vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines geduldeten, nicht erwerbstätigen türkischen Staatsangehörigen
Leitsatz (redaktionell)
- Das Vorläufige Europäische Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 nach wie vor gültig.
- Nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe d des Abkommens hat ein geduldeter, nicht erwerbstätiger türkischer Staatsangehörigen Anspruch auf das nach deutschem Recht zu gewährende Kindergeld unter denselben Bedingungen wie ein deutscher Staatsangehöriger, sofern er seit wenigstens sechs Monaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wohnt.
- Ein spezifischer Aufenthaltstitel ist nicht Anspruchsvoraussetzung.
- Die Unterbringung in einem Übergangsheim genügt den Anforderungen an eine Wohnung i. S. d. Abkommens.
Normenkette
KV/UVEuVorlAbk Art. 1 Abs. 1 Buchst. d, Art. 2 Abs. 1 Buchst. d; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 EStG
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder Mahmud, geb. 15.01.1990, Halil, geb. 10.02.1991, Barak, geb. 01.01.1993, Hamit, geb. 01.01.1994 und Aijse, geb. 22.11.2005, hat.
Der Kläger ist – nach rechtskräftiger Ablehnung eines früheren Asylantrages und daraufhin erfolgter Ausreise am 19.10.2000 – im Juli 2001 erneut in die Bundesrepublik eingereist und stellte zusammen mit seiner Ehefrau und den Kindern Barak und Hamit am 25.07.2001 einen weiteren Asylantrag. Mit Bescheid vom 13.09.2001 wurde der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17.03.2003 abgewiesen.
Der Kläger hält sich seit seiner Einreise im Juli 2001 auf Grund von Aufenthaltsgestattungen bzw. Duldungen seitens der Ausländerbehörde in der Bundesrepublik auf. Seit dem 29.03.2007 ist er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz. Die Kinder Barak und Hamit leben seit Juli 2001 im Haushalt des Klägers, die Kinder Mahmud und Halil sind im April 2005 in die Bundesrepublik gekommen und wohnen seitdem im Haushalt des Klägers. Das Kind Aijse lebt seit der Geburt in der Bundesrepublik.
Mit Anträgen vom 14.10.2005 und 02.03.2006 beantragte der Kläger Kindergeld für die o. g. fünf Kinder.
Mit Bescheid vom 20.03.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen des § 62 EStG für einen Anspruch auf Kindergeld lägen nicht vor. Eine Berücksichtigung nach überstaatlichen Rechtsvorschriften könne nicht erfolgen, da die Voraussetzungen hierfür (beitragspflichtige Beschäftigung bzw. Bezug von Lohnersatzleistungen) nicht erfüllt seien. Schließlich komme auch ein Anspruch nach dem Abkommen über Soziale Sicherheit nicht in Betracht, da der Kläger keine eigene Wohnung nachgewiesen habe.
Dagegen hat der Kläger nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Er trägt vor: Da er türkischer Staatsangehöriger sei, ergebe sich sein Anspruch auf Kindergeld aus zwischenstaatlichen Abkommen. Die Frage der Erwerbstätigkeit sei bei der Beurteilung des Kindergeldanspruches für türkische Staatsangehörige ohne Bedeutung.
Im Übrigen weise er darauf hin, dass er mittlerweile Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz sei und am 01.07.2007 in eine Privatwohnung gezogen sei. Vorher habe er in städtischen Übergangsheimen in der A-Straße 1 bzw. in der B-Straße 2 in A-Stadt gewohnt. Bei diesen Übergangsheimen handele es sich nach Auskunft der Stadt A im Schreiben vom 12.03.2008 nicht um Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 47 Asylverfahrensgesetz. In der A-Straße 1 (bis 18.05.2002) habe die Familie zwei Zimmer bewohnt und sich die Gemeinschaftsküche und die sanitären Anlagen mit anderen Bewohnern des Hauses geteilt. In der B-Straße hätten sie ab 19.05.2002 eine 52 qm große Unterkunft (1 Zimmer, eigene Küche und eigenes Bad) und ab 16.08.2005 eine abgeschlossene Wohneinheit mit 4 Zimmern, Küche, Bad bewohnt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 20.03.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2007 Kindergeld in gesetzlicher Höhe für seine Kinder Mahmud, Halil, Barak und Hamit ab Dezember 2001 sowie für sein Kind Aijse ab November 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 EStG lägen im Ergebnis nicht vor, da der Kläger nicht erwerbstätig sei. Mangels sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit scheide auch ein Anspruch des Klägers nach dem deutsch-türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit aus. Auch liege kein Kindergeldanspruch nach dem Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 3/80 vor, da der Kläger nicht auf Grund einer Erwerbstätigkeit Arbe...