Entscheidungsstichwort (Thema)
Architekturbüro als Liebhaberei bei objektiver Unmöglichkeit, Totalgewinn zu erzielen; Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Beweis des ersten Anscheins für die Gewinnerzielungsabsicht bei dem hauptberuflichen Betrieb eines Architekturbüros wird durch die objektive Unmöglichkeit der Erzielung eines Totalgewinns widerlegt. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige über einen langen Zeitraum (20 Jahre) ohne Gegensteuerung durch innerbetriebliche Strukturmaßnahmen keine bzw. nur geringfügige Umsätze (ohne Anlagenverkäufe, Privatanteile, Umsatzsteuer) erzielt, keine außergewöhnlichen Verlustursachen ersichtlich sind und sich auch bei einer vernünftigen Reduzierung der Betriebsausgaben kein Totalgewinn ergeben könnte.
2. Kfz-Kosten eines zu 100% schwerbehinderten Steuerpflichtigen (Merkmale G+H) können nur bei Nachweis durch ein Fahrtenbuch oder andere Aufzeichnungen mit einer höheren Jahresfahrleistung als 3000 km als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1, 4, § 33
Tatbestand
I. 1. Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten (das Finanzamt - FA -) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden und drei Klagen, nämlich (1.) gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 vom 22.2.1995 und 1989 bis 1991 vom 24.4.1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 15.4.1997 (16 K 3182/97 E), (2.) gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 vom 20.6.1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5.5.1997 (16 K 3576/97 E) sowie (3.) gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 25.10.1986 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5.5.1997 (16 K 3577/97 E) - erhoben haben.
2. Die Klagen betreffen zwei Streitpunkte (Nichtanerkennung geltend gemachter Verluste des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit als Architekt und die teilweise Nichtanerkennung geltend gemachter außergewöhnlicher Belastungen des Klägers), die Gegenstand einer bei dem Kläger für die Jahre 1989 bis 1991 durchgeführten Außenprüfung waren. Ausweislich des Prüfungsberichts vom 30.1.1995 fand am 20.12.1994 eine Schlußbesprechung statt.
a) Der Kläger ist zu 100 % schwerbehindert. Er besitzt seit dem 8.3.1985 den Behindertenausweis mit den Merkmalen „G + H”. Das FA hatte Kfz-Kosten erklärungsgemäß für jeweils 3.000 km mit dem betreffenden Pauschsatz (0,42 DM/km bis 1992; 0,52 DM/km ab 1993) als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt. Während der Prüfung wurde beantragt, alle Fahrzeugkosten, die bei der Ermittlung der Einkünfte weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten berücksichtigt werden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Der Prüfer folgte dem nicht, weil das Merkmal „aG” fehle (vgl. Tz. 16 des Berichts).
b) Der Prüfer ging ferner aufgrund einer „Gesamtbetrachtung der freiberuflichen Tätigkeit” davon aus, daß die Absicht zur Gewinnerzielung fehle. Der Kläger sei seit dem 1.5.1960 als selbständiger Architekt tätig. Das Büro befinde sich in den Kellerräumen des 1968 fertiggestellten Einfamilienhauses der Klägerin. Gewinnermittlungen für die Jahre bis 1977 lägen nicht mehr vor. Eine Analyse des Gesamtbetriebsergebnisses der letzten 14 Jahre (Gesamtverlust 1978 bis 1991 i.H. von 239.671,31 DM) lasse erkennen, daß den sehr stark rückläufigen Betriebseinnahmen fast gleichbleibende Betriebsausgaben gegenüberstünden. Der Kläger sei nicht bemüht gewesen, die Betriebsausgaben der veränderten Einnahmesituation anzupassen. Die geltend gemachten Personalkosten (im Prüfungszeitraum jeweils 5.280 DM) beruhten auf einem Arbeitsvertrag vom 31.12.1987 mit dem Sohn „A”. Die tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses sei jedoch zweifelhaft. Im übrigen sei anhand der Belege festgestellt worden, daß in nicht unheblichem Umfang Kosten des Privatbereichs als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Aber auch bei einer Kürzung der Betriebsausgaben um diese nicht abzugsfähigen Kosten des Privatbereichs würden sich keine Gewinne ergeben. Soweit der Kläger während der Prüfung vorgetragen habe, er würde aus mehreren Großprojekten, die er teilweise bereits seit 1965 plane, noch hohe Erträge erwarten, die spätestens im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung zu realisieren seien, sei dem aus tatsächlichen Gründen nicht zu folgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Tz. 12 (= S. 5 bis 8) des Berichts verwiesen.
3. Das FA wies sämtliche Einsprüche durch die eingangs erwähnten Einspruchsentscheidungen als unbegründet zurück.
a) Zur Beurteilung der Architektentätigkeit als Liebhaberei führte es - anknüpfend an den in Tz. 12 des Berichts erwähnten Gesamtverlust 1978 bis 1991 i.H. von 239.671,31 DM - ergänzend aus, in den Einkommensteuererklärungen 1992 bis 1996 seien weitere Verluste von insges. 75.307,41 DM erklärt worden. Der Gesamtverlust für die Jahre 1978 bis 1996 betrage somit 314.978,72 DM. Es seien auch für die Jahre 1988 und 1992 bis 1996 nur geringfügige Einnahmen erzielt worden, und zwar ...