Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinszahlungen im Rahmen einer Rentennachzahlung. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
Die Verzinsung von Rentennachzahlungen gemäß § 44 Abs. 1 SGB I unterliegt als Entgelt für die zwangsweise Überlassung von Kapital der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Zinsen können nicht mit der Folge einer Besteuerung nur des Ertragsanteils als Bestandteil der Rentennachzahlung angesehen werden.
Normenkette
EStG 1997 § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; SGB I § 44 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 10. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2003 wird in der Weise geändert, dass die Einkommensteuer auf 121.581 DM bzw. 62.163,38 EUR herabgesetzt wird.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Steuerbarkeit von Zinsen, die aufgrund eines Rentennachzahlungsbescheids ausgezahlt werden.
Die Kläger (Kl) sind seit dem 3. Dezember 1990 verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Erst nach mehrjährigen, z.T. auch vor dem Sozialgericht geführten Auseinandersetzungen mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wurde der Klägerin (Klin; …) mit Rentenbescheid vom 15. September 1998 (Einkommensteuer – ESt – Akte 1998, Bl 7) ab 1. November 1998 eine laufende Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich brutto 1.574,27 DM (netto 1.451,48 DM) bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahrs bewilligt. Die Erwerbsunfähigkeitsrente beruht auf einem schweren Verkehrsunfall, den die Klin im Januar 1984 erlitten hatte.
Außerdem wurde mit diesem Bescheid für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Oktober 1998 eine Rentennachzahlung in Höhe von brutto 122.926,88 DM gewährt. Zur Auszahlung kamen aber lediglich die um die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsanteile der Klin gekürzten Rentenbeträge. Dieser Rentenbescheid, auf den Bezug genommen wird, weist ferner für die Zeit vom Februar 1992 bis August 1998 eine Zinsnachzahlung in Höhe von 14.376,59 DM aus, deren Besteuerung streitig ist.
In einem weiteren Rentenbescheid vom 8. September 1998 bewilligte die BfA für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis 31. Dezeber 1991 eine Rentennachzahlung von zusammen 69.502,03 DM. In diesem Bescheid sind Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 4.585,33 DM ausgewiesen. Sämtliche (um Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsanteile gekürzte) Rentennachzahlungen samt Zinsen wurden im Streitjahr (1998) an die Klin ausgezahlt.
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens machten die Kl geltend, dass es für die Besteuerung der Zinsen keine Rechtsgrundlage gebe. Weder § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) noch § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG seien einschlägig.
Abweichend davon berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Zinseinnahmen im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 16. März 2000 als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Im Einkommensteueränderungsbescheid 1998 vom 26. September 2000, in dem die Einkünfte aus Kapitalvermögen unverändert blieben, wurden ferner die Rentenzahlungen aufgeteilt in im Streitjahr entstandene Einnahmen (17.402 DM × 50 % Ertragsanteil = 8.701 DM) und in Rentennachzahlungen, die für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis 31. Dezember 1995 geleistet und mit einem Ertragsanteil von 45 % (130.414 DM × 45 % = 58.686 DM) angesetzt wurden, sowie in für die Jahre 1996-1997 geleistete Rentennachzahlungen, die mit einem Ertragsanteil von 50 % (26.899 × 50 % = 13.449 DM) berücksichtigt wurden. Die unterschiedlichen Ertragsanteilssätze basieren auf der Änderung der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV), deren Werte ab dem Jahr 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 angehoben wurden (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- München vom 3. August 1998 S 2255-43 St 416, ESt-Kartei zu § 22 Nr. 1, Karte 2.1).
Dieser Einkommensteuerbescheid wurde aus nicht streitbefangenen Gründen mehrmals geändert, zuletzt durch Einkommensteuerbescheid vom 10. Februar 2003. In diesem Bescheid ist ausgeführt, dass die Rentennachzahlungen nicht nach § 34 Abs. 3 EStG besteuert worden seien, da sich dadurch eine höhere steuerliche Belastung ergeben würde. Der Ansatz der Zinsen blieb unverändert.
Im Einspruchsverfahren vertraten die Kl weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Zinsnachzahlung nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen handele. Die Zinsen seien gem. § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) I bezahlt worden. Es sei deshalb weder ein Ertrag aus sonstigen Kapitalforderungen noch ein besonderes Entgelt gegeben. Nach der einschlägigen Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 1 SGB I würden die Zinsen nicht i.S. eines Ertrags gezahlt. Vielmehr stellten die Zinsen einen Pauschalausgleich für erlittene Nachteile dar, da es in der Gesetzesbegründung wörtlich heiße:
„Mit Einführung der Verzinsung zieht der Gesetzgeber die Konsequenz darau...