Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste aus der Veräußerung von Indexzertifikaten
Leitsatz (redaktionell)
- Ein bei der Veräußerung von Indexzertifikaten (EUR Lock in Bull Certificates on the DAX) mit einer Verzinsung i.H.v. 0,67 % des Nominalwerts und einer Mindestkapitalrückzahlung von 15 % erlittener Verlust ist insoweit dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen, als der Steuerpflichtige das der Höhe nach eindeutig bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls in Höhe von 85 % des Nennbetrags der Zertifikate eingegangen ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl 2008 II S. 563).
- Entsprechendes gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG für die damit im Zusammenhang stehenden Werbungskosten.
Normenkette
EStG 2002 § 9 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 Buchst. c, S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten, die vom beklagten Finanzamt zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger erwarb am 31. Mai 2007 fünf „EUR Lock in Bull Certificates on the DAX” (Lock in Bull Zertifikate) zum Kurswert von 225.000 € zuzüglich 2.250 € Provision. Die Zertifikate im Nominalwert von 50.000 € hatten eine Laufzeit vom 31. Mai 2007 bis zum 1. Oktober 2008. Als „Observation Date” war der 28. Juli 2008 festgelegt. Als Verzinsung war für den Zeitraum vom 31. Mai 2007 bis zum 28. Juli 2008 ein Betrag von 333 € je Zertifikat vorgesehen.
Für die Zertifikate galt weiter:
Wenn innerhalb der Beobachtungsphase („Observation Period”) vom 31. Mai 2007 bis zum 28. Juli 2008 der „Lock in Level” (Oberwert) von 115 % des Referenzwertes des Zertifikats von 7.883,04 € erreicht und der „Barrier Level” (Unterwert) von 85 % des Referenzwertes nicht erreicht worden wäre, hätte der Emittent einen Betrag von 180 % des Nominalwertes zuzüglich des Zinsbetrags von 333 € zahlen müssen. Wenn innerhalb der Beobachtungsphase vom 31. Mai 2007 bis zum 28. Juli 2008 der „Barrier Level” (Unterwert) von 85 % des Referenzwertes erreicht und der „Lock in Level” (Oberwert) von 115 % des Referenzwertes nicht erreicht worden wäre, hätte der Emittent nur noch einen Betrag von 15 % des Nominalwertes zuzüglich des Zinsbetrags von 333 € zahlen müssen. Wäre während der Beobachtungsphase vom 31. Mai 2007 bis zum 28. Juli 2008 weder der „Barrier Level” (Unterwert) von 85 % des Referenzwertes noch der „Lock in Level” (Oberwert) von 115 % des Referenzwertes erreicht worden, hätte der Emittent einen Betrag von 110 % des Nominalwerts zuzüglich des Zinsbetrags von 333 € zahlen müssen.
Da sich die Aktienkurse zu Beginn des Jahres 2008 negativ entwickelten, wurde der Unterwert des Zertifikats unterschritten. Der Kläger entschloss sich deshalb, die Option zum Erwerb von fünf „Underlying Certificates” gegen Zahlung von 25.000 € auszuüben. Dem Kläger gelang es so, die fünf Lock in Bull Zertifikate im Mai 2008 für insgesamt 38.148,25 € zu veräußern.
Die Kläger machten in ihrer für das Jahr 2008 abgegebenen Einkommensteuererklärung den Verlust aus der Veräußerung der Lock in Bull Zertifikate von 211.650 € und hiermit im Zusammenhang stehende Werbungskosten von 27.698 € geltend.
Das beklagte Finanzamt folgte dem nur zum Teil, indem es als Verlust aus der Veräußerung der Lock in Bull Zertifikate nur einen Betrag von 34.794 € und damit im Zusammenhang stehende Werbungskosten nur mit 4.980 € anerkannte. Zur Begründung verwies es auf die vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563 entwickelten Grundsätze, die auch bei Verlusten aus der Veräußerung von Indexzertifikaten anzuwenden seien.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trugen die Kläger vor: Der BFH habe mit seinem Urteil in BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563 im Wege einer teleologischen Reduktion des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitfall geltenden Fassung (EStG) eine Aufteilung zwischen steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen und einer nicht steuerpflichtigen Wertveränderung des Kapitalvermögens nur zugunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen. Darüber hinaus sei für die fraglichen Lock in Bull Zertifikate eine Verzinsung und kein reiner garantierter Mindestrückzahlungsbetrag vorgesehen gewesen.
Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer für das Jahr 2008 gegen die Kläger mit Bescheid vom 27. Januar 2012 neu fest. Dabei berücksichtigte es als Verlust aus der Veräußerung der Lock in Bull Zertifikate nur noch einen Betrag von 27.174 € und damit im Zusammenhang stehende Werbungskosten nach wie vor mit 4.980 €.
Nachdem das beklagte Finanzamt die Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 auf die Möglichkeit einer Änderung der Steuerfestsetzung zu ihrem Nachteil hingewiesen hatte, setzte es die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer mit Einspruchsentscheidung v...