rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuermessbescheid, Zerlegung; Zerlegungsmaßstab
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Betriebsstättenbegriff der §§ 28 und 30 GewStG ist auf die Vorgaben des § 12 AO 1977 abzustellen. Ein Telekommunikationskabel erfüllt die Eigenschaften einer Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO 1977.
2. Die Gewichtung der Zerlegungsfaktoren ist an den Einzelfallumständen auszurichten. Bei der Frage der Gewichtung der gemeindlichen Lasten aus dem Wohnen der Arbeitnehmer gegenüber denjenigen aus den Betriebsanlagen bzw. anderen Zerlegungsfaktoren, ist es im Rahmen des groben Maßstabes des § 30 GewStG für den Regelfall nicht zu beanstanden, wenn dem Faktor der Arbeitslöhne zumindest 50 vH zuerkannt wird.
Normenkette
GewStG §§ 29-30; AO 1977 § 12; GewStG § 28 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Stadt, die an der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags der X-AG (Beigeladene zu 1.; im Folgenden: X-AG) für das Jahr 1996 (Streitjahr) teilnimmt.
Grundlage der von der Zerlegung betroffenen Telekommunikationstechnik sind die von der X-AG betriebenen Netze, über die mit unterschiedlichen Techniken (analog oder digital) Signale befördert werden. Die Netzstruktur war dabei im Streitjahr Folgende (auf das Schreiben der X-AG vom 26. Januar 2006 samt Anlage, Bl. 267 ff. d.A., wird insoweit verwiesen): Als Zugangsnetz wird insoweit das Teilstück des Gesamtnetzes zwischen dem sog. Hauptverteiler und dem Abschlusspunkt Linientechnik (APL) am/im Haus des Kunden bezeichnet. Im Zugangsnetz hat in aller Regel jeder Kunde eine eigene Kupferdoppelader (sog. letzte Meile). Das Zugangsnetz der X-AG endet demgemäß am APL, während die Endleitung im Haus (Verbindung von APL zum Netzabschluss) vom Kunden oder in seinem Auftrag erstellt wird. Im Zugangsnetz wird der Telekommunikationsverkehr von bzw. zu einem sog. Netzknoten geführt. Bis zum Auslaufen der Analogtechnik bestand das Zugangsnetz aus ca. 8000 als Betriebsstellen der X-AG geführte Ortsvermittlungsstellen (OVSt), während nach der Vollumstellung auf die Digitaltechnik ab 1997 ca. 1600 Mutter-Vermittlungsstellen (MVSt) und ca. 6300 abgesetzte periphere Einheiten (APE) betrieben wurden. Unter der Analogtechnik blieben Gespräche innerhalb eines Anschlussbereiches, der OVSt, im Zugangsnetz und gingen nicht ins sog. Verbindungsnetz, in dem der in den vorgenannten ca. 8000 Netzknoten gesammelte Verkehr mittels Übertragungs- und Vermittlungstechnik über größere Entfernungen und ggf. unter Nutzung mehrerer Netzknoten zu seinem Zielort transportiert wurde.
Die OVSt im Zugangsnetz befinden sich in eigenen Gebäuden der X-AG in Einfamilienhausgröße, in denen sich technische Einrichtungen (Stromversorgung, Vermittlungstechnik) befinden und bei denen nur die größeren Einrichtungen im Streitjahr mit Personal ausgestattet waren, während ansonsten mobiles Personal zum Einsatz kam, welches die Einrichtung regelmäßig aufsuchte und von der entsprechenden Niederlassung der X-AG gestellt wurde. Nicht in jeder deutschen Gemeinde befanden sich im Streitjahr Betriebsstellen, da es in Deutschland 5200 Ortsnetze (eigene Vorwahl) mit ca. 8000 Anschlussbereichen gibt und die Ortsnetzgrenzen nicht mit den Gemeindegrenzen kongruent sind. Ein Ortsnetz umfasst mindestens einen Anschlussbereich, wobei bei Großstädten mehrere Anschlussbereiche umfasst sind (Bsp.: Stadt Hamburg 100 Anschlussbereiche). In nahezu jeder Gemeinde befinden sich allerdings sog. Kabelverzweiger (KVz; die sog. grauen Kästen), welche im Wesentlichen eine feste Verdrahtung der Kupferdoppelader zum Kunden beinhalten. Für 4 vH der Haushalte ist aber auch Übertragungstechnik dort eingebaut. Im Durchschnitt sind an einem KVz ca. 200 Kunden angeschlossen und beträgt die Entfernung von Hauptverteiler zu Übergabepunkt (APL) im Schnitt ca. 2 km.
Insgesamt ist der Netzaufbau dynamisch und wandelt sich unter der ständigen technischen Entwicklung permanent. Die X-AG beschäftigt in mehreren Niederlassungen ca. 50 000 Mitarbeiter, welche netzbezogene Tätigkeiten ausüben (ca. 50 vH Netzplanung und -ausbau, ca. 50 vH Kundendienst). Sie gibt insoweit an, bezogen auf das Jahr 2005 ca. 146.000 Aufträge für die Herstellung der Anschluss- und Verbindungsleitungen sowie den Bau und die Ergänzung der APL an/in den Häusern der Kunden erhalten und 58.000 Kabelschadensfälle bezogen auf die ca. 1,5 Mio. Kabelkilometer bearbeitet zu haben, wobei für das Streitjahr von ähnlichen Verhältnissen auszugehen sei (auf das Schreiben der X-AG vom 26. Januar 2006 wird nochmals verwiesen).
Im Einzelnen gab es im Streitjahr nach den Ermittlungen der X-AG, welche allerdings zum Teil auf Zuordnungen und Abschätzungen beruhen, folgende gemeindebezogene Netztypologie: Von den insgesamt potentiell zerlegungsbetroffenen 14.302 Gemeinden befanden sich in 4.858 VSt, wobei ca. 2006 mit und ca. 2852 ohne Personal ausgestattet waren. In 9.443 Gemeinden gab es keine VSt, wohl aber ganz überwiegend KVz (auf die entsprechende Liste der X-AG, Bl. 585 ff...