Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle
Leitsatz (redaktionell)
- Die Änderung einer widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellten Steuerforderung kann allein im Wege der Nichtigkeits- und Restitutionsklage gemäß § 4 InsO i. V. m. §§ 578 ff. ZPO herbeigeführt werden.
- Die Änderungsvorschriften der §§ 130 ff. AO oder der § 172 ff. AO sind nicht anwendbar, da die Eintragung der festgestellten Forderung nicht die Wirkung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO oder eines bestandskräftigen Steuerbescheides hat, sondern wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt.
Normenkette
InsO §§ 4, 87, 178 Abs. 1, 3; AO § 130 Abs. 1, § 251; ZPO § 580
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts A..., eröffnet.
Mit Schreiben vom 22.02.2006 meldete der Beklagte insgesamt Abgabenforderungen in Höhe von 34.851,99 EUR zur Tabelle an. Darin war die Umsatzsteuer 2006 in Höhe von 27.650,00 EUR enthalten. Grundlage war eine Steuerberechnung vom 09.03.2006.
Am 17.05.2006 wurde der angemeldete Betrag von 34.851,99 EUR in voller Höhe festgestellt.
Am 27.07.2006 ging die Umsatzsteuererklärung für 2006 beim Beklagten ein. Die Erklärung weist eine Umsatzsteuerschuld von 3.064,47 EUR aus.
Mit Schreiben vom 31.07.2006 lehnte der Beklagte eine Änderung der Umsatzsteuer 2006 ab unter Hinweis auf die Feststellung der Forderung zur Tabelle und die Wirkung der Eintragung in die Tabelle wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 178 Abs. 3 Insolvenzordnung – InsO –).
Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten beantragte der Kläger sodann mit Schreiben vom 06.03.2007 nochmals ausdrücklich den Erlass eines ändernden Feststellungsbescheides hinsichtlich der angemeldeten Umsatzsteuer 2006. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2007 ab.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.10.2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 178 Abs. 3 InsO und führte weiter aus, dass die unbestrittene Eintragung in die Tabelle bei Steuerforderungen wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt (Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 Abgabenordnung – AO –) gelte und die Funktion einer Steuerfestsetzung übernehme. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 130 Abs. 1 AO lägen nicht vor. Der Umstand, dass es der Kläger pflichtwidrig versäumt habe, Widerspruch zu erheben, rechtfertige keine Korrektur nach § 130 AO.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger vorträgt:
Die widerspruchslose Feststellung zur Tabelle dürfe nicht wie ein rechtskräftiges Urteil behandelt werden, sondern wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt. Insofern fänden die §§ 130, 131 AO Anwendung. Auf das Urteil des Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg vom 02.04.1993, 9 K 403/91, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 763, werde hingewiesen.
Der Verweis auf die Regelungen der §§ 578 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) sei unhaltbar. Unstreitig sei die vom Beklagten angemeldete Forderung völlig überhöht und durch Einreichung der Steuererklärung auch überholt. Im Übrigen entbinde der Erlass eines Schätzungsbescheides den Steuerpflichtigen nicht davon, eine ordnungsgemäße Steuererklärung abzugeben. Dieser Pflicht sei der Kläger hier schnellstmöglich nachgekommen.
Zur Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer macht der Kläger darüber hinaus mit Schriftsatz vom 21.11.2008 weitere Ausführungen und verweist auf die beigefügte „Umsatzsteuerabstimmung 2006 (bis Eröffnung)” (Blatt 50 der Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Ablehnung eines ändernden Feststellungsbescheides nach § 251 AO zur Umsatzsteuer 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2007 aufzuheben und einen ändernden Feststellungsbescheid bezüglich der Umsatzsteuer 2006 entsprechend der eingereichten Umsatzsteuererklärung 2006 zu erlassen,
hilfsweise Revisionszulassung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise Revisionszulassung.
Er trägt vor:
Die Eintragung in die Tabelle habe die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (§ 178 Abs. 3 InsO). Eine Änderung sei nur noch möglich, wenn die Voraussetzungen einer Restitutionsklage (§ 580 ZPO) gegeben seien. Dies sei hier nicht der Fall.
Die Eintragung einer nicht bestrittenen Forderung stelle insbesondere keinen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO dar.
Die steuerlichen Korrekturvorschriften, sei es nun nach den §§ 130 ff. oder den §§ 172 ff. AO oder nach den Einzelsteuergesetzen fänden keine Anwendung.
Die Vorschriften der InsO hätten Vorrang vor den Vorschriften der AO. Zur Stützung seiner Rechtsauffassung verweist der Beklagte insbesondere auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 14.03.1928, VI A 85/28, StuW 1928 (Bd. II), 374 ...