Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung nicht abzugsfähiger Vorsteuern als Betriebsausgaben – Gesamtregelungsverständnis des § 9b EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Eine spätere Änderung der Abzugsberechtigung der Vorsteuer wirkt nach dem Gesamtregelungsverständnis des § 9b EStG hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs bei der Ertragsteuer auf den Zeitpunkt der Zahlung zurück und rechtfertigt daher die Änderung eines bestandskräftigen Ertragsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
- Dies gilt auch für die Änderung einer auf einem rechtskräftigem Finanzgerichtsurteil beruhenden Ertragsteuerfestsetzung, wenn über die Abzugsberechtigung der Vorsteuer erst durch eine im 2. Rechtszug isoliert zur Umsatzsteuer ergangene Gerichtsentscheidung endgültig befunden wird.
- Entscheidet das Finanzgericht einheitlich über mehrere angefochtene, aber sich unmittelbar gegenseitig beeinflussende Streitgegenstände (umsatzsteuerlicher Vorsteuerabzug und Auswirkung auf die bilanzielle Gewinnermittlung), kommt der späteren Abänderung einer der getroffenen Entscheidung rückwirkende Kraft zu.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 9b; KStG § 8 Abs. 1
Streitjahr(e)
1990, 1991, 1992, 1993, 1994
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Körperschaftsteuerbescheide 1990 bis 1994 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1994 zugunsten der Klägerin zu ändern waren.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 1990 bis 1994 stellte der Prüfer u. a. fest, dass die Klägerin Honorare an den Wirtschaftsprüfer W geleistet und als Betriebsausgabe verbucht hatte. Die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern hatte die Klägerin als Vorsteuern geltend gemacht. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass die Aufwendungen nicht abzugsfähig seien und die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer i. S. des § 15 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG- abgezogen werden konnte. Der Beklagte folgte der Auffassung des Außenprüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide, in denen er das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um die Nettorechnungsbeträge erhöhte und die bisher berücksichtigten Vorsteuerbeträge um die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge kürzte.
Im Rahmen des sich an das Einspruchsverfahren anschließenden Klageverfahrens kam es im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 10.12.2002 zu folgendem Urteil (6 K 3593/99):
„Die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge werden in der Weise festgesetzt, dass (unter Korrektur der Gewerbesteuerrückstellung) die Hinzurechnung außerhalb der Bilanz der gezahlten Beraterhonorare als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben rückgängig gemacht wird und die Honorare in Höhe von netto 422.013,00 DM (1990), 75.234,00 DM (1991), 679.859,00 DM (1992), 420.000,00 DM (1993), 284.450,00 DM (1994) als abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt werden und die Umsatzsteuer in der Weise festgesetzt wird, dass die auf die Beratungsleistungen entfallende Umsatzsteuer i. H. von 59.081,00 DM (1990), 10.532,00 DM (1991), 195.180,00 DM (1992), 63.000,00 DM (1993) und 42.667,00 DM (1994) als Vorsteuer abgezogen werden. Die Berechnung der Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbeträge sowie der gemäß § 47 Abs. 2 KStG festzustellenden Beträge und der geänderten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals wurden dem Beklagten übertragen.”
Auf die Revision des Beklagten hin wurde das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf hinsichtlich der Umsatzsteuer durch Gerichtsbescheid vom 18.03.2004 (V R 19/03) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen wurde das Urteil des FG Düsseldorf vom 10.12.2002 rechtskräftig (Revision wurde insoweit nicht eingelegt).
In Umsetzung des Urteils des Finanzgerichts Düsseldorf vom 10.12.2002 erließ der Beklagte unter dem 06.06.2003 bzw. 09.07.2003 nach § 172 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer, zur Feststellung gem. § 47 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz -KStG- und zum Gewerbesteuermessbescheid, jeweils für die Veranlagungszeiträume 1990 bis 1994. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26.06.2003 bzw. 14.07.2003 Einspruch. Das Verfahren wegen Umsatzsteuer 1990 bis 1994 endete mit einer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2007 getroffenen tatsächlichen Verständigung, wonach 4/13 der im Streit befindlichen Vorsteuerbeträge als Vorsteuer berücksichtigt werden können (5 K 3726/04).
Mit Schreiben vom 14.11.2007 beantragte die Klägerin, die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1994 in der Weise zu ändern, dass die nach dem Finanzgerichtsverfahren 5 K 3726/04 nicht nach § 15 Abs. 1 UStG abzugsfähigen Umsatzsteuern als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.01.2008 wies der Beklagte die Einsprüche vom 26.06.2003 als unbegründet zurück. Er war der Auffassung, die Steuer- bzw. Steuermessbetragsfestsetzungen könnten nicht nach § ...