Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbegünstigung des Erwerbs eines Anteils an einer im Drittland ansässigen Kapitalgesellschaft nach § 13a ErbStG von Todes wegen verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht oder Verfassungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist weder im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit noch verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstanden, dass beim Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat – hier: Kanada – von Todes wegen weder der gegenstandsbezogene Freibetrag noch der verminderte Wertansatz gelten.
2. Im Streitfall ist die Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als unvermeidliche Konsequenz einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen. Dies hat zur Folge, dass § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG von vornherein nicht am Maßstab des Art. 56 EG zu prüfen ist.
3. Wäre eine Prüfung des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG (auch) am Maßstab des Art. 56 EG geboten, läge ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor.
Normenkette
ErbStG 1997 § 13a Abs. 1-2, 4 Nr. 3; EG Art. 56, 58, 43; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob es gegen Gemeinschaftsrecht und/oder innerstaatliches Verfassungsrecht verstößt, wenn Freibetrag und verminderter Wertansatz gemäß § 13a des Erbschaftsteuergesetzes in der im Jahr 2007 geltenden Fassung (ErbStG) nicht bei geerbten Anteilen an einer kanadischen Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden.
Die Klägerin ist Alleinerbin des am 10. Februar 2007 verstorbenen E.
Zum Nachlass des E. gehörte unter anderem eine 100%-ige Beteiligung an der kanadischen H.-Ltd. Bei der H.-Ltd. handelte es sich um eine Investmentgesellschaft mit Immobilienbesitz in Kanada. Der Wert der Beteiligung wurde in der Erbschaftsteuererklärung mit …,– EUR angegeben.
Am 24. November 2008 erließ der Beklagte einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem er den Wert der Beteiligung erklärungsgemäß mit …,– EUR ansetzte. Die Vergünstigungen des § 13a ErbStG (Freibetrag und verminderter Wertansatz) gewährte er nicht. Die Anwendung des § 13a ErbStG hätte im Streitfall zur Berücksichtigung eines Betriebsvermögensfreibetrags i.H.v. 225.000 EUR (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und eines Bewertungsabschlags i.H.v. 320.991 EUR (§ 13a Abs. 2 ErbStG) zugunsten der Klägerin geführt.
Gegen den Erbschaftsteuerbescheid vom 24. November 2008 legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 2008, das am darauffolgenden Tag beim Beklagten einging, Einspruch ein. Sie rügte, dass die Berechnung der Erbschaftsteuer für die Anteile an der ausländischen H.-Ltd. nicht so durchgeführt worden sei, wie sie gemäß § 13a ErbStG bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung zur Zeit der Entstehung der Steuer im Inland durchgeführt worden wäre. Hierin sah sie einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelte, sei das EuGH-Urteil vom 17. Januar 2008 Rs. C-256/06, Jäger (Slg 2008, I-123), das zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit unterschiedlicher Bewertungen von in- und ausländischem Vermögen ergangen sei, auch im Streitfall anzuwenden.
Am 14. Mai 2009 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Freibetrag und vermindertem Wertansatz gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 3, Abs. 1 und 2 ErbStG lägen nicht vor. Nach dieser Vorschrift seien Anteile an einer Kapitalgesellschaft nur begünstigt, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland habe. Die H.-Ltd. sei eine kanadische Kapitalgesellschaft, die nach Aktenlage weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland habe.
Nach dem EuGH-Urteil in Slg 2008, I-123 sei die Benachteiligung eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens durch die Beschränkung von Freibetrag und vermindertem Wertansatz auf inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit europarechtswidrig. Die Grundsätze dieses Urteils würden von der Finanzverwaltung nunmehr auch auf in anderen Mitgliedstaaten belegenes Betriebs- und Grundvermögen sowie Anteile an Kapitalgesellschaften angewendet. Jedoch seien die Vergünstigungen des § 13a ErbStG nur bei innergemeinschaftlichen Vermögenserwerben zu gewähren. Auch das neue, am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuergesetz sehe in § 13b ErbStG eine Vergünstigung nur für Vermögensgegenstände in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums vor. Eine Anwendung auf den Erwerb von in Drittländern belegenem Vermögen sei nicht vorgesehen.
Zwar verbiete Art. 56 EG (ex-Art. 73b EG-Vertrag) Beschränkungen des Kapitalverkehrs auch zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Jedoch berühre dieses Verbot ge...