Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Behandlung von vertraglich vereinbarten Vermögensvorteilen einer Gemeinde an den Abfallentsorgungsbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Übertragung der Abfallbewirtschaftung von einer Gebietskörperschaft (Kreis) auf eine in deren Anteilsbesitz stehende GmbH kann eine für angesammelte Gebührenbeträge gebildete Rückstellung als nicht umsatzsteuerbarer Gesellschafterbeitrag an die Beteiligungsgesellschaft ausgekehrt werden, wenn die GmbH die Verpflichtung zur Nachsorge nicht als hierauf bezogene Gegenleistung übernommen hat, sondern hierfür von den Anliegern kostendeckende Gebühren erhebt.
- Gleiches gilt für die Auszahlung von nach dem Übertragungszeitpunkt vereinnahmten Gebühren, wenn im Gegenzug lediglich die Freistellung des Kreises von Verbindlichkeiten zugesagt wurde.
- Auch die Übertragung des aus dem Verkauf der abfalltechnischen Anlagen resultierenden Veräußerungsgewinns kann nicht als Entgelt von dritter Seite für die durch die GmbH an die Abfallanlieferer unmittelbar erbrachten Leistungen qualifiziert werden, wenn dieser Betrag nicht in die Entgeltkalkulation für die Rekultivierungs- und Nachsorgemaßnahmen einbezogen wird. Dies gilt ungeachtet der Verpflichtung des Kreises, den erzielten Veräußerungsgewinn wieder dem Gebührenhaushalt gutzuschreiben.
- Obwohl die GmbH mit der Deponiesanierung eine Leistung erbringt, die dem Kreis als abfallentsorgungspflichtiger Körperschaft zu Gute kommt, stellt der hierfür – auf ihren eigenen Antrag - gewährte Landeszuschuss doch kein Entgelt von dritter Seite dar, wenn die Sanierung nicht aufgrund eines mit dem Kreis vereinbarten Rechtsverhältnisses um einer Gegenleistung willen erbracht wird.
- Der Landeszuschuss ist auch nicht als Entgelt von dritter Seite im Hinblick auf die Leistungsbeziehung zwischen der GmbH und den Abfallanlieferern zu werten, da die Zahlungen den leistenden Unternehmer fördern sollen und nicht überwiegend im Interesse der Leistungsempfänger gewährt werden.
- Das übertragene Entgelterhebungsrecht und die Übernahme von Abfallentsorgungspflichten des Kreises durch die GmbH stehen sich nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gegenüber.
- Ein auf Anregung des Gerichts fehlerhaft protokollierter Antrag kann entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebrachten Begehren umgedeutet werden.
Normenkette
UStG §§ 1, 10 Abs. 1; LAbfG § 9 Abs. 2
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob bzw. inwieweit diverse Vermögensvorteile, die die Klägerin vom Kreis „L-Stadt” oder Dritten in den Streitjahren erhalten hat, Entgelt für Leistungen darstellen, die die Klägerin gegenüber dem Kreis „L-Stadt” erbracht hat.
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom 13.01.1993 mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM durch den Alleingesellschafter, den Kreis „L-Stadt”, gegründet wurde. Gegenstand der Klägerin ist die Abfallwirtschaft im Kreis „L-Stadt”. Insbesondere ist der Zweck der Gesellschaft gerichtet auf die Nachsorge und ggf. Sanierung von kreiseigenen Deponien, die Abfallberatung, die Planung und den Betrieb von Abfallentsorgungs- und Wertstoffaufbereitungsanlagen und Deponien, die Planung, den Bau und Betrieb von Einrichtungen der Entsorgungswirtschaft, insbesondere die Übernahme von Verwaltungsaufgaben im Entsorgungsbereich.
Unter dem 24./26.05.1993 schloss der Kreis „L-Stadt” mit der Klägerin einen „Vertrag über die Übertragung der Durchführung von Kreisaufgaben der Abfallwirtschaft und Folgemaßnahmen für Abfallentsorgungsanlagen”. Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
Nach Punkt 1.3 des Vertrages bleibt der Kreis zwar abfallentsorgungspflichtig „nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen”. Laut Punkt 1.1 bedient sich der Kreis jedoch gem. § 3 Abs. 2 Abfallgesetz – AbfG – der von ihm gegründeten GmbH (der Klägerin) zur Erfüllung der in der Präambel des Vertrages genannten Aufgaben der Abfallwirtschaft und der Folgemaßnahmen für Abfallentsorgungsanlagen mit Wirkung zum 01.01.1994. Hierzu überträgt der Kreis – so Punkt 1.2 des Vertrages - alle technischen, planerischen sowie verwaltungsmäßigen und kaufmännischen Aufgaben auf die Klägerin. Des weiteren ist geregelt, dass sich die Klägerin zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben der vom Kreis „L-Stadt” in die Klägerin eingebrachten, an sie verkauften oder verpachteten kreiseigenen Anlagen oder Einrichtungen einschließlich der zu übertragenden öffentlich-rechtlichen Zulassungen, bedient. Hinsichtlich der Benutzung der dem Kreis nicht gehörenden Anlagen und zur Weiterführung einer geordneten Abfallentsorgung tritt die GmbH als Rechtsnachfolgerin des Kreises in alle bestehenden Verträge ein (vgl. i. e. Punkt 1.4 des Vertrages).
Nach § 8 des Vertrages erhebt die GmbH von den Abfallanlieferern Entgelte, die in der Regel den Aufwand laut der nach Handels- und Steuerrecht aufzustellenden Gewinn-...