Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen zum Gewerbeertrag. Erlass wegen bei gewerblichen Zwischenvermietern anzunehmender sachlicher Unbilligkeit. Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage gegen den Gewerbesteuermessbetrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Gewerbliche Zwischenvermieter sind aufgrund der Besonderheiten ihrer Tätigkeit durch die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG n. F. regelmäßig in einem solchen Maße betroffen, dass bei ihnen unabhängig von dem Vorliegen besonderer persönlicher Billigkeitsgründe (längerfristige Verlustsituation) bereits eine sachliche Unbilligkeit i.S. d. § 163, § 227 AO anzunehmen ist, die Billigkeitsmaßnahmen erfordert. Die Minderung der Gesamtsteuerbelastung aus Körperschaft- und Gewerbesteuer des gewerblichen Zwischenvermieters durch einen körperschaftsteuerlichen Verlustrücktrag beeinflusst nicht die Notwendigkeit, sondern lediglich den Inhalt einer zu treffenden Billigkeitsmaßnahme.
2. Die Regelungen des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG n. F. sind nicht verfassungswidrig und verstoßen weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie und die Berufsfreiheit (vgl. BFH v. 16.10.2012, I B 128/12, entgegen FG Hamburg, Vorlagebeschluss v. 29.2.2012, 1 K 138/10 an das BVerfG).
3. Die Vorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG sind auf gewerbliche Zwischenvermieter anwendbar. Ein Wirtschaftsgut wird nicht nur dann für den Betrieb des Pächters „benutzt”, wenn es in dessen Betrieb genutzt wird, sondern auch dann, wenn es aus betrieblichen Gründen im Wege der Weiterverpachtung einem Dritten zur Nutzung überlassen wird.
4. Zulässigkeit der Anfechtung des Gewerbesteuermessbescheids verbunden mit der Klage zur Verpflichtung des FA zum Erlass von Billigkeitsmaßnahmen bei der Rüge der Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG wegen erdrosselnder Wirkung.
Normenkette
GewStG 2002 n.F. § 8 Nr. 1 Buchst. d, e, § 7 S. 2; AO §§ 163, 227, 5; GG Art. 19 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; FGO §§ 101-102
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids über die Ablehnung des Erlasses einer Billigkeitsmaßnahme betreffend Gewerbe- und Körperschaftsteuer 2008 vom 24. Februar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. August 2010 verpflichtet, den Erlassantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 75 % und dem Beklagten zu 25 % auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit, insbesondere die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnung von aufgewandten Pachtzinsen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 1 lit. d) und lit. e) des Gewerbesteuergesetzes in der für das Jahr 2008 (Streitjahr) geltenden Fassung (GewStG) sowie um eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.
Die im Dezember 1991 gegründete Klägerin betrieb zunächst ab 1992 das Objekt „B.” bis zu dessen Abriss im Jahr 1994. In der Folgezeit pachtete die Klägerin ab 1994 für zunächst zwanzig Jahre von einer C. GmbH die beiden in F. gelegenen Hotels „D.” und „E.” und verpachtete beide Objekte sodann ebenfalls für einen Zeitraum von zwanzig Jahren unter. Diese Tätigkeit übte die Klägerin auch noch im Streitjahr aus. Zum 31. Juli 2009 wurde die Unterverpachtung vorzeitig beendet.
Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Zwischenverpächterin einen – zwischen den Beteiligten in der Höhe unstreitigen – Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 105.395 EUR. Der Beklagte setzte hierfür zunächst mit Bescheid vom 08. Oktober 2009 eine Körperschaftsteuer in Höhe von 15.809 EUR fest. Infolge eines späteren Verlustrücktrags aus 2009 minderte sich das zu versteuernde Einkommen für 2008 auf 0 EUR; der Beklagte erließ daraufhin am 25. Juni 2010 einen Änderungsbescheid, in dem er die Körperschaftsteuer für 2008 auf 0 EUR festsetzte.
Zur Ermittlung des Gewerbeertrags der Klägerin für 2008 rechnete der Beklagte gemäß § 7 Satz 1 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 8 Nr. 1 lit. d) und lit. e) GewStG Beträge in einer – unstreitigen – Höhe von insgesamt 522.790 EUR hinzu; gleichzeitig nahm er eine Kürzung nach § 9 Nr. 5 GewStG für geleistete Spenden in Höhe von 1.613 EUR vor. Aus dem daraus errechneten (abgerundeten) Gewerbeertrag in Höhe von 626.500 EUR ermittelte der Beklagte sodann den mit Bescheid vom 08. Oktober 2...