Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsveräußerung im Ganzen: Fortführung der Vermietungstätigkeit des Grundstücksveräußerers durch Untervermietung – Vermietung an Zwischenmieter als ähnliche unternehmerische Nutzung des Grundstücks
Leitsatz (redaktionell)
- Die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sind nicht erfüllt, wenn der Grundstücksveräußerer sein Vermietungsunternehmen auch nach der Veräußerung in Form einer umsatzsteuerlich anzuerkennenden Untervermietung gegenüber den Endmietern weiterführt.
- Die Vermietung eines Gebäudekomplexes an den Veräußerer als gewerblichen Zwischenvermieter unterscheidet sich wesentlich von der Tätigkeit eines Endvermieters, der rd. 50 Wohn- und Geschäftseinheiten an unterschiedliche Endmieter vermietet, und begründet daher eine neue (zusätzliche) unternehmerische Nutzung des Grundstücks, die nicht die erforderliche Ähnlichkeit mit dem von dem Veräußerer betriebenen Unternehmen aufweist.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1a, § 4 Nr. 9 Buchst. a, Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1, § 15a Abs. 1, 10 S. 1; BGB §§ 566, 578 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen.
Die Klägerin existiert seit 1970 in ihrer jetzigen Rechtsform und ist seitdem als Baugesellschaft tätig. Neben ihrer Bautätigkeit ist sie auch im Bereich des An- und Verkaufs und der Vermietung von Grundstücken tätig.
Im Rahmen ihres Unternehmens erwarb die Klägerin zum 1.10.2003 ein bebautes Grundstück.
Hierbei handelt es sich um ein mit einem zusammenhängenden Gebäudekomplex bebautes Grundstück, welches sowohl gewerbliche Flächen als auch Wohnungen enthält.
Es bestand aus ca. 30 Wohneinheiten mit 1.546 qm und ca. 20 gewerbliche Einheiten mit 2.844,05 qm, d.h. insgesamt 4.390,05 qm, sowie gemischt genutzten Flächen (Verkehrsfläche/Flure).
Die Klägerin vermietete die Wohn- und Geschäftseinheiten des Gebäudes seit dem Erwerb. Hinsichtlich der Vermietung der gewerblichen Flächen verzichtete die Klägerin auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und nahm dementsprechend beim Erwerb einen Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten iHv 513.895,22 € vor. Dies entsprach dem steuerpflichtig vermieteten Anteil von 64,78% (2.844,05 qm/4.390,05 qm).
In den Jahren 2005 und 2006 führte die Klägerin Umbaumaßnahmen durch. Zum einen wurden im 1. OG 143 qm Verkehrsfläche in (umsatzsteuerpflichtig vermietete) Büroflächen umgewandelt. Zum anderen wurden 671 qm der bisher umsatzsteuerpflichtig vermieteten Fläche in Wohnraum umgewandelt.
Die Klägerin nahm daraufhin in den Umsatzsteuervoranmeldungen ab Januar 2006 jeweils eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG in folgender Höhe vor:
Mit notariellem Kaufvertrag vom 11.12.2006 veräußerte die Klägerin das Grundstück an die Firma A in Luxemburg, sowie ein weiteres, hier nicht streitgegenständliches Grundstück. Der Verkaufspreis wurde mit „EUR 6.630.000 netto” vereinbart (Anlage 2.1 des Kaufvertrages).
Der Besitz sollte an dem der Kaufpreiszahlung folgenden Tag übergehen. Die Kaufpreiszahlung erfolgte im März 2007.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Kaufvertrages gingen die Parteien davon aus, dass die Veräußerung des Grundstücks eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG darstellt.
In § 2 Abs. 3a des Kaufvertrages war vereinbart, dass der Verkäufer nach § 9 Abs. 1 und 3 UStG auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9a UStG verzichtet, sofern die Finanzverwaltung den Verkauf nicht als Geschäftsveräußerung im Ganzen ansehen sollte.
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung bezog sich nur auf die jeweiligen Nutzflächen des Gebäudes, die vom Verkäufer umsatzsteuerpflichtig vermietet werden (51,09% der Gesamtfläche). Der anteilige Kaufpreis betrage insoweit 3.387.267 €. Auf diesen Kaufpreisanteil sei Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe zu entrichten.
Nach § 6 Abs. 3 des Kaufvertrages ermächtigte die Klägerin die Firma A, ab dem Tag des Besitzüberganges die sich aus dem für den Kaufgegenstand bestehenden Mietverträgen ergebenden Rechte gegenüber den Mietern auszuüben.
Die Klägerin trete insoweit sämtliche Rechte aus den Mietverträgen, die am Tag des Besitzübergangs bestehen, an die Firma A ab. Firma A stelle die Klägerin im Gegenzug von allen Verpflichtungen aus den Mietverträgen im Innenverhältnis frei. Firma A sei ab Besitzübergang berechtigt, die Abtretung den Mietern gegenüber offen zu legen. Die Klägerin werde den Mietern die Veräußerung des Kaufgegenstandes anzeigen. Die Klägerin werde hierzu ein mit der Firma A abzustimmendes Musterschreiben verwenden.
Am Tag des Besitzübergangs bestehende Mietrückstände stünden der Klägerin zu.
Der Notar habe die Parteien auf die gesetzlichen Bestimmungen der § 566ff BGB hingewiesen.
Die Klägerin sei ferner verpflichtet, der Firma A innerhalb von zwei Wochen nach Besitzübergang sämtliche von den Mietern geleisteten Mietsicherheiten zu übertragen.
Nach § 8 des Kaufvertrages...