Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung des FA zur Änderung eines Grunderwerbsteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei fehlender (verpflichtender) Anzeige der Beteiligten, aber gleichzeitiger Verletzung der Ermittlungspflicht
Leitsatz (redaktionell)
Das FA kann einen bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheid nicht gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO wegen fehlender Einbeziehung der in Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb entstehenden Sanierungskosten in die Bemessungsgrundlage aufgrund der Verletzung der Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ändern, wenn die Grunderwerbsteuerstelle zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids durch einen Anruf der Betriebsprüferin wegen der Höhe der bereits festgesetzten GrESt Kenntnis davon hatte, dass die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung nicht in vollem Umfang als Bemessungsgrundlage angesetzt worden war, weil der Anruf erkennbar nur bei einer solchen Auslegung sinnvoll sein konnte.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GrEStG § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 8; AO § 88
Nachgehend
Tenor
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 19. März 2003 und der Einspruchsbescheid vom 12. August 2003 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte (FA) eine gegenüber dem Kläger ergangene bestandskräftige Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 173 Abgabenordnung (AO) ändern durfte.
Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1998 den halben Miteigentumsanteil an einem in P. belegenen Grundstück mit aufstehendem Doppelwohnblock zum Preis von 140.500,00 DM. Das seinerzeit zuständige Finanzamt … setzte deswegen mit Bescheid vom 21. Februar 2000 die Grunderwerbsteuer auf 4.917,00 DM fest. Nach einer exakten Vermessung ergab sich eine Größendifferenz des Grundstücks im Vergleich zu der lt. Kaufvertrag angenommenen Größe; deswegen erhöhte sich der Kaufpreis vereinbarungsgemäß um 10.890,00 DM. Das Finanzamt … setzte dem gemäß die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 11. Dezember 2002 auf nunmehr 2.707,82 EUR (= 5.298,98 DM) erhöht fest.
Der Kläger hatte neben dem erwähnten Erwerb des Grundstücks mit privatschriftlichem Vertrag vom 16./17. Dezember 1998 den Veräußerer des Grundstücks mit der Sanierung des Doppelwohnblocks zu einem Pauschalpreis von 834.500,00 DM beauftragt, ohne seine Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) zu erfüllen. Von dem Sanierungsvertrag erlangte das Finanzamt … nach seiner Darstellung erst im Februar 2003 durch eine entsprechende Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfung des FA Kenntnis; die Kontrollmitteilung datiert vom 28. November 2002; sie wurde nach Darstellung des FA erst zusammen mit dem auszuwertenden Betriebsprüfungsbericht im Februar 2003 von der Großbetriebsprüfung des FA an das Finanzamt … weitergeleitet.
Das Finanzamt … setzte daraufhin mit Bescheid vom 19. März 2003 die Grunderwerbsteuer gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO – unter Einbeziehung der Sanierungskosten in die Bemessungsgrundlage – erhöht auf 17.642,64 EUR (34.506,00 DM) fest.
Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts … habe jedenfalls bereits im Oktober 2002 Kenntnis von der Existenz des Sanierungsvertrages besessen. Im Übrigen habe er, der Kläger, dem Finanzamt … bereits am 24. April 2002 mit der Einreichung seiner Einkommensteuererklärung 1999 Kenntnis von dem von ihm getätigten Sanierungsaufwand für den Doppelwohnblock in P. verschafft.
Der Kläger beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 19. März 2003 und den Einspruchsbescheid vom 12. August 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA steht auf dem Standpunkt, dass die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts … erst im Februar 2003 von der Existenz des Sanierungsvertrages Kenntnis erhalten habe, so dass eine Änderung der bestandskräftigen Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 173 AO zulässig gewesen sei.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Durchführung der Außenprüfung beim Kläger im September 2002 und die grunderwerbsteuerlichen Bezüge der Prüfung des Sanierungsvertrages betreffend das hier in Rede stehende Objekt durch die Vernehmung der Betriebsprüferin W.; wegen der Einzelheiten der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 19. März 2003 war aufzuheben, da dieser Bescheid ohne rechtliche Grundlage ergangen ist.
Nachdem die Grunderwerbsteuer für den hier in Rede stehenden Erwerbsvorgang mit...