Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug aus dem Rückkauf von Geldspielgeräten - Beantragung der rückwirkenden Steuerbefreiung durch die Geldspielbetreiber unter Berufung auf die Richtlinie 77/388/EWG
Leitsatz (redaktionell)
- Der Vorsteuerabzug aus dem Rückkauf von Geldspielgeräten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die einzelnen Geldspielautomatenbetreiber, die die Spielgeräte an den Großhändler zurückgeliefert haben, im Nachgang zu dem Urteil des EuGH vom 17.02.2005 (Linneweber und Akritidis, C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131-1166, UR 2005, 194) dazu entschieden haben, unter unmittelbarer Anwendung von Artikel 13 Teil B Buchst. f) der Richtlinie 77/388/EWG ihre Geldspielautomatenumsätze umsatzsteuerfrei zu behandeln.
- Wenngleich die Berufung der Geldspielautomatenbetreiber auf die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Haupttätigkeit zur Folge hat, dass auch die (Rück-)Veräußerung der Geldspielgeräte als umsatzsteuerfreies (Hilfs-)Geschäft zu qualifizieren ist, kommt es für die Frage, ob Umsatzsteuer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gesetzlich geschuldet ist, allein auf die deutsche Gesetzeslage (hier: in den Jahren 2003 und 2004) an.
- Die Umsatzsteuerfreiheit der Rücklieferung der Geldspielautomaten ergibt sich unmittelbar aus der Richtlinie 77/388/EWG.
Normenkette
UStG 1999 § 4 Nr. 9 Buchst. b, Nr. 28, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. c, f
Streitjahr(e)
2003, 2004
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus dem Rückkauf von Geldspielgeräten.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die einen Großhandel mit Geldspiel- und Unterhaltungsgeräten betreibt. So verkaufte die Klägerin Geldgewinnspielgeräte an Automatenaufsteller und kaufte diese nach einer gewissen Zeit wieder zurück. Für die Rückkäufe erteilte die Klägerin Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis. Aus diesen (unwidersprochen gebliebenen) Gutschriften machte die Klägerin Vorsteuerbeträge geltend.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung „F-Stadt” vertrat der Prüfer die Auffassung, dass ein Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Rücklieferungen der Automaten nicht möglich sei. Umsätze aus Geldspielgeräten seien nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs -EuGH- vom 17.02.2005 (Linneweber und Akritidis, C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131-1166, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2005, 194) und den Urteilen des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12.05.2005 (V R 7/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 210, 164, BStBl II 2005, 617) und 19.05.2005 (V R 50/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlicher Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 1881) umsatzsteuerfrei. Die Lieferungen von Geldspielgeräten seien als Hilfsumsätze gem. § 4 Nr. 28 Umsatzsteuergesetz -UStG- ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 03.07.2007, insbesondere Tz. 2.2, verwiesen.
Auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen ergingen jeweils unter dem 20.03.2008 geänderte Umsatzsteuer-Jahresbescheide für die Streitjahre (2000 bis 2004). Nachdem der hiergegen eingelegte Einspruch abgelehnt worden war (vgl. Einspruchsentscheidung vom 26.09.2008), hat die Klägerin Klage erhoben.
Nach Auffassung der Klägerin ist der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. So verweist die Klägerin zunächst darauf, dass die Ausgangsumsätze der Automatenaufsteller nach der deutschen Gesetzeslage steuerpflichtig gewesen seien. Denn § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung habe nur die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei gestellt. Alle anderen Umsätze im Zusammenhang mit Spielgeräten seien daher steuerpflichtig.
Auf Grund der Entscheidung des EuGH in Sachen Linneweber und Akritidis (Urteil vom 17.02.2005, C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131-1166, UR 2005, 194) verstoße § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG gegen Art. 13 Teil B Buchst. f) der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Auf Grund dieser EuGHRechtsprechung und der sich anschließenden BFH-Rechtsprechung (Urteile des BFH vom 12.05.2005, V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617 und 19.05.2005, V R 50/01, BFH/NV 2005, 1881) habe der einzelne Automatenaufsteller und Automatenverkäufer das Recht, sich unmittelbar auf die Richtlinie zu berufen, um seine Umsätze steuerfrei zu behandeln. Er habe damit ein faktisches Wahlrecht bezüglich der Umsatzsteuerfreiheit. Wenn sich ein Automatenaufsteller unmittelbar auf die Richtlinie berufe, führe das grundsätzlich dazu, dass auch der Rückkauf des Geldspielgerätes umsatzsteuerfrei sei.
Da Art. 13 Teil B Buchst. f) der Richtlinie 77/388/EWG § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG entgegenstehe, könne man zwar argumentieren, dass die Geldspielgeräte von Anfang an zur Ausführung steue...