Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungssachen
Tenor
Die Vollziehung des Duldungsbescheides vom 10. März 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 08. Oktober 1996 wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 66.000,– ausgesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf DM 6.600,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Duldungsbescheid vom 10. März 1995 focht das Finanzamt (FA) die Übertragung eines halben Miteigentumsanteils an einem Grundstück durch den Vater der Antragstellerin an die Antragstellerin an. Den von der Antragstellerin eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 08. Oktober 1996 im wesentlichen zurück. Die Antragstellerin verfolgt ihr Anfechtungsbegehren mit einer Klage weiter, die unter dem Aktenzeichen 296231K2 anhängig ist.
Den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA mit Bescheid vom 02. Dezember 1996 ab.
Am 27. Januar 1997 hat die Antragstellerin bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt. Danach hatte das FA sich bereiterklärt, AdV zu gewähren, wenn die Antragstellerin eine entsprechende Sicherheit leisten würde. Nachdem die Antragstellerin durch die Übergabe von Sparbüchern und die damit verbundene Verpfändung von Spareinlagen in Höhe von DM 66.000,– Sicherheit geleistet hatte, hat das FA mit Bescheid vom 11. Juli 1997 die Vollziehung „unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gegen Sicherheitsleistung” ausgesetzt und gleichzeitig das AdV-Verfahren für erledigt erklärt.
Die Antragstellerin hat es abgelehnt, das AdV-Verfahren für erledigt zu erklären, da das FA die AdV mit dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs verbunden habe. Es sei eine vorbehaltlose Aussetzung begehrt gewesen.
Darauf hat das FA entgegnet, daß eine AdV entsprechend dem Anwendungserlaß zur Abgabenordnung grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Widerrufs erfolge, um die AdV ggf. einer Änderung der verfahrensmäßigen Situation anpassen zu können. Dies entspreche auch der Rechtslage bei Gewährung der AdV durch das Gericht, denn das Gericht könne nach § 69 Abs. 6 FGO Beschlüsse über Anträge auf AdV jederzeit ändern oder aufheben. Die Behörde könne bei einer von ihr gewährten AdV nicht schlechter gestellt sein.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende allein, denn die von den Beteiligten im Hauptsacheverfahren 296231K2 abgegebenen Einverständniserklärungen mit einer Vorsitzendenentscheidung nach § 79 a Abs. 3 FGO gelten auch für das AdV-Verfahren.
1. Der Antrag ist zulässig, denn das AdV-Verfahren ist nicht erledigt. Das FA hat die AdV gegen Sicherheitsleistung nur unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs gewährt, während die Antragstellerin AdV ohne Widerrufsvorbehalt begehrt.
Das FG Bremen (Beschluß vom 05. November 1976 I 89/76 As, EFG 1977, 78) hat zwar in Übereinstimmung mit einer Reihe weiterer Finanzgerichte (vgl. die Aufzählung im Beschluß des FG Hamburg vom 12. Juli 1979 IV 49/79 H, EFG 1979, 612) im Widerspruch zum BFH-Beschluß vom 10. März 1970 II S 39/68, BFHE 98, 330, BStBl. II 1970, 385 die Auffassung vertreten, daß ein gerichtliches AdV-Verfahren auch dann in der Hauptsache erledigt ist, wenn die Aussetzung durch das FA nur unter Widerrufsvorbehalt verfügt wurde. Diese FG-Rechtsprechung, der nur das FG Hamburg a.a.O. entgegengetreten war, ist inzwischen überholt, nachdem andere Senate des BFH den Beschluß BFHE 98, 330, BStBl. II 1970, 385 bestätigt haben (Beschlüsse vom 12. Juni 1986 IX B 64/83, BFH/NV 1986, 682 und vom 13. Dezember 1990 VIII B 89/89, BFH/NV 1992, 314). In den Kommentierungen des § 69 FGO wird die Auffassung des BFH überwiegend gebilligt (Graeber/Koch, FGO, 4. Aufl., Tz. 158; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Tz. 88, Stand 11/93; Haarmann in Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 4276, Stand 3/93; Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Tz. 300; a.A. Tipke-Kruse, Tz. 29 a.E., Stand 6/93).
Dieser jetzt ganz überwiegenden Auffassung ist aus den folgenden Gründen zu folgen:
Bei Vorliegen der in § 361 AO bzw. § 69 FGO genannten Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf AdV. Das Gesetz sieht nicht vor, daß die AdV unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestellt werden kann. Nach § 120 Abs. 1 AO kann ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung – zu der nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO auch der Widerrufsvorbehalt gehört – nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, daß die grundsätzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. An beiden Voraussetzungen fehlt es offenkundig.
Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen im Fall der AdV mit Widerrufsvorbehalt keinen wesentlichen Unterschied zur AdV ohne Widerrufsvorbehalt aufweise. Vielmehr räumt der Widerrufsvorbehalt dem FA eine verfa...