Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Veranlasser-Spendenhaftung bei nachträglicher Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Körperschaft. Haftung für Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. keine Veranlasserhaftung gem. § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Abs. EStG bei nachträgliches Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Haftungstatbestand nach § 10b Abs. 4 Satz 2, 2. Alt. EStG (sog. Veranlasserhaftung) umfasst nicht die Fälle, in denen Spenden für Zwecke verwendet werden, die mangels nachträglicher Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Zuwendungsempfängers nicht (mehr) steuerbegünstigt sind.
2. Im Gegensatz zur Ausstellerhaftung (§ 10b Abs. 4 Satz 2 1. Alt. EStG) kommt es bei der Veranlasserhaftung auf ein Verschulden der handelnden Personen hinsichtlich der Fehlverwendung der Spendengelder nicht an.
3. Eine Fehlverwendung der Spenden ist gegeben, wenn der Spendenbetrag nicht zu dem in der Spendenbestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet wurde.
Normenkette
EStG § 10b Abs. 4 S. 2 Alt. 2; KStG § 9 Abs. 3 S. 2; GewStG § 9 Nr. 5 S. 5; AO 1977 § 191 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Klage werden der Haftungsbescheid gem. § 191 AO in Verbindung mit § 10 b Abs. 4 S. 2, 2. Alt. EStG und § 9 Abs. 3. S. 2., 2. Alt. KStG vom 15.10.1998 sowie der Haftungsbescheid gem. § 191 AO in Verbindung mit § 9 Nr. 5 S. 5, 2. Alt. GewStG vom 15. Oktober 1998, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2000, aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist der 1. Vorsitzende des Vereins … Segelfreunde e.V. (im folgenden: Verein); Zweck des … gegründeten Vereins ist die Ausübung des Segelsports. Im Freistellungsbescheid für die Kalenderjahre 1990 bis 1992 hatte das Finanzamt A. die Gemeinnützigkeit des Vereins für Spendenzwecke – ebenso wie in den Vorjahren – unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis längstens 31. Mai 1997 anerkannt. Mit Bescheid vom 29. September 1997 wurde dem Verein die Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit für 1993 bis 1995 wegen fehlender Förderung der Allgemeinheit aberkannt. Die Körperschaftssteuer wurde für die Jahre 1993 bis 1995 auf jeweils 0,00 DM festgesetzt. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Vereins vom 02.1 Oktober 1997 wurden mit Schreiben vom 01. April 1998 zurückgenommen.
Unter dem 15. Oktober 1998 hat das Finanzamt A. gegen den Kläger Haftungsbescheide über 62.160,00 DM Einkommensteuer/Körperschaftssteuer sowie 15.540,00 DM Gewerbesteuer erlassen. Im Jahr 1999 wurde die Geschäftsstelle des Klägers von E. nach G. verlegt; der nunmehr zuständige Beklagte (das Finanzamt B. – FA –) wies die Einsprüche des Klägers gegen die Haftungsbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2000 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, die angefochtenen Haftungsbescheide ersatzlos aufzuheben, weiter. Der Kläger vertritt die Ansicht, die Haftungsbescheide hätten keine ausreichende rechtliche Grundlage in § 10 b Abs. 4 S. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. § 9 Abs. 3 S. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 9 Ziff. 5 S. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Der Verein sei im Zeitpunkt der Entgegennahme der Spenden als gemeinnützig anerkannt gewesen. Die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit könne aus den rechtmäßig verwendeten Spendengeldern keine fehlverwendeten Spenden im Sinne des § 10 b Abs. 4 S. 2, 2. Alternative, EStG machen. Die über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Anwendung dieser Vorschrift durch das Finanzamt sei nicht rechtens. Der Verein habe die erhaltenen Spendengelder ausschließlich und unmittelbar für den Satzungszweck, die Förderung des Segelsports, verwendet; hierbei handle es sich um einen steuerbegünstigten gemeinnützigen Zweck im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Die rückwirkende Inanspruchnahme des Klägers verstoße zudem gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Das Finanzamt A. habe im Zuge einer Besprechung mit dem 1. und 2. Vorsitzenden des Vereins ausdrücklich bestätigt, dass die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit für den Verein keine finanziellen Folgen für die Vergangenheit habe. Diese Aussage sei ursächlich für die Zurücknahme der Einsprüche gegen die Bescheide über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit gewesen. Im Übrigen sei die Aberkennung der Gemeinnützigkeit materiell-rechtlich nicht gerechtfertigt gewesen. Insbesondere der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf des FA …, die Satzung des Vereins weise Mängel bezüglich der Vermögensanfallbestimmungen auf, sei u...