Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimunterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1) Aufwendungen für die Unterbringung in einer sozial-therapeutischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen sind als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
2) Die zwingend vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens im Betreuungsverfahren gemäß §§ 65 ff., 68b FGG macht die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Attestes zum Nachweis der Zwangsläufigkeit entbehrlich.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligen streiten über die Anerkennung von Heimunterbringungskosten des Klägers als außergewöhnliche Belastung.
Der 1939 geborene Kläger lebt seit 1977 in einer sozial-therapeutischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen, dem … Seit 1993 ist seine Schwester, Frau … zur Regelung aller Angelegenheiten als Betreuerin bestellt. Im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht wurde ein ärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. med. … vom …2000 eingeholt in dem es u. a. heißt:
„das Denkvermögen ist aufgrund der Intelligenzminderung eingeschränkt. Kompliziertere Denkvorgänge kann Herr … nicht vollziehen. Er kann seinen Namen schreiben, kann auch einfache Drei-Wort-Sätze schreiben. Auch einfache Rechenaufgaben im Zahlenbereich bis 20 kann er durchführen und er kann bis über 100 zählen. Er kann mit Messer und Gabel essen, muss zur Körperpflege nicht besonders angehalten werden, räumt sein Zimmer auf und hält Ordnung.
Die intellektuellen Umstellungsfähigkeiten sind gering. Ausgeprägte Neuaufgaben kann er nicht selbständig lösen. Er ist hier auf die Hilfe der Betreuer und auf ein förderndes und stabiles Umfeld angewiesen.
Insgesamt möchte ich die an mich gestellte Fragen wie folgt beantworten:
- Bei Herrn … liegt eine geistig und seelische Behinderung vor.
- Diagnostisch handelt es sich um eine frühkindliche Hirnschädigung mit intellektueller Einschränkung vom Grad einer Imbecilität.
- Meine Diagnosen beruhen auf der Kenntnis des Untersuchten seit 1977 und erneuten Nervenärztlichen Untersuchungen am … und … 2000.
- Herr … ist nicht in der Lage, den nachfolgenden Bereiche selbst zu besorgen: Gesundheitsfürsorge, Bestimmung des Aufenthalts, Wohnungsangelegenheiten und Vermögensangelegenheiten.
- ….
- Die seelisch-geistige Behinderung wird bei Herrn … lebenslang bestehen.
Weitere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung dann oder teilweise entbehrlich machten, bestehen nicht.”
Der Kläger bezog Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit durch seine Arbeit in den sozial-therapeutischen Werkstätten … sowie seit seiner Verrentung eine Altersrente. Daneben hatte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen. Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Kosten der Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 20.420,00 EUR geltend. Dieser Betrag ergibt sich aus den Zahlungen an das … e.V. in Höhe von 27.607,63 EUR abzüglich der Haushaltsersparnis (nach Richtlinien 188 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuerrichtlinien) in Höhe von 7.188,00 EUR, sodass als außergewöhnliche Belastungen 20.419,63 EUR verblieben.
Der Beklagte ließ im Einkommensteuerbescheid vom … 2005 die Kosten der Heimunterbringung unberücksichtigt. Mit seinem Einspruch vom … 2005 legte der Kläger das ärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. med. … vom … 2000 vor.
Zudem legte der Kläger ein weiteres ärztliches Schreiben des Dr. … vom … 2005 vor, mit dem erneut bescheinigt wurde, dass der Kläger lebenslang behindert sein werde und auf die Hilfe wohlmeinender Menschen angewiesen sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom … 2006 als unbegründet zurück. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger seine Pflegebedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen habe. Der Nachweis sei durch die Bescheinigung der Pflegekasse, eines privaten Versicherungsunternehmens oder nach § 65 Abs. 2 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung zu führen. Bei einer behinderungsbedingten Heimunterbringung auch durch ein im Voraus ausgestelltes amtsärztliches Attest. Der Kläger habe ein solches amtsärztliches Attest nicht vorgelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, auch ohne ein amtsärztliches Attest sei die Zwangsläufigkeit seiner Heimunterbringung durch das von ihm vorgelegte ärztliche Gutachten nachgewiesen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2000 vom … 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2006 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung von 20.420 EUR als außergewöhnliche Belastung niedriger festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung der Ansicht, dass die Zwangsläufigkeit der Heimunterbringung nicht durch die dafür erforderlichen Atteste oder sonstigen Bescheinigungen nachgewies...