vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines im Inland ansässigen und selbständig tätigen polnischen Staatsbürgers – Ausschluss bei Kindergeldbezug in Polen – Höhe der ausländischen Leistung – Anwendbarkeit der der Kollisionsvorschrift des Art. 73 VO (EWG) 1408/71 – Voraussetzung der Beitragspflicht in der deutschen Rentenversicherung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Kindergeldanspruch eines im Inland ansässigen und selbständig tätigen polnischen Staatsbürgers wird durch die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, wenn für die in Polen wohnhaften Kinder polnische Familienleistungen gewährt wurden.
- Auf die Höhe der ausländischen Leistung kommt es für die Vergleichbarkeit mit dem deutschen Kindergeld nicht an.
- § 65 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nicht durch die Kollisionsvorschrift des Art. 73 VO (EWG) 1408/71 verdrängt, wenn der Anspruchsteller in Deutschland weder in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters noch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- oder beitragspflichtig ist.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO 1408/71/EWG Art. 13 Abs. 2 Buchst. b), Art. 73; VO 1408/71/EWG Anhang I Teil I Buchst. D) b)
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Seine nichterwerbstätige Ehefrau lebte mit den beiden Kindern „A” (geb. 6.4.1991) und „B” (geb. 28.1.1993) in Polen und erhielt dort für die Kinder im Streitzeitraum polnische Familienleistungen. Der Kläger ist seit Juli 2007 im Inland selbständig tätig und hat seitdem seinen Wohnsitz im Inland. Er ist nach eigenen Angaben in Deutschland lediglich krankenversichert und im Übrigen nicht sozialversicherungspflichtig.
Der Kläger beantragte am 28.10.2010 die Gewährung von Kindergeld. Mit zwei Bescheiden vom 1.6.2011 bewilligte die Familienkasse für die beiden Kinder Kindergeld jeweils in Höhe der Hälfte der jeweiligen gesetzlichen Beträge und zwar für den Zeitraum Juli 2007 bis April 2010. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Der Kläger sei nicht in Deutschland rentenversichert, so dass auf ihn die Verordnung EWG 1408/71 nicht anwendbar sei. Der völlige Ausschluss des Kindergeldes gem. § 65 EStG entspräche jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers, so dass jedenfalls in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Beträge Kindergeld zu gewähren sei. Die hiergegen erhobenen Einsprüche wurden mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 20.12.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Inhalt der Einspruchsentscheidungen Bezug genommen (Bl. 10ff der Gerichtsakten).
Der Kläger hat am 6.2.2012 Klage erhoben und trägt vor, er sei unstreitig seit Juli 2007 in Deutschland wohnhaft und betreibe einen Gewerbebetrieb. Die Kinder besuchten in Polen weiterführende Schulen. Nachdem in Polen Familienleistungen bezogen worden seien, sei in Deutschland Kindergeld in gesetzlicher Höhe abzüglich dieser Leistungen zu zahlen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen und
2. die Beklagte zu verpflichten, unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom1.6.2011 in Gestalt der jeweils hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 20.12.2011 für seine beiden Kinder Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe unter Anrechnung der polnischen Familienleistungen sowie jeweils einen einmaligen Kinderbonus zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidungen
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Familienkasse vorgelegten Kindergeldakten.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.
Nach § 142 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Rechtsverfolgung nicht oder nur teilweise aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
2. Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung). Der Kläger hat für seine beiden Kinder in den fraglichen Zeiträumen keinen Anspruch auf Kindergeld abzüglich der in Polen gezahlten Familienbeihilfen (Differenzkindergeld).
Der Kläger erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Gewährung deutschen einkommensteuerrech...