Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der atypischen von der typisch stillen Gesellschaft bei weitreichenden Mitwirkungsrechten
Leitsatz (redaktionell)
- Eine stille Beteiligung an einer GmbH ist auch bei schwach ausgebildetem Unternehmerrisiko infolge der stark ausgeprägten Unternehmerinitiative als atypisch zu qualifizieren, wenn dem – zugleich zu rund 30 % am Stammkapital beteiligten – Gesellschafter das Sonderrecht eingeräumt wird, die Person des alleinvertretungs-berechtigten Geschäftsführers zu bestimmen.
- Bei einer unter Kaufleuten in einem Individualvertrag getroffenen qualifizierten Schriftformklausel ist für die Beurteilung des vereinbarten Beteiligungsverhältnisses ausschließlich der schriftlich abgeschlossene Vertrag maßgeblich.
- Eine in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben („Sideletter”) enthaltene Vertragsergänzung wird durch das Schweigen des Empfängers nicht verbindlich, wenn die Gegenseite vorher weitere Verhandlungen abgelehnt hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; HGB §§ 118, 233, 362; GmbHG § 51a
Streitjahr(e)
1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Beteiligungen an sowie die Beratung von anderen Unternehmen.
Die Klägerin beteiligte sich gemäß „Vertrag über die Leistung einer stillen Beteiligung” vom 18. Dezember 1996 mit 500.000 DM an der Fa. R Gesellschaft für Daten- und Kommunikationssysteme mbH in G-Stadt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich um eine stille oder eine atypisch stille Beteiligung handelt.
Der schriftliche Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
Vorbemerkung:
Der stille Gesellschafter hält einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 100.000 an dem insgesamt DM 350.000 betragenden Stammkapital der Inhaberin...
§ 1
Der stille Gesellschafter beteiligt sich still an der Inhaberin...
§ 4
Die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft obliegt ausschließlich der Inhaberin...
§ 5
Die Inhaberin darf Maßnahmen und Rechtsgeschäfte gemäß § 11 ihrer Satzung (zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte) sowie die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen und Rechtsgeschäfte nur mit schriftlicher Einwilligung des stillen Gesellschafters vornehmen:
a) Eingehung, Änderung und Aufhebung von Kooperationsverträgen von grundsätzlicher oder erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, Lizenz- und Franchiseverträgen,
b) Abschluß, Änderung und Aufhebung von Verträgen mit Gesellschaftern,
c) Tätigkeitsvergütungen für Beiratsmitglieder,
d) Alle Verträge mit einem Mitglied der S-Gruppe, soweit die Verträge nicht zu marktgerechten Konditionen abgeschlossen werden;
Ferner bedarf die Inhaberin folgende Rechtsgeschäfte und Maßnahmen nur nach vorheriger schriftlicher Einwilligung des stillen Gesellschafters vornehmen:
a) Kapitalerhöhung oder –herabsetzung,
b) Aufnahme weiterer stiller Gesellschafter oder partiarischer Darlehnsgeber,
c) Abschluß, Änderung und Aufhebung von Beratungsverträgen, insbesondere mit Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Unternehmensberatern....
§ 6
1. Dem stillen Gesellschafter stehen die gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte gem. § 233 HGB zu. Darüber hinaus stehen dem stillen Gesellschafter zusätzlich auch die Rechte gem. § 118 HGB und § 51 a GmbHG zu.
4. Dem stillen Gesellschafter steht ein Vetorecht gegen die Beschlußfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses zu...
§ 9
1. Der stille Gesellschafter erhält auf sein stilles Beteiligungskapital eine garantierte Mindestverzinsung in Höhe von 15 % p.a. Diese erhält er auch, wenn die Inhaberin keinen Gewinn erwirtschaftet...
2. Der stille Gesellschafter ist ferner an dem Gewinn und Verlust der Inhaberin beteiligt.
4.…Höchstens ist der stille Gesellschafter an dem Verlust bis zur Höhe seiner Einlage beteiligt.
§ 14
1. Bei Auflösung der stillen Gesellschaft hat der stille Gesellschafter Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens...
2. Bemessungsgrundlage für die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens ist eine auf den Stichtag durchgeführte Unternehmensbewertung. Die Bewertung des Unternehmens erfolgt nach dem Ertragswertverfahren...
§ 17
3. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; dies gilt auch für eine Änderung der Schriftformklausel.
Wegen des Wortlautes im einzelnen wird auf den Vertrag vom 18. Dezember 1996 Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin ihren Prozessvertretern den Vertragsentwurf zur Stellungnahme überreicht hatte, wiesen die Prozessvertreter mit Schreiben vom 9. Dezember 1996 darauf hin, es sei wünschenswert, den Vertrag in manchen Passagen eindeutiger und klarer zu formulieren, um klarzumachen, dass es sich um einen typischen stillen Beteiligungsvertrag handle. Insoweit formulierten sie einen Sideletter zur Konkretisierung der Auslegung des Vertragsentwurfs mit der Anregung, die vorgeschlagenen klarstellenden Formul...