Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielautomaten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ist unionsrechtskonform und verfassungsgemäß.
2. Dadurch, dass als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer die Kasseneinnahmen während eines bestimmten Zeitraums anzusetzen ist, wird das Recht des Unternehmers zur Ausstellung einer Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt.
3. Die (einfache) Beiladung der Betreiber öffentlicher Spielbanken zum Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Geldspielautomatenumsätzen ist nicht geboten.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b, § 10 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 7; FGO § 60 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2009 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, ist.
I.
Die Klägerin wurde am ... 2009 unter der Firma A (haftungsbeschränkt) mit Sitz in B gegründet. Sie betrieb ab September 2009 in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt ... Spielhallen mit Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit. Durch Gesellschafterbeschluss vom ... 2010 wurde der Sitz nach X verlegt.
II.
1. Das ursprünglich örtlich zuständige Finanzamt C erließ am 14.10.2010 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden.
2. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.11.2010 Einspruch ein, reichte am 06.11.2009, 27.11.2009, 10.12.2009 und 11.01.2010 die Umsatzsteuervoranmeldungen für September bis Dezember 2009 sowie am 24.11.2010 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2009 ein und erklärte hierin steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 % in Höhe von ... Euro - hiervon entfiel ein Betrag von ... Euro auf Erlöse aus dem Betrieb der Geldspielautomaten - und zum Steuersatz von 7 % in Höhe von ... Euro sowie abziehbare Vorsteuerbeträge von ... Euro.
3. Das Finanzamt C erließ am 07.01.2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem es die Umsatzsteuer erklärungsgemäß auf ... Euro festsetzte.
III.
1. In dem unter dem Az. 3 K 207/13 geführten Parallelverfahren betreffend Umsatzsteuer 2010 hat der EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Senats vom 21.09.2012 am 24.10.2013 ein Urteil erlassen (C-440/12, UR 2013, 866). Der erkennende Senat hat die Klage der Klägerin anschließend durch Urteil vom 15.07.2014 (juris) abgewiesen. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.
2. Durch Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, FGA Bl. ..., BFH/NV 2016, 84) hat der BFH die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird ebenfalls Bezug genommen. Die Klägerin hat hiergegen Anhörungsrüge erhoben (V S 29/15), über die der BFH noch nicht entschieden hat.
IV.
Die Klägerin hat am 02.10.2013 Untätigkeitsklage erhoben (ursprüngliches Az.: 3 K 214/13). Das Verfahren hat aufgrund des Beschlusses vom 05.02.2014 (FGA Bl. ...) bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Parallelverfahren 3 K 207/13 geruht und ist anschließend unter dem jetzigen Az. fortgesetzt worden. Mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2014 hat der Beklagte den Einspruch gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid für 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt vor, dass die Heranziehung der Kasseneinnahme nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoße. Der Begriff des "Entgelts" werde nicht nur in § 10 UStG verwendet, sondern z. B. auch in § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG, wo sogar ausdrücklich auf § 10 UStG verwiesen werde, wodurch ein unterschiedliches Begriffsverständnis ausgeschlossen sei. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG könne sich der Begriff des Entgelts aber nur auf die Gegenleistung für die jeweils einzelne vom Dienstleistungserbringer gegenüber dem einzelnen Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung beziehen, denn eine Rechnung könne regelmäßig nur gegenüber dem einzelnen Leistungsempfänger ausgestellt werden. Ein anderes Verständnis im Rahmen des § 10 UStG überschreite folglich die dem Gericht durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen für die Auslegung von Gesetzen und die Rechtsfortbildung.
Der Ansatz der Kasseneinnahme nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Grundlage für die Umsatzbesteuerung sei grundsätzlich ungeeignet. Sie wäre nur zulässig, wenn sie, die Klägerin, in diesem Zeitraum nur eine einzige Dienstleistung erbracht hätte. Tatsächlich nehme jedoch jeder Spielgast mit seinem Spiel eine eigenständige Dienstleistung in Anspruch und leiste hierfür ein eigenes Entgelt. Die Annahme des EuGH, der Geräteaufsteller erbringe in dem jeweiligen Zeitraum nur eine einzige Diens...