Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausreichende Bezeichung von 18 durch Postzustellungsurkunde zugestellten Steuerbescheiden auch ohne Angabe der Steuernummer. trotz Zeugenaussage der Ehefrau keine Widerlegung der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurden insgesamt jeweils sechs Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1983 in einer Sendung per Postzustellungsurkunde zugestellt, so hat der Bearbeiter des Finanzamts den Inhalt der Sendung mit dem unter Feld 1.1. „Geschäftsnummer” der Postzustellungsurkunde angebrachten Vermerk „”… ESt-Besch`e f 78-83 v 9.2.88, …USt-Besch`e f 78-83 v 9.2.88, …GewSt-Besch`e f 78-83 v 9.2.88” ausreichend genau entsprechend den Anforderungen von § 3 Abs. 1 S. 2 VwZG in der bis zum 30.6.2002 geltenden Fassung bezeichnet. Es war insoweit nicht erforderlich, für sämtliche Bescheide 18 Geschäftsnummern (Steuernummern) zu bilden oder aber eine Steuernummer 18-fach den jeweiligen Bescheiden voranzustellen.
2. Hat der Postzusteller der Ehefrau des Klägers die Sendung persönlich übergeben, so ist nach den gesamten Umständen von einer wirksamen Bekanntgabe aller 18 Bescheide auszugehen, wenn u. a. ein Schreiben der früheren Bevollmächtigten des Klägers kurz nach der Zustellung den Erhalt aller Bescheide nahelegt, in der Folgezeit jahrelang wegen dieser Steuerforderungen Gespräche an Amtsstelle geführt, Vollstreckungsversuche unternommen, Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen, Umbuchungsanträge gestellt sowie strafrechtliche Ermittlungen geführt worden sind, nunmehr erstmals 14 Jahre nach der Zustellung der Erhalt von nur sechs der 18 in der Sendung erhaltenen Bescheide behauptet wird und die Zeugenaussage der Ehefrau zu diesem Vorgang auch unter Berücksichtigung des lange zurückliegenden Zustellungssachverhalts lückenhaft und in sich widersprüchlich ist.
3. Es ist von einem tatsächlichen Zugang von zwei durch einfachen Brief bekanntgegebenen Steuerbescheiden auszugehen, wenn die rückständigen Steuerbeträge bereits in der Vergangenheit Gegenstand einer persönlichen Unterredung zwischen dem Kläger, seinem Rechtsanwalt und Mitarbeitern des Finanzamts waren, das Finanzamt wegen der rückständigen Steuern bereits eine Lebensversicherung des Klägers pfänden wollte, die Rückstande vom anwaltlich vertretenen Kläger unbestritten jahrelang in Rückständeaufstellungen des Finanzamts aufgeführt waren und nunmehr 23 Jahre nach der Bekanntgabe erstmals die angeblich unterlassene oder fehlgeschlagene Bekanntgabe der Bescheide behauptet wird.
Normenkette
AO § 124 Abs. 1 S. 1, § 122 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 S. 1, § 155 Abs. 1 S. 2; VwZG § 3 Abs. 1 S. 2; ZPO § 418 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die wirksame Bekanntgabe der Gewerbesteuerbescheide für 1976 bis 1983 und der Umsatzsteuerbescheide für 1978 bis 1983.
Der Kläger war seit 1970 mit einem Bauunternehmer selbständig tätig. Seit 1979 ergriff der Beklagte gegen den Kläger Vollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen. Mit Verfügung vom 7. Oktober 1981 (…) regte er beim zuständigen Gewerbeamt wegen rückständiger Abgaben i. H. v. 189.009,47 DM die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an. Daraufhin untersagte das Gewerbeamt dem Kläger mit seit 30. Juli 1998 unanfechtbarem Bescheid vom 18. Oktober 1982 (…) jede Ausübung eines Gewerbes. Zum 13. Februar 1986 betrugen die Rückstände des Klägers 323.606,73 DM (vgl. Rückständeaufstellung, …). Hierin enthalten waren auch die mit Bescheid vom 17. Januar 1979 festgesetzte – seit 27. Februar 1979 fällige Gewerbesteuer 1976 (4.170,– DM) sowie die mit Bescheid vom 31. August 1979 festgesetzte – seit 1. Oktober 1979 fällige Gewerbesteuer 1977 (5.670,– DM). Bereits am 22. Juli 1979 (…) und am 3. Dezember 1982 (…) erfolgten fruchtlose Pfändungen.
Am 21. August 1986 fand in den Diensträumen des Beklagten zwischen dessen Mitarbeitern, dem Kläger (der zu diesem Zeitpunkt eine Haftstrafe verbüßte und sich im Freigang befand) und seinem damaligen Rechtsanwalt A ein Gespräch statt. Hierüber fertigte der Sachbearbeiter „B” (auszugsweise) folgenden Aktenvermerk:
„Es wurde zunächst festgestellt, das die Gesamtrückstände ca. 320.000,– DM betragen (incl. SZ, Anmerkung: Abkürzung für Säumniszuschläge). Dabei wurden die Besteuerungsgrundlagen seit 1976 geschätzt. Diese Bescheide sind bestandskräftig … Im Hinblick auf den Abbau der Steuerrückstände wurde nunmehr vereinbart, dass von Herrn A eine Zusammenstellung der Umsätze ab 1975 (ggf. auch geschätzte BA) sowie Nachweise über Haftzeiten eingereicht werden.”
Unter Bezugnahme auf diese Unterredung reichte das Rechtsanwaltsbüro A und C mit Schriftsatz vom 14. November 1986 (vgl. Hinweisakte) für den Kläger beim Beklagten Aufstellungen über Einnahme...