Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Steuerfreifreistellung von Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003. Steuerfreier Sanierungsgewinn auch ohne zivilrechtlichen Anforderungen entsprechenden Sanierungsplan und bei Teilerlass eines einzigen Gläubigers möglich
Leitsatz (redaktionell)
1. Das BMF hat zumindest vom Grundsatz her keine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt, indem es nach Wegfall von § 3 Nr. 66 EStG a.F. durch sein Schreiben vom 27.3.2003, IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl 2003 I S. 240 Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen von der Ertragsbesteuerung ausgenommen hat (gegen Sächsisches FG, Urteil v. 4.4.2013, 6 K 211/09).
2. Ein Steuererlass nach dem BMF-Schreiben in BStBl 2003 I S. 240 setzt nicht zwingend das Vorliegen eines Sanierungsplanes voraus, der die zivilrechtlichen Anforderungen an einen Sanierungsplan – Beschreibung und Analyse des Unternehmens, Krisenursachenanalyse, Lagebeurteilung, Leitbild des sanierten Unternehmens, Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens sowie eine Planverprobungsberechnung – erfüllt.
3. Hat der Steuerpflichtige den Kauf eines Hotels mit Gaststätte mit einem bis zu zehn Jahren zins- und tilgungsfreien Hausbankdarlehen finanziert, so ist von einer Sanierungsbedürftigkeit des Hotel- und Gaststättenunternehmens auszugehen, wenn die vom Unternehmer erwirtschafteten Gewinne bzw. Verluste nur so lange eine Fortführung des Unternehmens gewährleisten, wie noch keine Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen sind.
4. Auch ein Teilerlass eines einzelnen Altgläubigers bei einer Umschuldung unter Einstieg eines neuen Gläubigers kann zu einem im Billigkeitswege steuerfreien Sanierungsgewinn führen.
5. Die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ist darauf zurückzuführen, dass eine Doppelbegünstigung durch die Ertragsteuerfreiheit von Sanierungsgewinnen einerseits und die zwischenzeitlich eingeführte unbegrenzte Verlustverrechnungsmöglichkeit andererseits vermieden werden sollte. Diese Doppelbegünstigung liegt aber ausnahmsweise dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige auch nach einem Teilerlass eines Gläubigers dauerhaft so niedrige Gewinne erzielt, dass er keinerlei steuerlichen Vorteil durch Verlustverrechnungsmöglichkeiten hat.
Normenkette
AO §§ 227, 5; FGO § 102; EStG 1990 § 3 Nr. 66
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10. Januar 2011 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26. September 2011 verpflichtet, den Klägern ihre Einkommensteuer 2008 in Höhe von 59.707 EUR zu erlassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Im Jahr 2000 kaufte und sanierte die Klägerin auf der Grundlage eines Unternehmenskonzeptes ein zuvor von ihr gepachtetes Hotel mit Gaststätte. Zu diesem Zweck stellte ihr die …bank ein längstens bis zum Jahr 2010 zins- und tilgungsfreies Hausbankdarlehen von 239.800 EUR zur Verfügung, das seinerseits teilweise durch ein Darlehen der … abgesichert war. Als sich wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Umsatz- und Ertragsziele und damit auch die Zahlungs- und Kapitaldienstfähigkeit der Klägerin nicht wie prognostiziert entwickelten, verhandelte diese ab Mitte 2007 im Beistand mit einer Vermögensberaterin mit der …bank über einen Schuldenerlass. Wegen der dabei angestellten Überlegungen wird auf Blätter 54 ff. der Rechtsbehelfsakte und wegen der dabei zugrunde gelegte Prognose über die Gewinne und Verluste des Unternehmens auf Blatt 41 f. der Klageakte verwiesen. Im Ergebnis erreichte die Klägerin im Jahr 2008, dass die …bank gegen eine Zahlung von 280.000 EUR auf betrieblich veranlasste Forderungen in Höhe von 249.661 EUR und auf privat veranlasste Forderungen von rund 25.000 EUR, insgesamt also 274.625 EUR verzichtete und auch die dafür eingeräumten Sicherheiten in entsprechender Höhe freigab. Die für die Zahlung benötigten Mittel wurden der Klägerin – wie die …bank wusste – von der … Bank zur Verfügung gestellt, die die …bank seither als Hausbank der Klägerin abgelöst hat. Infolge dieser Gestaltung minderte sich der von der Klägerin zu leistende Kapitaldienst von 42.748 EUR im Jahr 2008, 41.537 EUR im Jahr 2009 und 66.544 EUR im Jahr 2010 auf jeweils 22.010 EUR in allen vorgenannten Jahren. Wegen der Einzelheiten zum Kapitaldienst wird auf Blatt 159 bis 160 der Klageakte verwiesen. Den Forderungsverzicht hinsichtlich der betrieblichen Forderungen verbuchte die Klägerin als außerordentlichen Ertrag, der nach Abzug eines Verlustes aus laufendem Geschäftsbetrieb von 2.124 EUR zu einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 247.538 EUR und damit – angesichts bloßer Renteneinkünfte des Klägers von 6.091 EUR...