer vermieteten Immobilie. Zahlung der Schuldzinsen für ein zur Umschuldung neu aufgenommenes Darlehen vom Ehegattenkonto und bei Verwendung einer zur Finanzierung eingesetzten Kapitallebensversicherung nicht zur Schuldentilgung, sondern zur Finanzierung des Umschuldungsdarlehens
Leitsatz (redaktionell)
1. Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienten, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter in voller Höhe als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (Anschluss an BFH v. 8.4.2014, IX R 45/13), der Steuerpflichtige das Wohngrundstück in Bruchteilsgemeinschaft mit einem anderen Miteigentümer erworben hatte und wenn nunmehr die auf den Steuerpflichtigen entfallenden, mit dem anteiligen Veräußerungserlös nicht tilgbaren Verbindlichkeiten durch ein vom Steuerpflichtigen gemeinsam mit seinem Ehegatten aufgenommenes neues Darlehen umgeschuldet werden und die Schuldzinsen für das neue Darlehen von einem alleinigen Konto des Ehegatten des Steuerpflichtigen gezahlt werden.
2. In diesem Fall wird der nachträgliche Werbungskostenabzug auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige beim Kauf des Miteigentumsanteils die Anschaffungskosten teilweise durch ein tilgungsfreies Festdarlehen, verbunden mit der Abtretung der später zur Tilgung vorgesehenen Ansprüche aus einer bestehenden Kapitallebensversicherung finanziert hat und beim verlustträchtigen Verkaufs dieses Miteigentumsanteils nicht etwa den Rückkaufswert der Lebensversicherung zur Schuldentilgung eingesetzt, sondern zur Umschuldung erneut ein zunächst tilgungsfreies Festdarlehen aufgenommen und die bestehende Lebensversicherung zur späteren Tilgung des Darlehens an Bank abgetreten hat.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011, zuletzt vom 14.03.2012 bzw. 18.09.2012 und in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 08.08.2013, werden dahingehend geändert, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt mit dem EW-Aktenzeichen … statt 0 EUR folgende Werte zugrunde gelegt werden:
2010: ./. 4.126 EUR,
2011: ./. 4.053 EUR.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die steuerliche Anerkennung von Schuldzinsen nach Veräußerung einer Immobilie mit Verlust nach Ablauf der „Spekulationsfrist”, wobei die Finanzierung über ein Lebensversicherungsmodell auch nach der Veräußerung belassen und die Zinsen von einem Konto beglichen wurden, das auf den Ehemann der Klägerin lautet, der nicht Miteigentümer ist.
I.1.
Die Klägerin und ihr früherer Ehemann (im Folgenden: der Miteigentümer) erwarben 1993 je zur Hälfte eine Eigentumswohnung und einen Tiefgaragenstellplatz in B., Landkreis C.. Der Kaufpreis betrug für die Wohnung 347.820 DM, für den Stellplatz 19.890 DM; hinzu kamen allerlei Nebenkosten, außer Grunderwerbsteuer, Notar- und Gerichtskosten namentlich Zinsen in der Bauzeit, Finanzierungsvermittlungsgebühr, Mietgarantiegebühr, Nebenkostengarantiegebühr, Steuerberatungsgebühr, Geschäftsbesorgungsgebühr und Disagio, wodurch sich ein Gesamtfinanzierungsbetrag von 472.024 DM (241.342 EUR) ergab (FG-A Bl. 120, 121).
Am 05.11.2007 veräußerten sie die Wohnung nebst Stellplatz zum 01.01.2008 für 65.000 EUR (127.129 DM), wobei die Veräußerer die Maklercourtage von 2.320,50 EUR trugen (Vertragsakte Bl. 20). Die Wohnung war vom 01.01. bis 31.05.2007 und vom 09.11. bis 31.12.2007 vermietet, dazwischen stand sie leer (ESt-Akte Bd. 1 Bl. 18-22).
2.
Die Klägerin und ihr Miteigentümer nahmen im Juli 1993 zur Finanzierung des Kaufpreises bei der D.-Bank ein Darlehen über 480.000 DM (Auszahlungsbetrag abzüglich Damnum, Bearbeitungskosten und Wertermittlungskosten: 427.200 DM) auf, davon 120.000 DM als Annuitätendarlehen mit 1 % jährlicher Tilgung und 360.000 DM als Festdarlehen. Die Klägerin hatte 1988 bei der E.-Versicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen, Beginn 01.12.1988, Ablauf 01.12.2027, mit einer Versicherungssumme für den Erlebensfall von 180.000 DM (92.033 EUR) und monatlichen Prämien. Diese Versicherung wurde der D.-Bank abgetreten und der Versicherungsschein übe...