vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsnatur der Auszahlungsbeschränkung nach § 66 Abs. 3 EStG: Abweichende Regelung der Festsetzungsfrist des Kindergeldes
Leitsatz (redaktionell)
- Die Auszahlungsbeschränkung nach § 66 Abs. 3 EStG in der ab dem 1.1.2018 geltenden Fassung bezieht sich nicht ausschließlich auf den Bereich der Erhebung, sondern beinhaltet eine von der Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO abweichende Regelung, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zu beachten ist (entgegen V 22.2 DA-KG 2018).
- Wird Kindergeld in einem bestandskräftigen Bescheid für Zeiträume rückwirkend festgesetzt, die länger als sechs Monate vor dem Beginn des Monats des Antragseingangs liegen, folgt daraus auch dann die Verpflichtung zu dessen Auszahlung im Umfang der Festsetzung, wenn die Familienkasse die Nachzahlung des festgesetzten Kindergeldes auf den 6-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG begrenzt hat.
Normenkette
EStG 2018 § 52 Abs. 49a S. 7, § 66 Abs. 3; AO § 169
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob die Beklagte die Auszahlung des Kindergeldes für die am 3. August 1993 und am 25. Juli 1999 geborenen Söhne B und C des Klägers entgegen der rückwirkenden Festsetzung ab Juli 2016 bzw. August 2017 aufgrund der Regelung in § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Anspruchszeiträume vor Februar 2018 versagen durfte.
Auf Antrag des Klägers vom 20. August 2018 (Kindergeldakte - KG-Akte - Bl. 88) setzte die Beklagte durch Bescheide vom 5. Oktober 2018 rückwirkend für B ab Juli 2016 und für C ab August 2017 Kindergeld fest. Die Auszahlung des Kindergeldes für Anspruchszeiträume vor Februar 2018 versagte sie unter Hinweis auf § 66 Abs. 3 EStG in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung (KG-Akte Bl. 126 f., 131 f.).
Der Kläger legte dagegen mit Schreiben vom 20. Oktober 2018 am 30. Oktober 2018 Einspruch ein. In einem Schreiben, das er im Zusammenhang mit der Beendigung der Kindergeldzahlungen ab Juli 2016 bzw. August 2017 erhalten habe, sei mitgeteilt worden, dass Kindergeld vier Jahre nachgezahlt werden könne. Er habe sich deshalb Zeit gelassen, zumal Bankguthaben kaum noch Zinsen erbrächten. Über die durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 eingeführte Regelung in § 66 Abs. 3 EStG sei er nicht informiert worden. Das Kindergeld sei für seine Kinder eine Absicherung ihres Studiums. So habe sich sein Sohn B durch sein Studium in X hoch verschuldet. Mit dem Kindergeld habe ein Teil der Schulden gegenüber dem X Staat bezahlt werden sollen. Dass das Kindergeld für diese Zeiten nicht ausgezahlt werde, treffe ihn in voller Härte. Dies sei mit Sicherheit nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen, als er dieses neue Gesetz erlassen habe. Auch sei er, der Kläger, der Meinung, dass das Kindergeld ihm vom jeweils festgesetzten Zeitpunkt an zustehe, weil das Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert habe. Ein Gesetz könne aber nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit Geltung beanspruchen (KG-Akte Bl. 134).
Die Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidungen vom 21. November 2018, in denen sie an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung festhielt und auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück.
Mit der daraufhin erhobenen Klage hält der Kläger an seinem Begehren fest. Er macht geltend, dass er anlässlich eines erneuten Antrags von Kindergeld für seinen volljährig gewordenen Sohn C im Juli 2017 ein Merkblatt zum Kindergeldanspruch für volljährige Kinder erhalten habe, das keine Information zur neuen Rechtslage enthalten habe. Recherchen aufgrund dieses Merkblattes hätten durchweg die Information enthalten, dass Kindergeld - der Rechtslage bei einkommensteuerlicher Antragsveranlagung vergleichbar - rückwirkend für vier Jahre ausgezahlt werde. Da die Frist für die Antragsveranlagung nicht geändert worden sei, sei er davon ausgegangen, dass sich auch die Rechtslage beim Kindergeld nicht geändert habe. Die Beklagte sei in diesem Punkt ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen. Die Neuregelung habe überdies aus Vertrauensschutzgründen erst nach einer Übergangszeit in Kraft treten dürfen. Da das Gesetz erst am 1. Januar 2018 in Kraft getreten sei, sei es zudem auf Zeiträume vor diesem Stichtag nicht anwendbar. Schließlich lasse es keine Berücksichtigung von Härtefällen zu. Ein solcher Härtefall bestehe in Bezug auf seinen Sohn B, der für sein Studium in X ein Darlehen aufgenommen habe, das er jetzt mangels Auszahlung des Kindergeldes für Zeiträume vor Januar 2018 nicht zurückzahlen könne.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 5. Oktober 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 21. November 2018 dahin zu ändern, dass die von der Beklagten verfügte Auszahlungsbeschränkung hinsichtlich des für B und C festgesetzten Kindergeldes aufgehoben und dadurch das für B festgesetzte Kindergeld auch für den Zeitraum von Juli 2016 bis Januar 2018 und das für C festgeset...